Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

von Redaktion
bar am steinplatz 1 - trends, events Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

Die Bar im Hotel am Steinplatz, Berlin. Alle Fotos: Markus Braumann

Welche Wünsche und Bedürfnisse hat der Gast heute? Welche Moden und Trends bestimmen unsere Zeit? Und wohin geht die Reise in Sachen Essen, Trinken und Genuss? Unter dem Motto „Delicate Discourses“ hatte der schottische Whiskylikör Drambuie zu einer Diskussionsrunde in die schöne Berliner „Bar am Steinplatz“ geladen.

In einem rund einstündigen Gespräch vor Fachpublikum aus der Bar-Branche diskutierten über Food- und Getränketrends, die Rolle des Bartenders und darüber, welche Funktion die Sprache im Bezug auf Genuss hat: Hanni Rützler, Ernährungswissenschaftlerin, Trendforscherin und Autorin des jährlich erscheinenden „Food Reports“, Christian Gentemann, Barchef in der Bar des „Hotel am Steinplatz“ und ich (Jan-Peter Wulf), Fachjournalist, Gastronomie-Blogger. Moderation: Nils Wrage, Chefredakteur des Magazins für Barkultur Mixology. Es folgt eine Zusammenfassung der Diskussion, verdichtet und um einige weiterführende Gedanken ergänzt.

Trends sind Antworten auf Wünsche, Sehnsüchte und Probleme

Zu Anfang des Diskussionsabends ging es um den Begriff Trend, der oft inflationär (bis hin zur „Trendfrisur“) verwendet wird. Ein Trend, erklärte Expertin Hanni Rützler, hat mehr Substanz und Langfristigkeit als eine Mode oder ein Phänomen. Er hält oft mehrere Jahre an und ist Teil von Megatrends (z.B. Globalisierung), die lange Zeit und weltweit wirken. Food-Trends – von denen sie 35 verschiedene bereits definiert hat – in einer Food-Map werden sie in Kürze veröffentlicht – sind, so Rützler, „Antworten auf aktuelle Wünsche, Sehnsüchte, aber auch Probleme.“

Ein Food-Trend-Beispiel ist das Foodsharing als bewusstere und nachhaltigere Umgangsform mit Lebensmitteln: Es ist Teil unserer neuen „Share Economy“, jener modernen Wirtschaftsform, in der auch Autos oder Wohnungen „geteilt“ werden. Ein anderes Trend-Beispiel aus dem Foodbereich: Bio und vegan. Sie zeigen, wie sich die Esskultur gewandelt hat, so Rützler:

Fleisch ist mit der Industrialisierung zum Mainstream geworden. In Zeiten des Überflusses und seitdem wir wissen, unter welchen Bedingungen es zum Teil produziert wird, lernen wir nun, bewusster zu wählen oder bewusst darauf zu verzichten.

delicate discourses 1 - trends, events Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

Wir brauchen ein besseres Vokabular zur Beschreibung des Genusses, fordert Hanni Rützler

Es braucht bessere Beschreibungen für den Genuss

Allgemeiner Konsens ist, dass die Wertschätzung für die Qualität von Lebensmitteln bzw. Essen und Trinken zugenommen hat. In diesem Zusammenhang hat Hanni Rützler ein kommunikatives Problem identifiziert:

Wir bleiben oft sprachlos, wenn es um Genuss geht: Im Werbefernsehen gibt es nur das ‚lecker‘ und das ‚mmmh‘. Können wir etwas beschreiben, dann können wir es uns besser merken, bewusster wählen und finden leichter zu unserem persönlichen Geschmack.

In der „Bar am Steinplatz“ hat man für die bewusste Wahl eine neue Karte geschrieben, die eine andere (An-)Sprache findet. Christian Gentemann: „Wir wollen mehr über die Aromensprache gehen: Wir haben die Namen der Drinks weggelassen und statt dessen Aromen in Form einer Illustration (von Clara Schicketanz, Anm. d. Red.) dargestellt.“ Denn Drink-Namen, vor allem Eigenkreationen (Nicht-Klassiker), so Gentemann, helfen dem Gast oft nicht, sich vorstellen zu können, wie ein Drink schmeckt. Wohl aber wisse der Gast: Ich habe Lust auf Ananas, Minze oder Rote Beete. Eine Kreation der neuen Karte ist „Limette/Honig/Banane/Salz/Cacacha“, eine andere – mit regionalen Zutaten – „Riesling Spätlese/Verjus/Zitronenverveine/Grüne Walnuss“. Christian Gentemann:

Nichts ist schöner, als mit einem Gast über seine Vorlieben zu sprechen. Hat man ihn einmal mit einem besonderen Drink überrascht, dann bindet man ihn und er kommt wieder.

delicate discourses 4 - trends, events Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

