„Zeitaufwendig, langweilig, unnötig, mach ich nicht“, antworten manche Gastronom*innen, wenn sie auf das Thema Inventur angesprochen werden. Da viele gesetzlich nicht verpflichtet sind, eine regelmäßige Bestandsaufnahme durchzuführen, fällt das Thema gerne unter den hübsch gedeckten Tisch. Doch es lohnt es sich allemal, seine Lagerbestände regelmäßig zu prüfen. Denn neben der Ermittlung wichtiger Kennzahlen, können Unregelmäßigkeiten erkannt und korrigiert werden.
Wir kennen das alle: Wenn der Druck von außen nicht groß genug ist, legen wir lieber die Füße hoch oder widmen uns angenehmeren Tätigkeiten. Weil laut Handelsgesetzbuch nur bilanzpflichtige Unternehmen eine Inventur durchführen müssen und Einzelkaufleute, die in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 600.000 Euro Umsatz und 60.000 Euro Jahresüberschuss erzielen konnten, ebenfalls nicht verpflichtet sind, eine Inventur vorzunehmen, verzichten viele – auch Gastronom*innen – auf diese ungeliebte und als lästig empfundene Tätigkeit. Zu Unrecht, wie wir finden.
Warum lohnt sich eine Inventur auch für kleine Betriebe?
Money, Money, Money! Wenn es einen überzeugenden Grund für Gastronom*innen gibt, sich intensiv mit einem bestimmten Thema auseinanderzusetzen, dann ist es die Kostensenkung. Wem Waren fehlen, die er/sie vermeintlich im Bestand hat, dem entgeht Umsatz. Leuchtet ein, oder?
Auch die Wareneinsatzquote lässt sich durch regelmäßige Inventuren deutlich senken. Um den genauen Wareneinsatz in Prozent zu ermitteln – eine der wichtigsten Kennzahlen in der Gastronomie – benötigen Gastgeber*innen zwei wichtige Werte: Den Lagerbestand zu Beginn eines festgelegten Zeitraums und den Bestand zum Ende dieses Zeitraums. Und wie ermittelt ein*e Gastronom*in diese Zahlen? Richtig, mit Hilfe einer Inventur! Wenn die Zahlen nach Abschluss der Bestandsaufnahme nicht in die Ecke gelegt, sondern analysiert und interpretiert werden, erlangen Betreiber*innen wichtige Erkenntnisse und können ihre Schlüsse ziehen:
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- Überblick über den Lagerbestand und das darin gebundene Budget
- Frühzeitiges Erkennen von Fehlinvestitionen
- Vermeidung von Nahrungsmittelverschwendung
- Erkennen von Schank- oder Schnittverlusten
Ein leidiges Thema in der Gastronomie, das sich an dieser Stelle nicht verschweigen lässt, ist der mögliche Betrug und Diebstahl durch Mitarbeiter*innen. Ein zu lockerer Umgang mit (Bar)Geld, Waren und Lagerbeständen durch die Gastronom*innen verführt den einen oder anderen – ohne dass der- oder diejenige zuvor je kriminelle Energien an den Tag gelegt hat – zum Zugreifen. Regelmäßige Inventuren, möglicherweise vor jedem Einkauf, decken solche Unregelmäßigkeit zuverlässig auf.
Deswegen ist der Grund Nummer fünf, warum sich Inventuren auch für kleine Betriebe lohnen:
- Schutz vor Betrug und Diebstahl durch Mitarbeiter*innen und andere Personen, die Zugang zum Lager haben.
Über all diesen Gründen steht als Dach und Klammer der sechste Grund, warum Bestandsaufnahmen so wichtig sind:
- Senkung der Kosten
Vorbereitung der Inventur: Kommunikation ist alles!
Neben den organisatorischen Vorbereitungen ist es enorm wichtig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Anfang an einzubeziehen. Wenn alle Beteiligten wissen, wofür genau dieses „stupide Zählen“ gut ist, sie im Anschluss erfahren, was die Analyse der Ergebnisse ergeben hat und welche Maßnahmen sich daraus ableiten, ergibt die Inventur für das Team einen Sinn – und die Motivation steigt.
Und wie funktioniert das jetzt mit der Inventur?
Es gibt unterschiedliche Inventurverfahren und Inventurarten. Die sogenannte körperliche Inventur, mit der wir uns hier näher beschäftigen, erfolgt durch Zählen, Messen und Wiegen der Waren und Gegenstände. Wertpapiere, Schulden, Guthaben und andere finanzielle Angelegenheiten, die nicht physisch gezählt werden können, gehen aus der Buchhaltung hervor. Dabei spricht man von einer Buchinventur. Das Ergebnis der Inventur ist eine Übersicht über das Inventar.
