Kanaan: das israelisch-palästinensische Restaurant in Berlin

von Redaktion
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Ein Gericht aus dem Kanaan in Berlin: Sabich

Dass zwei „Expats“ in Berlin ein Restaurant aufmachen – keine Seltenheit. Im „Kanaan“ im Prenzlauer Berg aber haben sich ein Israeli und ein Palästinenser zusammengetan, um den Berlinern ihre Küche(n) näher zu bringen. Das haben wir uns mal genauer angeschaut.

Mit seinem Casual-Look aus Sneakern und schwarzem Hoodie sieht Oz Ben David nicht gerade so aus, wie man sich den „marketing businessman“ vorstellt, als der er uns in der Presseinfo angekündigt wurde. Es würde aber auch nicht zum Laden passen, in dem wir uns befinden.

Die Location des „Kanaan“ sieht aus wie ein Kneipenrestaurant im Prenzlauer Berg in den späten Neunzigern: schmucklos, aber gemütlich mit uralten Lampen, nicht diese bescheuerten nackten Glühdrähte, die man heute überall von den Decken hängen lässt. Kein Wunder: Hauptmieter des Hauses ist die hier schon seit langer Zeit ansässigen Kneipe „Kohlenquelle“, die abends loslegt, wenn die Küche des „Kanaan“ schließt. Oz zeigt auf seine Kleidung:

Wenn ich mich so anziehe wie ich mit Anfang Zwanzig in Israel rumgelaufen bin, dann komme ich hier in Berlin besser mit den Leuten in Kontakt. Auch mit Businessleuten. Hier geht es nicht um Autos oder deinen Gucci-Anzug, sondern darum, ob du jemanden von deinen Ideen überzeugen kannst.

Berlin-Fan, ja das sei er. Aber nicht von Anfang an gewesen. Grau und dreckig habe die Stadt auf ihn gewirkt, als er hier vor einem Jahr ankam. Dann aber entdeckte er, wie entspannt die Stadt ist. „Nicht so stressig wie Amsterdam oder Israel.“ Vorher hat er in Lebensmittel-Marketing gemacht. Sein Job bestand darin, Produkte aus seiner Heimat zu promoten und in den niederländischen und deutschen Handel zu bringen. Jetzt betreibt Oz Ben David zusammen mit Jalil Dabit also das Restaurant „Kanaan“ in der Kopenhagener Straße im Prenzlauer Berg.

Kochen für den Frieden

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Geschäftspartner: der Palästinenser Jalil Dabit und der Israeli Oz Ben David

Dass zwei „Expats“ ein Restaurant in Berlin aufmachen, ist nichts Ungewöhnliches. Dass jemand keine Lust mehr auf Marketing hat und lieber sein eigenes Essen verkauft, auch nicht. In diesem Fall ist es aber schon etwas anders: Oz Ben David ist Israeli, Jalil Dabit Palästinenser. Dabit hat schon zwei Restaurants in Ramla, suchte für die deutsche Hauptstadt einen Partner, fand ihn in Oz Ben David.

Eine Geschichte, wie Journalisten sie sich wünschen: Ein Israeli und ein Palästinenser machen gemeinsam ein Restaurant auf. Kochen für den Frieden. Kürzlich hat es ein Falafel-Imbiss aus dem israelischen Kfar Vitkin mit seinem speziellen Rabatt-Angebot – 50% Nachlass, wenn Israelis und Palästinenser zusammen zum Essen kommen – weltweit in die Nachrichten geschafft. Die Conflict Kitchen, ein Imbiss, der nur Essen aus Ländern kocht, mit denen die USA im angespannten Verhältnis stehen, ebenso. Zurzeit gibt es dort persisches Essen.

Man merkt aber schon nach der ersten Frage zum Thema, dass man es im „Kanaan“ weniger auf solche Sensation abgesehen hat. Der Betreiber macht dabei jenen Gesichtsausdruck, den Interviewpartner oft haben, wenn ihnen eine (Klischee-)Frage schon oft gestellt wurde.

Macht und Medien in Israel repräsentieren nicht den Alltag der Menschen, außer vielleicht, man ist rechts.

Oz Ben David zeigt ein Crowdfunding-Video von Noa Provizor, einer befreundeten israelischen Modemacherin, die auch in Berlin wohnt und Accessoires mit traditioneller palästinensischer Stickerei herstellen lassen will, die man von den Tüchern kennt. Mitarbeiter in Ost-Jerusalem und aus der Westbank sollen sie produzieren. Das Geld hat sie zusammen bekommen. In der Gay-Community daten sich israelische und arabische Jungs fleißig. Politics of pleasure. Und überhaupt: In anderen Städten wie London gebe es so eine Zusammenarbeit von israelischen und palästinensischen Köchen ja auch, erklärt der Betreiber.

