Vorgestellt: eat.sleep.drink Berlin

von Jan-Peter Wulf

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Die Vorstellung, in der Gastronomie und Hotellerie zu arbeiten, ist für viele junge Menschen eigentlich attraktiv. Doch im Vergleich mit anderen Branchen sind Arbeitszeiten und -bedingungen, Bezahlung und Karriereoptionen ist es dieses offensichtlich nicht immer.

Im Ranking des Ausbildungsreports des DGB ist die HoGa-Branche Schlusslicht, die DGB-Jugend in Schleswig-Holstein bezeichnet die Ausbildungsbedingungen gar als „Desaster“. Es droht ein Fachkräftemangel in einer Branche, die sich doch mit schönen Dingen beschäftigt: mit Essen und Trinken, mit dem Gastgebersein und damit, dass Menschen ein paar Stunden oder Tage eine gute Zeit genießen können.

Es ist Zeit zu handeln. Der Dehoga hat im vergangenen Jahr einen neuen Wegweiser für Ausbilder herausgebracht, 2010 hat der Verband die Initiative Ausbildungsqualität gestartet. So gut die Absichten – sie wirken aus unserer Sicht mitunter etwas hüftsteif.

Zielgruppenbewusster präsentiert sich ein neues Berliner Projekt namens eat.sleep.drink, das auf diversen sozialen Netzwerken aktiv ist. Wir wollten mehr wissen und haben mit Sascha Eckerle gesprochen, der verantwortlich für die Azubi-Kampagne eat.sleep.drink im Gesamtprojekt match! ist. 

Herr Eckerle, was ist eat.sleep.drink und seit wann gibt es das Projekt?
Wir sind ein Teilprojekt des Gesamtprojekts match! – mit kulturellem Brückenschlag zum Ausbildungserfolg. Seit Januar 2012 und bis Ende 2014 bieten wir Unternehmen, Jugendlichen, Schulen und Jugendeinrichtungen Unterstützung rund um die betriebliche Ausbildung im Berliner Gastgewerbe. In diesem Zeitraum werden wir im Rahmen des Bundesprogramms XENOS – Integration und Vielfalt durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert. Neben dem Trägerverbund von bildungsmarkt e.v., kiezküchen gmbh, LIFE e.V. und BWK  BildungsWerk in Kreuzberg GmbH beteiligen sich Verbände, Kammern, Betriebe, Schulen, Einrichtungen der außerbetrieblichen Ausbildung, Jugendeinrichtungen, Arbeitsagenturen und Jobcenter an der Projektarbeit.

Was bieten Sie an? 
Erstens das Ausbildungsmarketing – wie spreche ich als Betrieb die Jugendlichen die ich suche, richtig an? Zweitens die Berufsorientierung: Wie weiß ich als Schüler/Schülerin, was mich in einem Beruf erwartet? Drittens Bewerbungscoaching und Azubiauswahl: Wie mache ich deutlich, was ich bieten kann und was ich suche? Wie erkenne ich den richtigen Beruf, den richtigen Betrieb, den oder die richtigen Auszubildenden? Und viertens die Ausbildungsbegleitung: Wie schaffen wir ein stabiles Ausbildungsverhältnis?

Wie ist die Initiative entstanden und warum?
Trotz guter wirtschaftlicher Prognosen, beginnenden Fachkräftemangels und steigender Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen gibt es in der Berliner Hotel- und Gaststättenbranche unverhältnismäßig viele Ausbildungsabbrüche und unbesetzte Ausbildungsplätze. Vor diesem Hintergrund ist der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Dehoga Berlin, Gerrit Buchhorn, im Jahr 2011 an den bildungsmarkt e.v. herangetreten. Ziel der angestrebten Kooperation war es, ein Projekt zu entwickeln, das neue Modelle und Methoden entwickelt und erprobt, um oben genannter Problemlage entgegenzutreten. Neben den bereits angeführten weiteren Aktivitäten des Gesamtprojekts war es für meinen Kollegen Markus Klopsch und mich ein Anliegen, sich insbesondere dem Thema “neues Azubimarketing” zu widmen. 

Was ist denn „neues Azubimarketing“? 
Viele Unternehmen nutzen die Möglichkeiten des Web 2.0 zur Ansprache junger Menschen nicht oder nur unzureichend. Als Unternehmen muss man sich heute auch bei den Jugendlichen bewerben und nicht mehr unbedingt umgekehrt, wie es früher einmal war. Auf der anderen Seite werden die Fähigkeiten zur Vernetzung und Nutzung digitaler Medien heutiger Jugendlicher in den Schulen kaum angesprochen und genutzt. Unserer Erfahrung nach bringen die meisten Schülerinnen und Schüler heute z. B. ein Smartphone o. ä. mit in die Schule. Man kann dies bemängeln und verbieten – oder eben auch so gut wie möglich nutzen. Wir sprechen uns eher für Letzteres aus und versuchen dies Schulen mittels eigens konzipierter Workshops näher zu bringen.

