Friederike Gaedke: „Handwerkliche, ganzheitliche und nachhaltige Arbeitsweisen müssen Basis aller Bereiche der Ausbildung sein“

Mit EssKulturWandel hat Die Gemeinschaft e.V. ein neues Weiterbildungsformat junge Menschen in der Foodwelt geschaffen 

von Redaktion
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Friederike Gaedke, Foto: Dinah Hoffmann

Die Gemeinschaft e.V., das Netzwerk handwerklich arbeitender Lebensmittel- und Gastronomiebetriebe, hat mit „EssKulturWandel“ ein kostenloses Weiterbildungsformat entwickelt: Junge Menschen, Auszubildende und Berufstätige, die Teil der Wertschöpfungskette für Lebensmittel sind, sollen über das Programm Wissen, Werkzeuge und ein starkes Netzwerk an die Hand bekommen, um verantwortungsvolle Entscheidungen treffen und die Ernährungswende vorantreiben zu können.

Wir sprachen mit Friederike Gaedke, Leiterin von Die Gemeinschaft e.V., über das Format, seine Entstehung und die langfristigen Pläne. 

Friederike, wie ist EssKulturWandel entstanden?

Aus- und Weiterbildung war von Beginn an ein wichtiger Teil der Veranstaltungen und Treffen von Die Gemeinschaft. Viele unserer Mitglieder widmen sich diesem Thema schon im Rahmen ihrer Arbeit. Spätestens seit unserem Strategietag 2020 wurde die Idee gefestigt, die Herausforderung selbst in die Hand zu nehmen. Wir haben uns gefragt, wie wir unsere Themen, die für eine Ernährungswende relevant sind und in der klassischen Ausbildung zu kurz kommen, in ein Format bringen können, das tiefer und ganzheitlicher ist als eine Tagesveranstaltung. Außerdem wollen wir unser Netzwerk von Vorreiter:innen für „Food Professionals“ zugänglich machen und Erfahrungswerte teilen.

Wie habt ihr das Konzept dann ausgearbeitet? 

Nachdem die Vision von Mitgliedern formuliert wurde, haben wir verschiedene Ideen gesammelt und im Prozess teilweise wieder verworfen. Das jetzige Konzept wurde in einem partizipativen Prozess im Frühjahr 2022 entwickelt: von der Praxis für die Praxis. In fünf Treffen mit 12 Mitgliedern aus dem Netzwerk diskutierten wir Inhalte, Formate und die praktische Umsetzung. Außerdem tauschten wir uns mit weiteren Akteur:innen zu ihren Erfahrungen mit Aus- und Weiterbildung aus, bevor wir im September 2022 den ersten Testdurchlauf umsetzen konnten. Erst nach dieser Runde und kritischer Evaluation haben wir „EssKulturWandel“ veröffentlicht.

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Das Programm startet am 21. März mit der praktischen Phase, in der die Teilnehmenden in einem Mitgliedsbetrieb von Die Gemeinschaft e.V. mitarbeiten. Wie wurden die Teilnehmenden und die Betriebe zusammen gebracht?

Bei der Bewerbung können Teilnehmende ihre Präferenzen angeben, in welchem Bereich sie Erfahrungen sammeln möchten. Nach der Auswahl der Teilnehmer:innen werden sie auf dieser Basis mit Betrieben aus unserem Netzwerk gematcht. Dabei achten wir auf das Lernpotenzial, aber natürlich auch Faktoren wie Sprache, Unterkunft und Mobilität.

Welche Gastronomiebetriebe machen mit und was wird dort vermittelt?

Aus der Gastronomie sind die Berliner Restaurants „Merold“ und „Ezsra“, das „Gasthaus Canow“ in Wustrow und „Nobelhart & Schmutzig“ (auch Berlin) dabei. Teilnehmer:innen können für einen individuellen Zeitraum Einblicke in die Betriebsabläufe bekommen, erfahren mehr zu den täglichen Herausforderungen und Motivationen und lernen neue Konzepte kennen. Das fördert auch Verständnis und höhere Wertschätzung untereinander. Außerdem erweitern sowohl Teilnehmende als auch Betriebe ihr Netzwerk an Menschen aus einem anderen Bereich der Wertschöpfungskette. 