Essen verbindet

Das stimmt. Das beliebte Restaurant „Machneyuda“ aus Jerusalem hat einen Ableger an der Themse eröffnet, auch da gibt es den Mix der Küchen. Oder im beschaulichen Den Haag, im „Love and Peas“. Der von vielen Foodies fast kultisch verehrte Yotam Ottolenghi hat mit seinem palästinensischen Koch-Kollegen Sami Tamimi das israelisch-palästinensische Kochbuch „Jerusalem“ herausgegeben. Und Haya Molcho, die Wiener Erfolgsgastronomin und Foodproduzentin mit israelisch-rumänischen Wurzeln, die das „Neni“-Restaurant vor zwei Jahren auch nach Berlin gebracht hat, bezog ihre Tahina von Anfang an von einem palästinensischen Produzenten. Der hatte anfangs nur einen kleinen Raum, um „die orientalische Bechamelsauce“, wie Molcho sie nennt, herzustellen. Heute hat er eine kleine Fabrik (Haya-Molcho-Portrait hier).

Essen verbindet, und der kulinarisch-soziale Klebstoff der ganzen Region ist Hummus. Der wird über alle Grenzen hinweg verspeist, in allen Glaubens- und Volksgruppen. Mit feinen lokalen Unterschieden freilich, die bis in unterschiedliche Familienrezepte hineinreichen, so wie man es hier vom Kartoffelsalat kennt – inklusive der Inanspruchnahme, den besten überhaupt zu machen.

Schmeckt´s? Oh yes.

Die ideale Basis, um damit ein Küchenkonzept zu machen: Sollen die Gäste doch entscheiden, wie der Hummus ihnen am besten schmeckt. Jetzt kommt er an den Tisch. Klassisch mit Tahini (Sesamsauce), Olivenöl, Gewürzen und Kräutern. Als „Masabacha“ aus der levantinischen Küche, mit ganzen Kirchererbsen in cremiger Sauce. Als „Sabich“, irakisch mit Aubergine, scharfer jeminitischer Pestosauce und traumhaftem Amba (Mangosauce mit gelbem Curry) plus hart gekochtem Ei. Diese Variante wird ins Brot gegeben, weiches Pitabrot nach palästinensischem Rezept, das neben dem süßlichen jüdischen Challahbrot frisch gebacken wird.

Die meisten Produkte importiert man direkt aus der Region, die Tahina-Sesampaste von einem Bio-Fabrikanten aus Äthiopien. Schmeckt traumhaft zum Blumenkohl mit Dattelhonig, die Falafel sind knusprig, nussig, kein Vergleich mit den zahnsteinentfernenden und furztrockenen Bällchen, die Berliner Standard sind. Leckere Kleinigkeiten, zudem vegetarisch und vegan. „Like it?“, fragt der nette Koch, der an den Tisch kommt. Oh yes.

Kanaan Berlin: bald auch Shop, Eisdiele und Kochschule

Gegenüber vom Restaurant, das derzeit nur am Wochenende geöffnet ist, gibt es einen Verbau, der ein bisschen wie ein kleiner Outdoor-Club an der Spree aussieht. „Hütte“ steht obendrauf. Das ist „Kanaan Express“, der Imbiss, den man unter der Woche betreibt. Hier würden sich oft lange, lange Schlangen bilden, sagt Oz Ben David. Würde man angesichts der Lage am Ende einer Sackgasse an den Schienen des Rings, über den gerade eine S-Bahn knirscht, nicht glauben wollen – wäre nicht die Zentrale von Zalando hier. Viele Mitarbeiter seien froh, hier was anderes, Gesundes zu essen zu bekommen, so der Chef.

Sein Kompagnon ist gerade unterwegs im Westjordanland, wird aber bald zurück sein. Denn ein zweiter „Kanaan Express“ startet jetzt in Kreuzberg, und hier im Haupthaus hat man auch einiges vor. In den Keller des Hauses, das mal ein Bahnhof war, zieht das Restaurant bald um und hat dann täglich auf. Der ist naturbelassen: Das Mauerwerk, das für andere Restaurants der Stadt wieder freigekloppt wird, liegt hier praktischerweise schon bzw. noch nackt da. „Wir machen dann auch einen Shop“, erklärt Oz Ben David. Mit Spezialitäten aus der östlichen Mittelmeer-Region (u.a. Dattelhonig und Tahini), außerdem eine Eisdiele mit speziellen Sorten wie Eis aus arabischem Kaffee mit Kardamom. Leuten das Kochen beibringen will man auch. Im hinteren Bereich des Kellers ist dafür genug Platz vorhanden.

„Auch Flüchtlingen. Wir haben viele Leute im Team, die Arabisch sprechen, das wird es einfacher machen“.

Und sicher auch, dann weiterhin einen Hoodie zu tragen statt eines steifen Anzugs.

Kanaan – Facebook
Kopenhagener Straße 16
10437 Berlin

Fotos: Kfir Harbi (mediaKantine), Food-Styling: Itay Novak

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