Ausbildungsberufe - medien-tools, getraenke, gastronomie, nomyblog Vorgestellt: eat.sleep.drink Berlin

Das Gastgewerbe hat eine schwierige Stellung bei jungen Menschen, wie einleitend beschrieben. Ihre Meinung dazu?
Man muss das differenziert sehen. Keinesfalls sind alle Gastronomiebetriebe – ob Hotelkette oder kleiner Familienbetrieb – gleich gute oder gleich schlechte Ausbildungsbetriebe. Positive Beispiele oder Gegenstatistiken dürfen jedoch nicht über strukturelle Probleme und Besonderheiten der Branche hinwegtäuschen. Kleinere Betriebe brauchen Unterstützung, weil Ausbildung nur ein Teilaspekt des Tagesgeschäfts ist. Selbst große Unternehmen mit etablierter Ausbildungsabteilung können sich ihren Nachwuchs nicht mehr aussuchen, sondern bemühen sich inzwischen auch um die jungen Leute, mit denen Ausbildung kein Selbstläufer ist. Vielen jungen Leuten erscheinen Ausbildung und Karriere im Gastgewerbe wenig attraktiv. Realistische Vorstellungen vom Arbeitsalltag haben die jungen Leute selten. Auch Unternehmen bringen falsche Erwartungshaltungen mit und sehen sich scheinbar ungeeigneten Bewerbern und Bewerberinnen gegenüber. Oft führen falsche Vorstellungen dazu, dass Betrieb und Azubi erst nach Ausbildungsbeginn feststellen, dass sie nicht zueinander passen oder der gewählte Beruf nicht der richtige ist.

Was ist zu tun, damit sich hier etwas ändert?
Betriebe und ihre Partner sind gefragt, langfristig zu denken und sich aktiver in die Berufsorientierung junger Menschen einzubringen. Wir versuchen mittels verschiedener Veranstaltungen und Workshop-Konzepte alle Beteiligten (Schulen, zuständiger Verband, IHK, Unternehmen, sowie natürlich SchülerInnen selbst) an einen Tisch zu bringen. Nach unserer Erfahrung hilft es oft, sich einfach mal kennenzulernen und auszutauschen.

Die Hotels, die bei eat.sleep.drink mitmachen, richten ihre Ausbildung nach bestimmten Grundsätzen aus – fester Ansprechpartner im Betrieb, Teilnahme an berufsbezogenen Projekten, Schulungen und Wettbewerben, Prüfungs- und Karrierevorbereitung, Einhaltung von Arbeitszeit und Vergütungen. Wie wird es umgesetzt und kontrolliert?
Im Rahmen unserer Ausbildungsbegleitung – im Projekt match!, aber auch in einigen anderen Projekten – können wir die Initiative unterstützen, in dem wir Wege und Instrumente mitentwickeln, die helfen, die Qualitätsansprüche an die eigene Ausbildung zu realisieren und die eigene Praxis zu reflektieren.
(Mehr Informationen zu Bewertung und Evaluation der Ausbildungsbetriebe finden sich auf der Seite des Dehoga, d. Red.)

Inwieweit haben die Azubis auch selbst die Möglichkeit, das Projekt eat sleep drink mitzugestalten?
Wir haben bereits in der Planungs- und Konzeptionsphase kontinuierlich mit Schülerinnen und Schülern aus der Berufsorientierung unserer Partnerschule Hedwig-Dohm OS in Moabit zusammengearbeitet. Wie gleichzeitig auch bei den Unternehmen und beim Verband, haben wir dort unsere Vorschläge, Ideen und Entwürfe transparent gemacht und in jeder Phase zur Abstimmung gegeben, sowohl inhaltlich als auch vom Design her. Gutes Feedback haben wir überdies insbesondere von unseren Azubis aus der kiezküchen gmbh bekommen. Auch Azubis aus unseren Partnerunternehmen wurden im Vorfeld videobiografisch befragt und aufgenommen. Diese Videos findet man u.a. auf unserem Youtube-Kanal. Hier bekamen wir übrigens auch den entscheidenden Hinweis zu unserem Namen – der wirklich nicht so leicht zu finden war. Ein Jugendlicher ließ ganz nebenbei fallen: “Hey, was is denn mit essen, schlafen, trinken oder so etwas!? Darum geht`s doch im Leben!” 

