Das Sous-Vide-Verfahren – Garen von Zutaten im Wasserbad bei einer exakt gleichbleibenden, relativ niedrigen Temperatur – ist wirklich praktisch: So muss man zum Beispiel ein Stück Fleisch nicht mehr auf die Sekunde genau braten und aufpassen, dass aus „medium rare“ nicht „well done“ und aus „well done“ nicht die berüchtigte Schuhsohle wird. Die Zeitfenster sind größer, das Handling ist risikoärmer. Kein Wunder also, dass das Verfahren in der Restauration immer häufiger eingesetzt wird.
Sous Vide an der Bar?
Aber ist es auch ein Thema für die Bar? Heißes Wasser und kühle Drinks haben scheinbar erst einmal wenig miteinander zu tun. Doch schon seit einigen Jahren erkunden Mixologen rund um die Welt, wie sich das Sous-Vide-Verfahren auch für Cocktails nutzbar machen lässt. Bartender Stephan Hinz aus Köln („Little Link“) geht in seinem Bar-Buch „Cocktailkunst“ detailliert auf die Technik ein.
Auch eine kleine, feine Kellerbar im Frankfurter Bahnhofsviertel serviert seinen Gästen Drinks mit Sous-Vide-Infusionen: das 2015 eröffnete „The Kinly“. Wie es gemacht wird, erklärten Barbetreiber René Soffner und seine Mitarbeiter 25 ausgewählten Kollegen im Rahmen eines Workshops in der schmucken „Villa Kennedy“, zu dem Axel Klubescheidt, Brand Ambassador der schwedischen Premium-Vodkamarke „Absolut Elyx“, nach „Mainhattan“ geladen hatte. Nicht nur gab es eine kleine theoretische Einführung in die innovative Technik sowie eine Demonstration mit einer Himbeeren-Infusion (s. nächstes Bild), sondern auch – wie Bartender es mögen – eine praktische Übung: Denn die Rezepte für die Drinks zum Dreigang-Menü, das am Abend im sommerlichen Innenhof des Hotels serviert wurde, entwickelten die Bartender in Dreierteams selbst.
Von Beeren bis zum Gemüse: Sous Vide ist facettenreich einsetzbar
Natürlich wurden diese Drinks mit Wodka, namentlich mit Elyx kreiert: Die fruchtig-herzhafte Vorspeise mit Mango, Wassermelone und Rindfleisch wurde von Team Eins komplementär von einem frischen Mix mit Gurke, Koriander, Grapefruit, Verbene (Eisenkraut) und Lime Cordial begleitet, zum Hauptgang – Kalbsrücken mit Kartoffel, grünem Spargel und Thymianjus – gab es von Team Zwei einen sehr experimentellen Food-Pairing-Drink mit in braunem Zucker karamellisierten Zwiebeln, Banane (mit Schale), Macadamia und Medium Dry Sherry. Das Dessert, eine Tiramisu-Variation, genossen die Bartender mit einem Sous-Vide-Drink von Team Drei aus Hibiscus, Verbene und Muskatnuss, getoppt von einem Mandelmilch-Espuma.
Wodka ist ein idealer Partner für die Zutaten, die mit ihm in den Vakuum-Beutel kommen, weil diese Spirituose in ihrer Mixability wohl unschlagbar und vielseitigst einsetzbar ist – Naheliegendes wie Beeren können ebenso wie Kräuter, Gewürze oder gar Gemüse zusammen mit ihm ins Wasserbad gehen. Wichtig, darauf wies René Soffner die anwesenden Kollegen aus der Frankfurter Barszene hin – manche Zutaten brauchen vorab eine separate Sous-Vide-Runde, andere nicht:
Eine Minze, die in der Nase schon wunderbar aromatisch ist, kann ich gleich mit dem Wodka zusammentun. Eine Süßkartoffel sollte ich erst in den Zustand bringen, in dem ich sie haben will.
Auch die Qualität der eingesetzten Waren spielt eine große Rolle: Eine von Natur aus schlappe Erdbeere wird auch nach Tagen im Wasserbad keine Geschmacksbombe und eine saure Himbeere wird nicht süßer, je länger sie badet. Nur mit gutem Ausgangsmaterial wird man auch erfreuliche Ergebnisse erzielen. Als Sous-Vide-Behältnis dienen idealerweise Schlauchbeutel mit nur einer Naht, die zum Befüllen des besseren Handlings halber umgeschlagen werden. Sie werden dann vakuumiert, bis sie ca. 95% luftfrei sind, und anschließend verschlossen. Ab ins Bad!
