Barchefin Alessa Englbrecht: „In der Barszene ist es nicht gerade üblich, dass Frauen höhere Positionen einnehmen“

von Susanna Glitscher
alessa englbrecht 690x460 - interviews-portraits, getraenke, gastronomie Barchefin Alessa Englbrecht: „In der Barszene ist es nicht gerade üblich, dass Frauen höhere Positionen einnehmen“

Barchefin Alessa Englbrecht. Foto: Rocco Forte Hotels

Aufgewachsen in Mexiko, den USA und Deutschland, vereint Alessa Englbrecht ihre Sprach- und Spirituosenskills als Barchefin in der „JFK Bar“ der Villa Kennedy in Frankfurt.

Die 30-jährige gelernte Hotelbetriebswirtin führt in dem zur Rocco Forte Gruppe gehörendem Hotel aktuell ein Team von sieben Leuten an. Im Gespräch mit Susanna Glitscher berichtet sie, wieso sie sich für eine Karriere in der Gastronomie entschied, was ihre mexikanischen Wurzeln damit zu tun haben, wie sie die Region Hessen in ihre Barkarte einbezieht und welches ihr absoluter Lieblingsdrink ist. 

Barkeeperin zu werden ist sicherlich kein klassischer Berufswunsch, den man schon als Kind hat. Wann wurde dir klar, dass dein Herz für die Gastronomie und gute Drinks schlägt?

Weil ich in Mexiko geboren wurde, eine Zeit lang in den USA gelebt habe und dann zum Großteil in Deutschland aufgewachsen bin, hatte ich den Vorteil, viele Sprachen zu können. Und was macht man, wenn man viele Sprachen beherrscht und mit 14, 15 überlegt, einen höheren Schulabschluss zu machen oder einen Beruf zu erlernen? Man geht in die Gastronomie, weil man hier mit einem Talent für Sprachen gut aufgehoben ist und dadurch viele Vorteile hat.

Also waren die Sprachen ausschlaggebend?

Die und meine mexikanische Familie. Es hat mir einfach immer viel Spaß gemacht, Gastgeberin zu sein. Bei uns kommen bei einer Weihnachtsfeier schnell mal 40 Personen zusammen. Da haben dann natürlich alle gleichzeitig Hunger und Durst. Und dann macht man eben von jetzt auf gleich ein Catering für 40 Leute. Es wurden alle satt, es waren immer alle zufrieden. Daher kommt wohl der Hang zum Gastgeberdasein, denn diese Feiern haben mir immer sehr viel Freude bereitet.

Von privaten Familienfeiern bis zur professionellen Karriere in der Barszene ist es trotzdem noch ein weiter Weg. Wie ging es weiter?

Zur Bar bin ich tatsächlich durch einen Zufall gekommen. Ich habe eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht und habe dann immer mehr den Hang zu Food und Beverage bei mir bemerkt – vor allem Beverage. Ich hab mich vom Commis bis zum Chef de Range hochgearbeitet, bis ich mich dann irgendwann nach Weiterbildungsmöglichkeiten umgesehen und einen Hotelbetriebswirt in Heidelberg drangehängt habe, um mein Fachwissen zu vertiefen – von Buchhaltung über Personal bis zur Gesetzeslage. Als ich dann 2014 mit 27 Jahren mit meinem Abschluss von der Hotelfachschule kam, habe ich nach einer neuen Herausforderung gesucht und bin dann erstmal ganz woanders gelandet, bevor ich schließlich bei der Rocco Forte Gruppe in der Villa Kennedy wirklich die Chance bekam, mein Barwissen zu zeigen.

Was fasziniert dich an deinem Beruf jeden Tag aufs Neue?

Ich bin vom Beruf her zwar Barchefin, aber vom Herzen her Barkeeperin. Es ist für mich wie Kochen nur mit flüssigen Produkten. Man hat einfach unendlich viele Möglichkeiten. Für mich erschöpft sich das Thema nie, man lernt immer wieder neu dazu, es gibt immer wieder neue Techniken, und das inspiriert mich, diesen Job auszuüben. 

Die Gastronomie hat einen Ruf als harte Branche. Ist dir auf deinem Weg bis zur Barchefin auch Widerstand begegnet?

In der Barszene ist es nicht gerade üblich, dass Frauen höhere Positionen einnehmen. Es wird immer mal wieder irritiert geguckt, wenn ich sage: Ich bin die Barchefin und nicht nur der Supervisor. Ich glaube, das hat weniger damit zu tun, dass die Leute denken, ich könne das weniger gut als ein Mann. Sondern damit, dass es noch nicht so Alltag ist und man wenig Frauen in der Barszene sieht. Es verändert sich aber langsam, auch bei Cocktailwettbewerben sieht man immer mehr Frauen. Bei der Made in GSA von Mixology habe ich meine Mitarbeiterin und Kollegin Marlene Link gefördert, dass sie sich mit ihrer Rezeptur dort bewirbt. Wir sind sehr sehr stolz darauf, dass sie den dritten Platz geholt hat. Und das als Lokalmatadorin, also als einzige Frankfurterin im Raum, und eine von wenigen Teilnehmerinnen. Ein kleiner Schritt in Richtung Emanzipation in der Barszene.

