Eis ist das Gold der Bar. Doch was ist das perfekte Eis in Gästeglas und Shaker? Bei der Campari Werkstatt in Berlin, einem regelmäßigen Workshopformat für Profi-Barkeeper zu aktuellen Themen rund um den Beruf, präsentierte Tobias Happe unter dem Motto „Ice, Ice Baby“ Spannendes, Skurriles und Wissenswertes rund um das gefrorene Wasser.
Denken wir kurz an den Physikunterricht in der Schule zurück. Hände hoch: Wer fand ihn aufregend? Wir sehen wenige Hände hochgehen … ganz anders, nämlich richtig spannend, war die Präsentation von Tobias Happe bei der Campari Werkstatt in Berlin im April. Der studierte Physiker Happe ist Teil von „Physikanten & Co.“, einem Naturwissenschaftler-Team, das seinem Publikum Wissenswertes aus den Gesetzen der Natur informativ und unterhaltsam vermittelt. Wie damals in der berühmten Knoff-Hoff-Show.
Beim Workshop „Ice, Ice Baby“ ging es um das Gold der Bar, das Eis. Es ist Bestandteil praktisch jedes Drinks, seine Bedeutung kann daher gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dass Hohlkegeleis nicht das Maß der Dinge ist, hat sich in der Gastronomie längst herumgesprochen. Doch was macht eigentlich gutes Eis aus und welche Effekte gilt es zu beachten? Wir haben aus Happes spannender Präsentation 7 Learnings mitgenommen.
1. Vorkühlen spart Zeit und verringert die Verwässerung
Um abzukühlen, muss Wasser viel Wärme lassen. Kühlen ist, physikalisch betrachtet, Abgabe von Energie. Wer Getränke und Behältnisse wie Trinkgefäße vorkühlt, spart Zeit, und eine größere Gesamtkälte verringert die Verwässerung. Plus: Eine volle Kühlung spart gegenüber einer weniger vollen sogar etwas Energie.
2. Heißes Wasser gefriert schneller, aber das hilft an der Bar wenig
Heißes Wasser in klirrender sibirischer Kälte in die Luft werfen verursacht Eisschnee: Das nennt man den „Mpemba-Effekt“. Man geht davon aus, dass die bei höheren Temperaturen stärkere Molekularbewegung das Vereisen hervorruft – denn das passiert, wenn sich 30 H2O-Moleküle gleichzeitig parallel zueinander ausrichten. Doch nützt dieses Phänomen auch an der Bar etwas, um zum Beispiel Zeit einzusparen? Nein: Denn, siehe Punkt 1, es muss viel Energie dafür aufgewendet werden (was nur den Stromversorger freut) und der Effekt braucht viel Oberfläche, am besten Tropfen, die in die Luft geworfen werden – unrealistisch in der Bar. Ein typischer Gefriervorgang sieht eher aus wie in Punkt 3.
3. Wasser gefriert von außen nach innen
Man stelle einen Behälter mit Wasser in die Kühlung und stellt nach einiger Zeit fest: Außen schon gefroren, ist das Wasser innen noch flüssig (kennt man, wenn man Eiswürfel, die noch nicht lange genug frieren, zerdrückt). Wasser gefriert im normalen Gefrierfach nämlich von außen nach innen. Die Gasbläschen, die sich bei Wasser immer wieder neu bilden, auch wenn es das stillste Wasser der Welt ist, werden dabei eingeschlossen und beim Gefriervorgang nach innen getrieben. Mit dem Effekt, dass sie das Eis innen am stärksten trüben.
Wer diese Trübung verhindern und schönes, klares Eis haben will, muss von unten nach oben frieren. Das geht zum Beispiel, indem sich am Boden des Friergefäßes gekühltes Metall befindet: Das zieht die Wärme schnell raus, das Wasser darüber friert zuerst am Boden, die Bläschen blubbern die Bläschen nach oben raus. Wer keine spezielle Maschine hat oder anschaffen will: Gut eignet sich ein Styroporkarton mit eingelegter Metallplatte. Eiswürfelschalen aus Metall gehen auch, zumindest besser als Kunststoffschalen.