Woher stammen die Teilnehmenden? Kommen die alle aus eurem Netzwerk, z.B. Azubis/Lehrlinge/Quereinsteiger*innen oder haben sich auch Personen von außerhalb angemeldet? Und wie habt ihr sie ausgewählt?

Die Anmeldung ist öffentlich auf unserer Webseite zugänglich. Die bisherigen Bewerbungen kommen also aus unterschiedlichen Bereichen und aus ganz Deutschland. Momentan haben wir für die 17 Plätze schon über 70 Anmeldungen. Um fair auswählen zu können, haben wir ein Auswahlverfahren mit Kriterien erstellt. Dabei wird das Motivationsschreiben genauso wie beispielsweise Geschlechtsidentität einbezogen. 

Kannst du uns schon ein bisschen was zu den Impulstagen verraten, was steht da auf dem Programm?

Bei den Impulstagen kommt die gesamte Gruppe in Berlin zusammen. Neben dem konkreten Austausch und Fähigkeiten, die im praktischen Teil vermittelt werden, werden bei den Impulstagen relevante Themen des Lebensmittelsystems diskutiert. Wir möchten ein ganzheitliches Verständnis des Lebensmittelsystems weitergeben und betrachten alle Dimensionen, ob ökologisch, gesellschaftlich oder ökonomisch.

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Fotos: Carla Ulrich

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Im Rahmen von Exkursionen, Workshops und Diskussionen laden wir Expert:innen ein, ihre Erfahrungen in verschiedenen Bereichen zu teilen – von Landwirtschaft und Klima, über Ernährungs- und Agrarpolitik mit Julia Bar-Tal, Esskulturen und soziale Ungleichheiten mit Kavita Meelu, zu Kooperationen und neuer Arbeitskultur mit Lisa Jaspers. Außerdem geht es bei einer Exkursion zu einem landwirtschaftlichen Betrieb um die Bedeutung von Boden, Kooperationen und Handwerk. Neben diesen Inhalten bieten die Impulstage Gelegenheit zum Austausch und zur Reflexion der eigenen Position und Zukunftsperspektiven.

Das IST Studieninstitut und die DHA – um zwei Beispiele zu nennen – bieten seit Kurzem Weiterbildungsformate für die Gastronomie und Hotellerie an, die Nachhaltigkeit ins Zentrum stellen. Was denkst du, wie sich das Thema weiterentwickelt bzw. wie es sich weiterentwickeln sollte: Sollte es stärker in die „klassische“ Ausbildung hineingebracht werden?

Nachhaltigkeit darf nicht als Zusatzmodul angeboten werden. Die klassischen Ausbildungen sind gezeichnet von der Lebensmittelindustrie. Handwerkliche, ganzheitliche und nachhaltige Arbeitsweisen müssen Basis aller Bereiche der Ausbildung sein. Genauso wie das Verständnis der gesamten Wertschöpfungskette und die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen. Besonders die Zusammenhänge zwischen Verarbeitung und Auswirkung der Lebensmittel auf beispielsweise Böden, Gesellschaft und Tierwohl fehlen. Wir sind noch weit von so einer Grundausbildung entfernt und die Veränderung in diesem Bereich ist zäh. Deshalb möchten wir schon einmal anfangen und diese Lücke mit unserer Weiterbildung füllen. Großes Ziel wäre natürlich, dass dieses in größerem Maße auch in der zertifizierten Ausbildung passieren würde. 

EssKulturWandel soll vermutlich keine einmalige Aktion bleiben. Verfolgt ihr langfristige Pläne damit und wenn ja, wohin soll die Reise gehen?

Auf jeden Fall! Aufgrund der Nachfrage sind wir bestärkt darin, das Programm im zweiten Halbjahr weiterzuführen und für mehr Menschen zugänglich zu machen. Dafür sind wir momentan auf der Suche nach finanziellen Förderungen und Unterstützer:innen.

Viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch.

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