Ein Trailer von eat.sleep.drink: 

Welche Erfolge und Rückschläge haben Sie bislang zu verzeichnen?
Wir hatten zu Beginn schon einigen Respekt, mit diesem Thema an Unternehmen oder auch die Institution Schule heran zu treten. Neue Wege zu gehen, ist ja nicht immer leicht. Insgesamt sind wir aber positiv überrascht worden. Sehr viele Berliner gastgewerbliche Unternehmen waren sofort mit dabei und bereit, uns einen Einblick in den Arbeitsalltag zu gewähren, uns mit ihren Auszubildenden sprechen zu lassen, uns Feedback zu der Kampagne zu geben und sich auf unserer Webseite zu präsentieren. Auch die Zusammenarbeit mit Schulen läuft gut. Der Dehoga und die IHK waren ja von Beginn an auf unserer Seite. In einigen Einrichtungen bedarf es natürlich auch etwas mehr an Überzeugungsarbeit.

Ist geplant, das Projekt auf andere Regionen auszuweiten?
Unser Aushängeschild ist ja zunächst mal die Webseite und die dazugehörigen Social-Media-Kanäle Facebook, Twitter und Youtube. Und diese haben ja – wie das Internet an sich – bekanntlich keine Grenzen. Darüber hinaus sind wir sind immer auch überregional für interessierte Institutionen ansprechbar und stellen das Projekt überall dort vor, wo man uns haben will. Unsere Arbeit in Form von Workshops mit Unternehmen und an Schulen ist zumindest in der Laufzeit des Modellprojekts noch auf Berlin beschränkt. Grundsätzlich besteht natürlich die Möglichkeit, eine solche Kampagne auch in anderen Bundesländern durchzuführen. Dabei ist jedoch immer einer lokaler oder regionaler Bezug im Blick zu behalten, so dass Jugendliche die Branche wiedererkennen und – im besten Sinne des Wortes – „begehen“ können.

Wieso sind eigentlich bislang nur Hotels dabei und keine Restaurants oder andere Gastronomien?
Es hängt oft mit der Organisationsstruktur kleinerer Betriebe zusammen. Wenn man vielleicht nur einen oder zwei Ausbildungsplätze zu besetzen hat, fehlt oft eine eigene Personalabteilung und/oder schlichtweg die Zeit, sich mit anderen Wegen im Ausbildungsmarketing zu beschäftigen. Größere Unternehmen sind da natürlich anders aufgestellt. Wir arbeiten aber momentan verstärkt daran, kleinere Ausbildungsbetriebe und hierbei insbesondere Restaurants für unsere Kampagne zu gewinnen. Interessierte Ausbildungsbetriebe aus dem Berliner Gastgewerbe können sich gerne bei uns melden.

Was sind Ihre Forderungen an den Dehoga bzw. die Branche?
Ich denke, der Dehoga und auch ein Großteil der Branche haben erkannt, worum es in Zukunft beim, von den Medien oft so betitelten, “War for Talents” geht. Dabei sollten nicht nur die Bewerber/innen mit den besten Schulabschlüssen in Betracht gezogen werden. Aus unserer Erfahrung bringen insbesondere, bisher aus verschiedenen Gründen in der Schule sowie am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt benachteiligte Jugendliche wertvolle Fähigkeiten und Motivationen für diese kreativen Ausbildungsgänge mit. Oft schaffen es diese Jugendlichen aber nicht, aus eigener Kraft in einem “War for Talents” zu bestehen. Es zählt hier der intensive Blick auf jeden einzelnen jungen Menschen. Und es zahlt sich für Unternehmen aus, jungen Leuten eine echte Chance zu geben – selbst wenn der erste Blick in die Bewerbungsunterlagen nicht überzeugt. Denn letztlich geht es ja um die Begeisterung für die Tätigkeit, die man jeden Tag ausübt. Weiterhin wünschen wir uns, dass die neuen Konzepte und Methoden auch über die Laufzeit von Projekten hinaus mehr in die Regelabläufe integriert werden können.

Was planen Sie für die nächste Zeit?
Zunächst mal basteln wir ständing an unserer Webseite und versuchen, die Angebote dort zu verbessern. So ist z.B. ein neuer, fundierterer Berufetest geplant. Der bisherige ist ja eher “just for fun”. Darüber hinaus erweitern wir stetig unser Netzwerk. Wir werden bald verstärkt mit dem Projekt SchulePlus kooperieren, um unsere Workshops noch breiter an Berliner Schulen streuen zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist unsere Zusammenarbeit mit dem Dehoga Berlin im Hinblick auf die Lange Nacht der Aus- und Weiterbildung am 5. Juni 2014. Dort wollen wir eine “mobile Smartphone-Beruforientierungs-Rallye” launchen, die wir speziell für die Ausbildungsberufe und -unternehmen im Gastgewerbe entwickeln. Es bleibt also spannend. 

Herr Eckerle, vielen Dank.

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