Die Zahl der Mix-Wettbewerbe, mit denen Marken um die Gunst der Bartender buhlen, damit diese mit ihren Produkten arbeiten, ist heute hoch. Etwas Besonderes jedoch ist es immer noch, sie erleben zu lassen, wo und wie das Produkt entsteht. Die zwölf Finalisten der „Cointreau Championship 2016“ erhielten dazu die Möglichkeit und reisten nach Angers, wo das Unternehmen Cointreau 1849 gegründet wurde. Wir sind mitgefahren.
Alfred Cointreau empfängt uns unter dem Torbogen, durch den man ins Innere der dicken Burg von Angers gelangt. Mit imposanter Frisur und in Gastgeber-Haltung, leichter Verbeugung. „Willkommen auf dem Schloss. Leider ist es nicht meins“, erklärt er lächelnd. Wäre gar nicht so abwegig, schließlich ist er ein Spross der wohl bekanntesten Familie der Stadt, der Familie Cointreau.
Wir haben hier keinen berühmten Sänger, unser Fußballteam ist auch nicht besonders gut. Aber wir haben Cointreau.
Das erklärt er der angereisten Gruppe aus Deutschland. Es sind zwölf Bartender, die sich für das Finale der diesjährigen „Cointreau Championship“ qualifiziert und – Premiere in diesem Jahr – die Möglichkeit erhalten haben, sich den Ursprungsort jenes Produkts anzuschauen, mit dem sie vermutlich täglich arbeiten. Bekannte und beliebte Drinks wie Cosmopolitan, Sidecar oder Margarita werden klassisch mit Cointreau gemacht. Und doch steht das Produkt, vor allem aus Sicht des Gastes, meist im Schatten der Hauptspirituosen dieser oder anderer Cocktails. Man bestellt einen Drink mit Wodka oder Gin, mit Mezcal oder mit Rye Whiskey, aber dezidiert mit Orangenlikör?
Alfred Cointreau scheint es zu wissen und lädt die versammelten Barprofis ein, in den kommenden Tagen „das Gewöhnliche neu zu entdecken“, wie er sich ausdrückt. Und wir schauen uns jetzt mit ihm erstmal Teppiche an. Teppiche? Ja, Teppiche. Diese werden in einem dunklen, museumshaften Raum unten im Schloss gezeigt. Was soll daran besonders sein? Alles.
Denn es handelt sich mit 70 Einzelbildern um einen der ältesten Bildteppiche der Welt, der hier gezeigt wird. Ludwig I., Herzog von Anjou, ließ ihn im 14. Jahrhundert herstellen. Hundert Meter lang ist diese, freilich in Handarbeit hergestellte Geschichte der Apokalypse. Sichtlich beeindruckt versammelt sich die Gruppe vor den Exponaten. „Für mich ist es immer wieder eine Inspiration“, sagt Alfred Cointreau, „man hat sie früher einfach auf den Boden oder Pferden auf den Rücken gelegt. Irgendwann hat jemand genauer hingeschaut und erkannt, was für ein Schatz sie sind.“ Eine neue Betrachtungsweise, die man auch im Bezug auf das eigene Produkt vermitteln will: So alltäglich (bzw. allnächtlich) seine Verwendung, so einzigartig seine Herstellung und Geschichte.
Mit Fruchtlikören fing es an bei Cointreau
1849 eröffneten die Gebrüder der Familie Cointreau, die sich in der Region schon als Konditoren und Süßwarenhersteller einen Namen hatten machen können, ihre Destillerie in der Rue Saint-Laud. Sie verwendeten Wildkirschen, die typisch für die Region sind, um das Interesse am „Guignolet“ zu reanimieren, einem etwas in Vergessenheit geratenen Likör aus dem 17. Jahrhundert. Klappte, schließlich stellten sie rund 50 unterschiedliche Fruchtliköre her. Aus Orangen noch nicht. Die waren seinerzeit alles andere als eine ubiquitäre Frucht in unseren Breiten. Die Orangerien, durch die wir bei Schloss- und Gärtenbesuchen flanieren, leisteten sich die besonders gut betuchten Europäer, oft Adlige. Gezüchtet wurde vor Ort, Import war noch längst kein Standard. Die Gewächshäuser mussten befeuert und kontinuierlich auf konstanten Graden gehalten werden, damit einige wenige Früchte gedeihen konnten. Ein Riesenaufwand.
Mit den Schalen der immer mehr in die Aufmerksamkeit gelangenden Früchte war es etwas einfacher, die konnten ja ruhig trocknen, ohne ihr wertvolles Aroma zu verlieren. Aus Schalen der Bitterorange, die in ihrer Kolonie Curacao, wuchsen, stellten die Niederländer erste Orangenliköre her. Auch Edouard Cointreau jun., der 1875 das Haus übernahm, war das große Interesse der Kunden an den exotischen Früchten nicht verborgen geblieben. Er begab sich auf die Suche nach einem verfeinerten, besseren Rezept für einen Likör, das nicht allein auf Bitterorangen beruhen sollte. Zehn Jahre lang tüftelte er an seinem Mix aus Süß- und Bitterorangenschalen, der bis heute das unveränderte Rezept von Cointreau ist.
