Wissen Sie, was „Ecoisten“ sind? Das sind Menschen, die Nachhaltigkeit wollen – weil es für ihr eigenes Leben bzw. ihren eigenen Lifestyle gut und richtig ist.
Diese Menschen werden immer mehr, und deswegen tun Gastronomen und Hoteliers gut daran, ihnen ein nachhaltiges Konzept anbieten zu können. In diesem Sinne sei Nachhaltigkeit kein Verzicht, sondern ein Mehrwert – sagen Alexandra Herget und Franziska Altenrath, die sich nicht nur den Begriff „Ecoist“ ausgedacht haben, sondern auch ein Beratungsunternehmen plus Onlineshop für Nachhaltigkeit in der Hoga-Branche gegründet haben. Grund genug für uns, mit ihnen zu sprechen.
Wie seid zur nachhaltigen Beratung für die Hotellerie und Gastronomie gekommen?
Alexandra: Ich habe viel in der Privathotellerie gearbeitet und habe im Rahmen der Hotel-Marketing-Gruppe Hotelkonzepte entwickelt, unter anderem Pures Leben in der Südsteiermark. Das Thema Nachhaltigkeit ist in mein privates Leben immer mehr eingeflossen. Irgendwann habe ich dann auch versucht, es beruflich einzusetzen. Angefangen hat es mit bekannten Absurditäten, die in der Hotellerie und Gastronomie anfallen, wie den Einweg-Hotelslippern. Warum reise ich in ein Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel und treffe dort auf so ein billiges, schadstoffreiches Produkt? Ich begann, nachhaltige Lösungen dafür zu suchen. Franziska kenne ich aus dem Grafikdesign-Studium in Berlin, wir haben haben dann gemeinsam überlegt: Wie können wir das „Slipper-Problem“ skalieren auf alle Produkte in der Hotellerie, in der Gastronomie und im Veranstaltungsbereich?
Franziska: Der Weg ist dabei meistens nicht, ein konventionelles einfach durch ein nachhaltiges Produkt zu ersetzen, in diesem Bereich geht es ja immer auch um Kosteneffizienz. Wir schauen holistisch auf die Gasterfahrung: Was kann man wegnehmen und was kann man dafür hinzufügen, ohne große Mehrkosten zu verursachen? Sind Hotelslipper wirklich für jedes Zimmer notwendig, oder vielleicht statt dessen hochwertige nur in bestimmten Zimmerkategorien?
Was ist euer Ansatz?
Franziska: Unser Antrieb ist die Erkenntnis: Nachhaltigkeitsverbesserungen können zu Konsumerlebnissen führen. Bisher wird Nachhaltigkeit im Gegensatz zu Luxus und Erlebnis gedacht – doch durch Nachhaltigkeit kann Qualität erzeugt werden. Es geht um Produkte und Services, die zu einer ganz anderen Erfahrung führen.
Zum Beispiel?
Franziska: Ein nahe liegendes sind Lebensmittel: Bio-Qualität und Regionalität, das hat immer auch einen Aspekt des Wohlbefindens. Das ist eine Qualitätsdimension, die ganz logisch aus der Nachhaltigkeit folgt. Ein anderes Beispiel ist das Schlafen in Bio-Hotelbettwäsche: Wunderbar für Allergiker, die Abstinenz von Schadstoffen führt allgemein zu besserem Schlaferlebnis, zu erholsamerem Schlaf. Abstrakteres Beispiel: Der Verzicht auf Plastik leistet einen Beitrag zu einer gemeinsamen Vision einer sich gut entwickelnden Welt. Macht man als Gastgeber mit, kreiert das ein Gefühl von Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Projekt – nachhaltigerem Lebensstil.
Oft hat man als Hotelgast bislang das gegenteilige Gefühl, die kleinen Lotion-Fläschchen oder die Hotelseifen, die man nur ein- oder zweimal benutzt …
Franziska: … das sind die von Alexandra gemeinten Absurditäten. Die haben nichts mit einer guten Gasterfahrung zu tun, sie haben für niemanden einen Zugewinn. Trotzdem sind sie wahnsinnig verbreitet – und da setzen wir an, denn das hat eigentlich nichts mit Luxus zu tun.
Wie ist euer Unternehmen aufgebaut?