Eine Idee der Runde: mit kleineren Probiergrößen arbeiten – auch in der Bar

Kleinere Portionen und Probiergrößen: auch eine Möglichkeit für den Gast, seinen Gusto zu finden

Stichwort Überraschung: Ich berichtete an dieser Stelle von einem Sous-Vide-Workshop für Bartender, den ich kürzlich besucht habe. Es wurde gezeigt, wie Spirituosen mit Hilfe der innovativen Küchentechnik mit vielerlei Zutaten verfeinert und individualisiert werden können. Dabei kam mir die Idee zu einer Bar, in der mit relativ wenigen Spirituosen, aber vielen Infusionen, besondere und einzigartige Getränke für den Gast entstehen. Mit kleinen Kostproben oder Mini-Portionsgrößen könnte der Gast für sich entdecken, was ihm schmeckt, und überhaupt – Stichwort Trends – einfach mehr probieren als mit einem großen Getränk.

Beispiele für Probier-Portionen an der Bar gibt es: In der Craft-Bier-Bar „Altes Mädchen“ in Hamburg ist ein Set mit fünf verschiedenen kleinen Craft-Bieren der Top-Seller – bei den Frauen! Ähnlich, so ergänzte Nils Wrage, verfährt die Cocktailbar „The Chug Club“ in Hamburg: Auch hier gibt es ein „Probierpaket“, für einen festen Betrag können Gäste damit fünf kleine Cocktails verkosten. Hanni Rützler nennt es „die Macht des individuellen Geschmacks.“ Früher schmeckten alle Joghurts gleich süß, heute darf es wieder besonders sein. Bis hin zu Gemüsejoghurts, durch deren Geschmäcker sie sich gerade durchprobiert und dabei auch interessante Ansätze für neue alkoholfreie Getränke in Bars entdeckt hat.

marian krause - trends, events Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

Aus Köln angereist: „Shakeking“ Marian Krause

Design: ganzheitlicher denn je

Es folgte ein Sprung zum Thema Interior und Design – was tut sich hier in der Barwelt? Hanni Rützler beobachtet, dass die Gestaltung immer holistischer wird:

Früher hat die Architektur beim Tisch oder der Tischwäsche aufgehört. Jetzt passen auch die Gläser, Teller und das Besteck zum Gesamten. Es geht darum, dem Gast ganzheitlich seine Idee zu vermitteln.

Dem stimmt Christian Gentemann zu, weist aber zusätzlich auf den Faktor Mensch hin: „Design und Licht sind definitiv wichtig, aber nach wie vor stehen in erster Linie der Mensch hinter der Bar und das Produkt.“ Durch persönlichen, lockeren Service versucht man in der sehr hochwertig designten „Bar am Steinplatz“, das klassische, steife Hotelbar-Gebahren abzulegen und so Eintrittsbarrieren zu senken – denn auch und im Speziellen Anwohner sind die Zielgruppe der Bar, neben Hotelgästen.

delicate discourses 3 - trends, events Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

Gäste der ersten Ausgabe von „Delicate Discourses“ in der Bar am Steinplatz

Ich wies an dieser Stelle darauf hin, dass bei der Gestaltung – zum Beispiel bei neuen Konzepten oder Umbau – stets an den Gast zu denken ist: Wie nimmt er den Raum wahr? Fühlt er sich wohl, gut aufgehoben? Was selbstverständlich erscheint, ist längst nicht immer so: Viele Konzepte sehen leer schick und schön aus, gefüllt jedoch „stört“ der Mensch das Konzept – und fühlt sich ergo deplatziert. Der Faktor Mensch ist mitzudenken, wenn es darum geht, aus einem Raum einen lebendigen Ort zu machen. Hanni Rützler:

Das Zeitlose, was die Bar ausmacht, ist die zwischenmenschliche Chemie. Eine charmante Führung durch das Barteam ist wichtig, sonst hilft das schönste Design nichts.

bartender drambuie - trends, events Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

Der Bartender wird noch mehr zum Kurator für den Gast

Vielfalt ist der neue Trend – und die braucht Kuratoren und Empathie

Fazit: Trends, Phänomene und Moden mögen kommen und gehen – was bleibt, ist der Mensch. Und je größer die Vielfalt wird – und die wird, so die Vermutung, weiter wachsen –, desto wichtiger wird die Funktion des Bartenders als „Kurator“ für den Gast: Seine Aufgabe ist es zukünftig noch mehr, zu beraten und einzuordnen – ohne zu belehren oder zu überfordern.

Damit der Gast geniessen kann, muss der Bartender seine Wünsche und Bedürfnisse erkennen können. Und dafür ist, bei allen Trends, eine ganz zeitlose Qualität gefragt: Empathie.

delicate discourses 2 - trends, events Drambuie Delicate Discourses: Ein Gespräch über Essen, Trinken, Genuss und Trends

Diskutanten: Christian Gentemann, Hanni Rützler, Jan-Peter Wulf und Nils Wrage

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.