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Foto: Rocco Forte Hotels

Wieso hast du dich fürs Hotel und nicht für eine unabhängige Bar entschieden?

Seit die Villa Kennedy 2006 eröffnet hat, habe ich mir gewünscht, einmal dort zu arbeiten. In der Zeit zwischen der Eröffnung und meinem Arbeitsbeginn dort habe ich auch in der freien Gastronomie gearbeitet, aber es ist einfach ein Unterschied, ob man ein größeres Unternehmen im Hintergrund hat oder eine kleinere Gastronomie. Als Mitarbeiter von Rocco Forte hat man sehr viele Weiterbildungsmöglichkeiten und die Chance, bei Crosstrainings in andere Städte und Länder zu wechseln. Man kann dann eben sagen: Ich würde mir gerne mal für zwei Monate das Schwesterhotel in Florenz ansehen und wenn es machbar ist, zeitweise dorthin wechseln und gleichzeitig seinen sicheren Arbeitsplatz behalten.

Ähneln sich die Bars in den Hotels der Rocco Forte Gruppe oder ändert sich die Barkarte je nach Region?

Es wird sehr auf Individualität und vor allem auf Regionalität geachtet. Bei uns in Frankfurt schauen wir, dass wir sehr ganz viel mit lokalen Produkten arbeiten, auch gerne mal typische Spezialitäten wie Apfelwein einbauen oder uns etwas aus den Grundzutaten der Frankfurter Grünen Soße ausdenken. Das betrifft zum Teil auch die Spirituosen wie deutsche Gins oder Brände aus dem Taunus, die man nicht überall findet und die teilweise sehr limitiert sind. So ist die Barkarte auch immer mit der Identität der Stadt verbunden. Und genau das setzt jedes Hotel für sich individuell um.

Mit welcher Spirituose arbeitest du besonders gerne?

Das ist ein bisschen meiner Herkunft geschuldet und das kleine Stückchen Heimat, das ich immer mit mir trage – es ist tatsächlich Tequila! Er ist einfach so facettenreich und wenn man selbst in den Regionen unterwegs war, ist es spannend, wie viele regionale Unterschiede es bei den Sorten gibt. Es gibt im Norden von Mexiko die Staaten, die den in seiner Herkunft geschützten Tequila herstellen, es gibt aber auch die Wildagaven-Brände aus dem Süden, die Mezcal heißen. Es bestehen unendlich viele Möglichkeiten, diese Spirituose zu entdecken und ich glaube, dass Tequila noch einen schönen Aufschwung erleben wird.

Wie nehmen die deutschen Gäste Tequila an?

Der Trend ist hier noch nicht so ganz angekommen, weil viele Tequila mit bösen Jugenderfahrungen verbinden. Natürlich gibt es von allem qualitativ fragwürdige Produkte, ob es jetzt ein Wodka, ein Tequila, ein Whisky oder ein Weinbrand ist. Aber man muss halt zwischen guten Produkten, die einem am nächsten Tag weniger Kopfschmerzen bereiten und den günstigeren, die einem eine unschöne Erinnerung verpassen, unterscheiden können. In den USA gibt es einen sehr großen Markt und wir haben sehr viele amerikanische Gäste bei uns. Doch ich möchte auch die deutsche Kundschaft sehr gerne immer weiter an den Tequila und vor allem auch an den Mezcal heranführen. Viele Bars haben ihn inzwischen aufgenommen und man findet immer mehr Liebhaber, aber es ist noch work in progress. 

Was ist dein Lieblingsdrink mit Tequila?

Tequila ist für mich die perfekte Spirituose für ein Gedeck. Ein schöner Tequila oder Mezcal mit einem kalten Bier dazu ist eigentlich das Beste, was man machen kann, um auch alles vom Tequila zu schmecken. Fragt man mich aber nach einem Tequila-Cocktail, dann ist die klassische Margarita immer noch einer meiner Favoriten. Sie hat mich auch an das ganze Thema herangeführt.

Welche aktuellen Trends siehst du in der Barszene?

Sehr sehr groß ist immer noch Gin. Aktuell werden Gins gebrannt und vertrieben wie wahnsinnig. Sie kommen überall her, aus der Region, von Übersee, aus den exotischsten Orten und jeder hat seine eigene Interpretation, wie dieser Wacholderschnaps schmecken soll. Ich beobachte aber auch, dass die klassischen Drinks wie der Old Fashioned oder der Whisky Sour immer mehr im Kommen sind, also diese ganz typischen, schönen, einfachen Rezepturen, bei denen man auch wirklich noch etwas von der Spirituose merkt. Das finde ich unglaublich spannend. Ich hoffe aber auch, dass der nächste Trend sich langsam Richtung Rum entwickelt, denn das ist ein sehr faszinierendes Produkt und hat sehr viel Potential. Ich glaube, darüber werden wir als nächstes etwas mehr erfahren. 

Vielen Dank, Alessa!

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