Alexandra: Auf zwei Säulen: Erstens das Agenturgeschäft, Kommunikation im Bereich Nachhaltigkeit für die Zielgruppe Gastgewerbe. Das läuft meist über Empfehlungen, das Netzwerk oder über Presseberichte, das Kennenlernen auf Events und unsere kleinen Workshops, aus denen Beratungen entstehen. Die zweite Säule ist unser digitaler Marktplatz. Hier finden Gastgeber Inventar, Produkte und Dienstleister, um eine nachhaltige Gasterfahrung zu kreieren.
Franziska: Wir erweitern unser Produktportfolio und gehen auch selbst in die Produktentwicklung, weil wir für verschiedene Bereiche keine bestehende Lösungen gefunden haben. Wir kooperieren mit dem Studiengang Industriedesign der Uni Wuppertal, 20 Studenten haben nachhaltige Produkte für uns entwickelt. Dabei sind spannende Sachen herausgekommen. Jetzt suchen wir Industriepartner, mit denen wir sie umsetzen können.
Im Kleinen tut sich ja einiges. Die Plastiktrinkhalme zum Beispiel fallen weg, aber das kann ja nur der Anfang sein. Wenn man sich den Wellness-Bereich im Hotel anschaut, die Energie, die da verbraucht wird, oder die Verschwendung von Lebensmitteln im Buffetbereich … habt ihr das Gefühl, dass sich auch im Großen etwas tut?
Franziska: Denkt man weiter in den Qualitäts-Dimensionen von Nachhaltigkeit, dann ist eine solche Dimension die von Vertrauen oder Ansehen. Dafür muss man ein holistisches Nachhaltigkeits-Management vorweisen müssen. Nicht jeder Gast wird sich den Nachhaltigkeits-Bericht eines Hauses durchlesen, aber diese Informationen müssen vorhanden sein, damit man in die Tiefe nachverfolgen kann: Was tut das Unternehmen? In diesem Sinne bedeutet nachhaltiges Management, sich Ziele zu setzen, Maßnahmen zu definieren und diese konsequent zu verfolgen. Schwierigkeiten und Hotspots zu erkennen und dann Schritt für Schritt zu tun.
Wie geht man denn Schritt für Schritt?
Alexandra: Wichtig ist, dass man sich Meilensteine und Schwerpunkte setzt. Zum Beispiel bei der Plastikvermeidung oder Energiereduzierung: Hat man identifiziert, dass es die gravierendsten Punkte sind – oder vielleicht auch die am einfachsten zu lösenden –, dann geht es ans Umsetzen. Ambitioniert dahin zu arbeiten, Plastik oder Abfall um beispielsweise 15 Prozent zu reduzieren. Und dann schaut man: Wie kriege ich das charmant und inspirierend an meinen Gast kommuniziert? Das ist eine große Herausforderung. Unsere Erfahrung ist, dass es leider oft nicht so gelingt. Ich spreche von Klischees wie grünen Logos mit Blättern, blumige Sprache à la „Mutter Erde“ oder Weltuntergangs-Stimmungs-Texte. Erfolgreiche Player der Nachhaltigkeits-Kommunikation machen das anders.
Wer zum Beispiel?
Alexandra: Definitiv die Hafermilch Oatly, Einhorn Kondome aus Berlin, das US-Modelabel Everybody World, die Hotelgruppe Good Group. Oder das QO in Amsterdam, es arbeitet viel mit Videos.
Wie helft ihr Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen?
Franziska: Wir sind eine Quelle für nachhaltiges Management. Wir kümmern uns um Gasterfahrung, Lieferketten, Kommunikation und helfen, nachhaltige Unternehmensziele in die Management-Strategie zu bringen. Was ist der Sinn des Unternehmens? Welchen Mehrwert schafft mein Angebot für Mitarbeiter, Kunden und die Gesellschaft im Ganzen? Auf Grundlage dessen muss ein Leitbild verfasst werden. Diese Leitbilder sind natürlich sehr divers. Ein Gastronomiebetrieb hat ein anderes als ein Hotel, aber jeder Gastgeber kann seine Gäste zu neuem Konsumverhalten inspirieren. Für Unterstützung bei Themen wie Energie- und Wasserverbrauch oder Müllreduzierung haben wir die entsprechenden Kontakte, die wir unseren Kunden vermitteln.
Gastgeber können also in punkto Nachhaltigkeit Vorbilder für Gäste sein?