Damit wurde Cointreau zum großen Erfolgsprodukt und – das wusste wiederum kaum einer der anwesenden deutschen Gruppe – es wurde zwischenzeitlich auch in Berlin hergestellt. Neben dem Orangenlikör gab es auch eine Vielzahl von weiteren Produkten von Likören jeder Richtung bis zum Sloe Gin, davon zeugen die diversen, kunstvollen Werbeplakate in der Destillerie. Heute stellt man wieder nur hier in Angers her und konzentriert sich auf sein Ursprungsprodukt. Zwei Line Extender, also Varianten, gibt es allerdings doch: einen Blutorangenlikör und den „Cointreau Noir“, vermählt mit 30 Prozent Cognac.
Mixen mit dem neu in Deutschland erhältlichen „Cointreau Noir“
„Cointreau Noir“ wird in diesem Frühling in den Fachhandel kommen. Dieses ihnen noch nicht bekannte Produkt lernen die Bartender bei ihren Besuch gleich „in vivo“ kennen. Denn sechs der zwölf Finalisten, die sich in der ersten Finalrunde mit ihrer Interpretation eines klassischen Fizz-Cocktails an der Bar des Cointreau-Gästehauses durchsetzen konnten, bekommen für die zweite Runde eine wahrlich knifflige Aufgabe: Sie haben nur 15 Minuten Zeit, um sich ein Rezept auszudenken, es niederzuschreiben und dann für die Jury zu mixen. Schon in der ersten Runde durften die Juroren eine Vielzahl hochwertiger und kreativer Drinks probieren (nomyblog als Teil der fünfköpfigen Bewertungsriege kann es bestätigen), und auch in der zweiten Runde kredenzen uns die Bartender fantastische Kreationen, unter anderem die individuelle Interpretation eines Sazerac und einer Margarita mit Cointreau Noir.
Die Entscheidung fällt nicht leicht, einmal mehr hätten den Sieg eigentlich alle verdient. Nun kann es jedoch nur einen Sieger geben, und der heißt André Zauner von der „TheBar31“ aus dem Mandarin Oriental in München. Über Platz zwei darf sich Marc Hermann aus der „Capella Bar“ im Breidenbacher Hof Düsseldorf freuen, Bronze geht an Emir Sombecki aus der „Hefner Bar“ in Berlin. Félicitations!
Das, was man auf solchen Event immer dann hört, wenn die Gewinner verkündet werden, nämlich dass alle Sieger sind, die es ins Finale geschafft haben, stimmt hier tatsächlich in besonderer Weise: Durften bislang nur die Gewinner nach Angers reisen, um sich den Ursprung der Marke anzuschauen, hat man es 2016 erstmalig allen Finalisten ermöglicht, vor Ort im Loiretal das Haus, den Sohn der Cointreau-Familie und die seit über 30 Jahren für das Haus tätige Master Blenderin Bernadette Langlais, mit der sie ein Tasting machen, kennenlernen.
Tipps und Tricks von erfahrenen Bartendern
Und noch etwas Besonderes bietet man den Teilnehmern dieser Championship: Vier Bar-Experten aus Deutschland sind mitgereist, um mit den jungen Kollegen ihre Erfahrung zu teilen. Einen ganzen Nachmittag lang stehen sie am Pult, referieren, beantworten Fragen, verraten ihre Tricks. Wie man eine Bar eröffnet, erzählt ihnen Volker Seibert von der „Seibert´s Bar & Liquid Kitchen“ in Köln, der sich vor rund zwei Jahren erfolgreich selbstständig gemacht hat. Was weiblichen Gästen wichtig ist, wie man sie für sich gewinnt (und wo Frauen hingehen, bleiben die Männer nicht lange fern), verrät Cordula Lange von der „BRYK Bar“ in Berlin den Bartendern. Arnd-Henning Heissen vom „The Curtain Club“ und der Bar „Fragrances“, beide im The Ritz-Carlton Berlin, nimmt die Gruppe mit auf eine Reise in die Welt der Aromen und erklärt, welche Wirkungen bestimmte Aromen erzielen. Bitterorange zum Beispiel beruhigt und fördert die Konzentration.
Welche man wiederum besonders braucht, will man bei Wettbewerben erfolgreich sein, das weiß wohl niemand so gut wie der vierte Referent, Torsten Spuhn vom „Modern Masters“ in Erfurt: „Wie man einen Cocktail-Wettbewerb gewinnt“ lautet sein Thema, und er hat mit seiner perfekten Vorbereitung und seiner sicheren Hand schon so einige gewonnen. Vier Themen, viele Insights für die Teilnehmer der „Cointreau Championship“, wer mehr über die Inhalte der Workshops erfahren möchte: Im monatlichen Gastronomie-Fachmagazin FIZZZ werden die Expertentipps von Juni bis September 2016 ausführlich beschrieben.
Nochmal zurück in die Burg: Während die Gruppe durch die dicken Gemäuer (die Burg wurde nie eingenommen) flaniert, mit dem Blick auf den Fluss Maine und Frühling in der Luft, erzählt Alfred Cointreau den Bartendern, dass er schon als kleiner Junge seiner Oma beim Cocktailmixen zugeschaut habe. So wie es sonst kleine Jungen, Köche erzählen das immer gern, neben der kochenden Oma am Herd stehen. Warum sie immer zuerst Cointreau in den Mixbecher gebe, wollte er eines Tages von der Oma wissen. „Es ist das Herz des Cocktails“, habe sie gesagt. Ein besonderes Erlebnis, einmal selbst sehen und fühlen zu können, wo dieses Herz schlägt.
Und hier der Aftermovie:
Hier ist das offizielle Aftermovie vom Cointreau Championship Finale 2016 in Angers:
Posted by Cointreau Championship on Montag, 4. April 2016
Fotos: Julius Gnoth