Orientierung bieten Erfahrungs- und Richtwerte
Und wie lange? Trotz vieler Standards und Erfahrungswerte: In Stein gemeißelte Wahrheiten gibt es nicht, was Sous Vide in der Bar betrifft. Das „trial and error“-Prinzip gilt auch hier. Allerdings empfiehlt es sich, sich an Richtwerten zu orientieren, die einschlägige Fachbücher und natürlich das Internet liefern. Gemüse benötigen eine relativ hohe Temperatur von 75 bis 90 Grad Celsius und können lange im Bad bleiben, die für viele Drinks eine tragende Rolle spielende Zitronenzeste ist deutlich vorsichtiger zu behandeln: Nur rund zehn Minuten sollte sie bei milden 45 Grad ziehen, ätherische Öle beginnen bei 53 Grad Celsius zu verdampfen.
Nach Beendigung des Vorgangs sollte zeitnah gefiltert, abgefüllt und anschließend kühl gelagert werden (auch, um die HACCP-Vorschriften prozessierter Lebensmittel zu erfüllen). Übrigens: Nicht nur Infusionen mit Spirituosen, auch Sirupe lassen sich mit Sous Vide sehr gut darstellen, ohne dass ewiges Rühren am Topf nötig ist.
Der Ablauf im Einzelnen:
– Rezept definieren und dokumentieren
– Zutaten auf 2 Grad kühlen (warme Flüssigkeiten beschädigen den Vakuumierer!)
– Rohstoffe vorbereiten (schneiden, mahlen etc.)
– Rohstoffe abwiegen bzw. abmessen
– Zutaten (ggf.) zusammenführen, z.B. Beeren und Wodka
– Platz im Beutel lassen, damit er gut verschweißt werden kann
– mit der Hand schon etwas Luft aus dem Beutel streichen, Beutel glätten
– Vakuumieren
– Beutel ins auf die richtige Temperatur vorgewärmte Wasserbad geben
– darauf achten, dass der Beutel immer vollständig unter Wasser bleibt
– nach der Garzeit entnehmen, kühlen, ggf. filtrieren und abfüllen
– kühl lagern (HACCP)
Hohe Anschaffungskosten rechnen sich durch geringeren Wareneinsatz
So weit, so gut. Doch lohnt sich die Technik für die Bar – sowohl operativ als auch wirtschaftlich? Es sprechen viele Gründe dafür: Die Garung ist gleichmäßig und präzise, Infusionen lassen sich (bei guter Dokumentation) gut reproduzieren, Farbe, Frische und Aroma bleiben erhalten und gehen ideal ins Endprodukt ein. Die Volumenverluste sind gering und die Haltbarkeit – gerade mit einer hochprozentigen Spirituose vermählt – ist lang. Dadurch, dass das Bauen eines Drinks in hohem Maße in der Mise en Place vorbereitet werden kann, spart das Barteam im laufenden Betrieb Zeit und kann Gäste schneller bedienen (sprich mehr drehen und mehr Umsatz machen). Auch der Energieverbrauch moderner Geräte ist gering.
Ein Minuspunkt tut sich aber auf: die relativ hohen Anschaffungskosten. Für eine Vakuumpumpe und ein Sous-Vide-Gerät auf Profi-Level, und das braucht man, muss man 1.000 bis 1.500 Euro einplanen. Was sich jedoch schnell rechnet, findet René Soffner:
Ich brauche für einen Mint Bourbon Smash nicht mehr ein Bund Minze, sondern einen Bruchteil, weil die Intensität beim Sous Vide viel höher ist. Durch die Wareneinsatz-Ersparnis kann man leicht hochrechnen, wann der Break-even erreicht ist und es danach sogar günstiger ist.
Individuelle Sous-Vide-Infusionen: Alleinstellungsmerkmal
Und dann ist da ja noch der Wow-Effekt für den Gast: Individuelle Infusionen verschiedenster Couleur und Aromatik, sinnlich wahrnehmbar gemacht (sichtbar für den Gast, bei Interesse kann er daran riechen oder probieren), bieten ihm ein außergewöhnliches Erlebnis und bilden ein Alleinstellungsmerkmal für die Bar. Und nicht nur für Bars: Denn mit Sous Vide Infusionen und Co. für Drinks zubereiten, das ist auch für Restaurants eine interessante Option. Die, und da schließt sich der Kreis, ja bereits oft mit der Technik vertraut und mit entsprechender Gerätschaft ausgestattet sind.
Rezept: Zwetschge-Pandan-Infusion
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