Franziska: Ja! Wenn man ein Hotel oder eine Gastronomie besucht, ist man ja oft auch bereit, etwas Neues auszuprobieren und sich inspirieren zu lassen. Diese Erkenntnis ist leider noch nicht so weit gereift, insbesondere in Bezug auf Nachhaltigkeit. Wir versuchen, mit unseren Gastgebern beides zu erarbeiten: Was sind die negativen Auswirkungen meines Schaffens – hoher Energieverbrauch, intensive Ressourcennutzung, viel Abfall, und wie kann ich das mithilfe von Experten besser machen? Aber auch: Was sind meine positiven Auswirkungen in Bezug auf Nachhaltigkeit, nämlich für meine Gäste?
Der Seinsgrund der Hotellerie und Gastronomie ist, von der Unterkunft und der Ernährung mal abgesehen, ein gutes Erlebnis zu schaffen. Wie bekommt man das mit Konsumverzicht – den es ja für Nachhaltigkeit auch braucht – zusammen?
Franziska: Ist es wirklich Verzicht? Es sind vielmehr bessere Erlebnisse, die kreiert werden, auch weil das Thema Nachhaltigkeit so aktuell ist. Orientieren sich die Menschen wieder in die Nähe, dann stärkt das den lokalen Tourismus. Ein Ansporn für Gastgeber, ihr Angebot dementsprechend zu schärfen und auszubauen. Zu denken, Nachhaltigkeit sei Verzicht, ist falsch. Es ist das Gegenteil: Durch Nachhaltigkeit schafft man Mehrwerte. Schaut man auf die positiven Auswirkungen von Gastgebertum, auf dessen Inspirationskraft, die Anreize setzt, eigene Konsummuster zu überdenken, sieht es gar nicht mehr so negativ aus. Aber bis dahin ist es natürlich ein langer Weg.
Alexandra: Schauen wir uns das Wort „Verzicht“ in Bezug auf die Hotellerie an: Wir verzichten auf die tägliche Wäsche von Handtüchern. Wir verzichten auf kleine Shampoo-Verpackungen. Wir verzichten auf Plastik-Kleiderbügel. Und auf einmal merkt man: Das Wort Verzicht ist falsch gewählt, denn wir ermöglichen es dir als Gast, mit reinem Gewissen abzureisen. Derzeit ist das noch nicht so. Ich persönlich fühle mich nicht wohl, wenn ich weiß, dass die Bettwäsche mit Chemie gewaschen wurde, dass es keine Bio-Baumwolle ist, und wenn im Frühstücksbereich Foodwaste von 30, 40 Prozent anfällt. Immer mehr Menschen fühlen so, das Bewusstsein wird größer. Generationen wie die Millennials, zu denen wir zählen, und die Gen Z, die „Fridays-for-Future-Generation“, verlangt Nachhaltigkeit.
Gastronomie- und vor allem Hotel-Betriebe sind gut geölte Maschinen, mit fixen Prozessen, Standardisierungen und Klassifizierungen … was ja auch Sinn macht, denn sie geben allen Beteiligten Orientierung. Aber dies macht es vermutlich auch schwierig, strukturelle Veränderungen herbeizuführen?
Alexandra: Ja, es ist eine Herausforderung, weil man es mit vorgefertigten Strukturen, mit Einkaufsgesellschaften, Einkäufern für große Häuser, zu tun hat. Damit wir dort Fuß fassen, müssen wir viel aufklären und erklären, warum wir überzeugt sind: Wir haben ein Geschäftsmodell zu bieten, das einfach klappen muss.
Franziska: Und mit Standardisierung erreicht man keine Differenzierung. Gastgeber brauchen aber ein differenziertes Angebot, damit sie Gäste mit ihren Wünschen und Bedürfnissen tatsächlich abholen. Egal wo man ist auf der Welt: Jedes Ketten-Hotel sieht genau gleich aus. Dadurch erreicht man nicht das Besondere des Angebots, mit dem man sich abheben kann. Insofern ist Nachhaltigkeit auch ein fantastisches Innovationstool, um seine eigene Positionierung fundamental neu zu denken.
Woran arbeitet ihr zurzeit, was ist euer nächstes Projekt?
Alexandra: Eine Alternative zur klassischen Minibar oder vielmehr zu dessen Befüllung. Auch hier wollen wir ein besseres Gasterlebnis schaffen.
Vielen Dank!