4. Schneller rühren gleich schneller kühlen
Je schneller gerührt wird, desto mehr Austausch entsteht, desto schneller erfolgt die Kühlung. Tipp: Leichtes Unterheben erhöht den Effekt zusätzlich.
5. Crushed Ice kühlt schneller, aber verwässert mehr als Eiswürfel. Eiswürfel kühlen schneller, aber verwässern mehr als Eiskugeln
Je mehr Oberfläche, desto besser die Kühlwirkung. Und umgekehrt: Je geringer die Oberfläche des Eises im Verhältnis zum Volumen, desto geringer die Verwässerung. Wer schnell kühlen will, nimmt Eis mit viel Oberfläche (zum Beispiel Crushed Ice oder Kratzeis). Wer wenig Schmelzwasser will, nimmt im Idealfall einen Eisball, muss dann aber einen längeren Kühlvorgang einplanen.
6. Trockeneis ist mit großer Vorsicht zu verwenden
Trockeneis erzeugt keinerlei Verwässerung und verschiebt – denn es bildet mit dem Wasser Kohlensäure – den pH-Wert des Getränks in den sauren Bereich, sodass man an Zitrone und Co. sparen kann. Aber, aber: Trockeneis hat eine Temperatur von minus 78 Grad Celsius. Bei Körperkontakt herrscht Verbrennungsgefahr (Verbrennungen sind medizinisch betrachtet das Gleiche wie Erfrierungen). Es sollte ergo nie mit bloßen Händen angefasst werden und darf vor allem nie in die Nähe des Gastes kommen. Das Verschlucken kann lebensgefährlich sein, und auch der sich ausbreitende, so schön aussehende Trockeneisnebel ist tückisch: Bei Konzentrationen oberhalb von 5% in der Luft kann Trockeneisnebel – auch bei noch ausreichendem Sauerstoffgehalt – erstickend wirken. Daumenregel: Bei einer Raumhöhe von 2,5 Metern dürfen maximal 200 Gramm je Quadratmeter zum Einsatz kommen, der Raum muss gut belüftet sein (das ist längst nicht in jeder Bar gegeben). Das Lagern in Toploader-Eistruhen ist unbedingt zu vermeiden: Das Gas bildet darin einen puren Kohlendioxid-„See“. Wer etwas aus der Truhe holt, wird aufgrund der hohen CO2-Konzentration in Sekundenbruchteilen ohnmächtig. Fällt man infolgedessen nicht neben, sondern in die Truhe, folgt der nahezu sichere Tod.
7. Doppelt gefrostetes Eis kühlt nur geringfügig besser
Kühlt das trendige doppelt gefrostete Eis (ca. minus 18 Grad Celsius) besser? Nur geringfügig: Die meiste Wärme wird dem Drink nämlich beim Schmelzen entzogen. Um einen Liter Wasser mit einer Temperatur von minus 18 Grad Celsius auf 0 Grad zu bringen, braucht man 40 kJ. Im Taubereich hingegen sind für das Aufbrechen der Kristallstruktur satte 333 kJ nötig. Im „doppelt gefrosteten Bereich“ von minus 18 Grad wird somit nur wenig mehr Energieaustausch erzeugt, allerdings verwässert der Drink in diesem Bereich nicht so schnell. Dafür dauert das Shaken länger und benötigt somit mehr Energie, nämlich die des Bartenders. Doppelt gefrostetes Eis im Gästeglas macht wenig Sinn, weil es zu langsam kühlt und, das ist eine Erfahrung des nomy-Teams, bei zu üppiger Befüllung die Lippen unangenehm anfrieren lässt.
Fotos: Sebastian Schöffel
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