In der Regel erfolgt eine Jahresinventur zum 31. Dezember. Da Gastronom*innen an diesem Tag jedoch meist Besseres zu tun haben, als Salatköpfe zu zählen, erfolgt die Bestandsaufnahme meist Anfang Januar.
Wichtig beim Wiegen, Zählen und Messen sind folgende Punkte:
- Termin festlegen und an Personal und Gäste kommunizieren, falls der Betrieb geschlossen werden muss
- Mitarbeiter*innen briefen, Teams einteilen und eine*n Verantwortliche*n bestimmen, der die Inventur leitet
Tipp: Am besten Mitarbeiter*innen auswählen, die kein Interesse daran haben, die Ergebnisse zu manipulieren.
- Eine ausführliche Checkliste anlegen, damit kein Raum oder Ware vergessen wird.
- Benötigte Materialien für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen vorbereiten
- Gezählt wird von rechts nach links und von oben nach unten
- Beim Messen und Wiegen wird auf- oder abgerundet
- Verdorbene Ware wird extra gelistet
- Ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zählt, misst oder wiegt, der andere notiert (mit einem Kuli, nicht mit Bleistift)
- Räume in Zonen einteilen und dafür sorgen, dass bereits gezählte Ware als solche gekennzeichnet wird, damit sie nicht doppelt gezählt wird
- Protokolle anfertigen
Um die Inventur im Anschluss zu bewerten, muss die vorhandene Ware mit den Bestellungen abgeglichen werden. Am besten einfach Lieferanten nach Listen mit den dort gekauften Artikeln fragen: Das erspart das Durcharbeiten von Lieferscheinen und Rechnungen. Generell werden Nettopreise für die Bewertung herangezogen. Sind beispielsweise schon fertige gebackene Kuchen im Kühlhaus, wird entweder ein Wert festgelegt oder die genaue Zusammensetzung kalkuliert und berechnet.
Von der Eiszeit ins neue Jahrtausend: Chancen der Digitalisierung nutzen
Für wen das analoge Zählen von Warenbeständen wie eine Mammutaufgabe aus der letzten Eiszeit klingt, der schaut sich am besten moderne, digitale Tools genauer an. Mit ihnen lassen sich Inventuren vereinfachen und automatisieren. Eher simple Warenwirtschaftssysteme können beispielsweise in moderne Kassensysteme integriert werden. Für das Einscannen und Aufnehmen der Ware in den Bestand können die vorhandenen EAN- oder GTIN-Codes der Artikel verwendet oder eigene Barcodes generiert und ausgedruckt werden.
Manche Systeme erlauben es, die Zusammensetzung von Gerichten in der Kasse zu hinterlegen und so einen noch genaueren Überblick über die bereits verbrauchten Waren zu erhalten. Mit einer digitalen Übersicht über Rezept- und Lagerbestände sowie einer integrierten Bestellfunktionen inklusive Lieferantenanbindung lassen sich Bestände heute so managen, dass nie zu viel Ware und Budget im Lager gebunden ist, aber auch die Milch nicht unverhofft ausgeht. Es gibt Apps, die den Füllstand von Flaschen erfassen und viele Tools werfen im Anschluss einen Inventurbericht in Form einer Excel-Tabelle aus. Langwierige Nacharbeit adé. Einmal eingerichtet, lässt sich mit diesen modernen Helferlein eine Menge Zeit und Geld einsparen.
Fazit: Berechnungen nach dem Pi mal Daumen Prinzip kann sich niemand leisten
Das Thema Inventur ist ein wichtiges Thema, mit dem sich alle Gastronom*innen am besten schon in der Gründungsphase auseinandersetzen sollten. Gründer können überlegen, welche digitalen Tools sie dafür benötigen und die Investition von Anfang an einplanen.
Eine vernünftige Warenwirtschaft ist ein wichtiger Erfolgsfaktor und eine Inventur eine Investition in Zeit, Ressourcen oder in ein digitales System, die sich lohnt: Manche Café- und Restaurantbetreiber*innen sprechen von einer Kostensenkung von bis zu 20 Prozent – allein dadurch, dass sie die Wareneinsatzquote und die Lagerhaltung optimiert sowie die Verschwendung von Lebensmitteln aufgedeckt haben.
Ein wichtiger Hinweis zum Schluss
Ist ein Unternehmen bilanzpflichtig, unterliegt eine Inventur strengen gesetzlichen Regeln, die sehr genau eingehalten werden müssen. Stellt das Finanzamt Unregelmäßigkeiten bei der Inventur fest, können hohe Steuernachzahlungen die Folge sein. Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder eine rechtlich verbindliche Anweisung zur Durchführung einer Inventur, sondern soll die Vorteile der Bestandsaufnahme für diejenigen aufzeigen, die nicht gesetzlich verpflichtet sind, eine Inventur durchzuführen.
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