Mit seinen Wurstkreationen aus Brandenburger Wildfleisch und eigenen Gewürzmischungen will der Koch Thomas Barthelmes not your ordinary Bratwurst etablieren, auch und besonders in der Gastronomie.
Die erste Wilde Wurst aß ich bei uns im Kiez, auf dem „Baumscheibenfest“ 2022, und ich erinnere mich, der Empfehlung von Thomas Barthelmes, erstmal keinen Ketchup oder Senf dazu zu nehmen, gefolgt bin. Wäre auch schade gewesen, denn seine Würste schmecken allesamt ohne Weiteres wunderbar aromatisch.
Majoran, Wacholder und Piment sind drei der Botanicals, mit denen er das Fleisch – Wild (Wildschwein, Hirsch) und Schweinebauch im Verhältnis 2:1 – verfeinert. Mittlerweile gibt es neben der „Wilde Klassik“ auch eine „Wilde Persische“ mit getrockneter Limette, Minze, Koriander und Kumin oder eine „Wilde Zitronenthymian-Parmesan“, eine „Wilde 5 Spice Mandarine“ oder eine „Wilde Salsiccia“. Außerdem eine 1A Bolognese, Pfefferbeisser mit Tellycherri, Gemüsebrühe und sogar einen Senf (es ist also kein No-go, Senf zur Wurst zu nehmen). Der Onlineshop ging kürzlich live, außerdem gibt es „Wilde Wurst“ in der „Markthalle Neun“, bei „Goldhahn & Sampson“, einer Weinhandlung sowie in der Redaktion der Kolleg*innen vom „Esspress“ zu kaufen bzw. nach Onlinebestellung und -bezahlung abzuholen, einen eigenen Versand bietet Barthelmes derzeit noch nicht an.
Wie kam der Münchner, der seit vielen Jahren in Berlin lebt, überhaupt zur Wurst? Bayerische Roots? Vielleicht hintergründig, der Impuls jedoch war ein Thai-Imbiss in Neukölln, das Mae Charoen auf der Sonnenallee. Dort haben sich die Angestellten nämlich öfter selbst, Persoessen, Thai-Bratwurst gemacht und er durfte probieren. Dann schenkte der gelernte Koch, der früher in der „Lavanderia Vecchia“ und im „Katerschmaus“ arbeitete und zuletzt Betriebsleiter im Ex-„Schwabylon“ war, einem Kollegen ein Wurstmach-Kit für nordthailändische Bratwurst, mit einem Premix aus allerlei Aromastoffen. „Hat scheiße geschmeckt und wir haben uns gesagt: Das kriegen wir besser hin“, erinnert sich Barthelmes.
2020 lernte Barthelmes einen Jäger kennen, der ihn mit in Wald und Wiese nahm. Gewurstet hat er das Fleisch ganz am Anfang in der eigenen Küche für Freunde und Familie. Bratwurst-Bootstrapping. 2021 wurde ein richtiges Genusshandwerk draus: Die selbst hergestellte Klassik-Gewürzmischung plus Fleisch gab er zehn verschiedenen Metzgerbetrieben zur Testproduktion. Ergebnis: „Zehnmal komplett unterschiedlicher Geschmack der Wurst“, so Barthelmes. Die Textur, wie grob bzw. fein wurde gewolft, wie kurz oder lange gemengt, wie schnell abgefüllt – alles hat Einfluss aufs Resultat. Wenn du zu schnell füllst, wird die Wurst schmierig, wenn das Fleisch zu kurz gemengt wird, sind die Gewürze nicht gut eingebunden. „Man denkt vielleicht, da kann nichts schief gehen, aber das stimmt nicht.“
Den Zuschlag erhielt die Landfleischerei Hennickendorf, die mehrere Filialen im südlichen Brandenburg hat. Zum Wildbret, halb grob und halb fein gewolft, kommt Bauchspeck vom Hausschwein aus der bekannten Schwäbisch-Hällischen Erzeugergemeinschaft für mehr Saftigkeit. Bei der Produktion – eine Charge sind 200 Kilogramm bzw. 2.000 Würste – ist Barthelmes immer dabei. Das Fleisch „erntet“ mittlerweile ein halbes Dutzend Jäger für ihn und lagert es tiefgekühlt für ihn, die Gewürzmischungen aus frischen und getrockneten Botanicals stellt er selbst her.
Den Fokus von „Wilde Wurst“ will Barthelmes auf die Gastronomie bzw. B2B legen. Einige Kunden – Biergarten, Pizzeria, seine alte Dienststelle Katerschmaus unter anderem – hat er bereits und will das Thema nun forcieren. Ab 50 Kilogramm kann er auch für Betriebe „customizen“ oder limitierte Editionen wursten lassen, wie kürzlich eine mit Scotch für ein Whiskyfestival verfeinerte Ausführung. Mit seinem regionalen Premium-Produkt, das mit klassischer Wurstware wenig zu tun hat, dürfte es dafür Interesse und einen Markt geben. Es ist auch ein gewissermaßen saisonales, wenngleich ganzjährig verfügbar: „Im Sommer ist das Wildschweinfleisch magerer, im Winter fetter – je nachdem, was die Tiere eben gefressen haben“, so der Genusshandwerker.
Offiziell hat die Wurst keine Bioqualität, weil ihre Zutat von wildem Wild stammt und nicht, wie bei vielen Wildprodukten aus dem Bio-LEH, aus Gatterhaltung. „Die Fleischqualität von freilaufendem Wild ist sogar noch besser“, findet Barthelmes. Ein Siegel kann das aus Gründen nicht bestätigen – aber man kann es ganz einfach für sich selbst herausfinden. Einfach in die Wurst beißen, medium gebraten, und erstmal bitte ohne Senf und Ketchup.