Gute Mitarbeiter finden und halten: Ein ganz großes Thema in der Gastronomie. Einer Branche, die verhältnismäßig wenig zu bieten hat (monetär, Perspektiven) und doch besonders empathische, gute Leute braucht. In der Küche und im Service.
Beim „FEC Tuesday #9“ des Food Entrepreneurs Club ging es genau um dieses Thema: Wie ist man heute ein guter Chef, wie findet man gute Leute und wie bleiben sie?
Es diskutierten Sabrina Lorenz („Café Lotti“, München, 19 Mitarbeiter), David Fuld (Horeca-Personaldienstleister „Fuldwerk“, Berlin mit 300 Fachkräften und 25.000 Arbeitsstunden im Monat) mit FEC-Gründerin Stefanie Rothenhöfer und dem Fachpublikum. Im Folgenden die Statements der beiden Panelgäste sowie von einigen Besuchern der Veranstaltung.
Sabrina Lorenz berichtete, dass sie schon immer ein Café haben wollte und deswegen gleich nach dem Abi eines aufgemacht hat. Allerdings weniger wegen des Kaffees und Kuchens. Lorenz: „Mich interessieren die Menschen darin. Jeder hat eine Geschichte zu erzählen, da ist viel Leben mit dabei.“ Die Personalkosten im „Café Lotti“ liegen bei 35 bis 40 Prozent – relativ hoch auch deswegen, weil die Chefin selbst nur einmal pro Woche aktiv mitarbeiten kann.
David Fuld bietet klassische Personaldienstleistung für die Branche an und dann wiederum nicht: Das Business muss anders funktionieren, war seine Gründungsidee. Oft sei es in der Branche so, dass geschaut werde: Wer hat Zeit, wer ist vor Ort verfügbar? Und dann einfach zugeteilt werde. „Bei uns ist das persönlicher. Wir verwenden viel Zeit darauf zu gucken: Welcher Mitarbeiter könnte zu diesem Disponenten passen?“ Und umgekehrt: Passt der potentielle Kunde zum Unternehmen? „Wir lehnen auch Kunden ab, wenn sie nicht zu uns passen.“
Recruiting: Gesucht werden Leute mit Leidenschaft, in Kontakt mit Menschen zu treten
Über mangelnde Bewerbungen kann sich Sabrina Lorenz nicht beklagen: „Pro Woche kommt eine Bewerbung ins Haus. Ich denke, es liegt daran, dass wir nicht nur ein Café, sondern ein Unternehmen, mit Leitbild und Unternehmenskultur sind. Die Gäste spüren das, und manche wollen von selbst aus bei uns mitarbeiten.“
Dienen heißt: Du bist fähig, mehr geben zu wollen als du nimmst. Ich achte darauf, dass die Leute, die bei mir arbeiten, kein großes Ego haben, das sie zur Schau stellen wollen. Nur dann hat der Gast das Gefühl, so sein zu können wie er ist.
Uli, Gastronomin
Die Auswahl ist allerdings streng: Neun von zehn, schätzt die Sabrina Lorenz, kommen nicht ins Team, das folglich aus vielen langjährigen Mitarbeitern besteht. „Die Person muss zu mir und zum Team passen und eine gewisse Qualifikation muss da sein“, so Lorenz. Wie entscheidet sie das? „Ich mache kein Bewerbungsgespräch, sondern einen Probetag. Wie kommen sie zur Tür rein? Wie bewegen sie sich im Café? Wie interagieren sie mit dem Team? Was sehen sie?“ Viele würden sich bewerben, weil ihnen Gastronomie zusagt. Das allein reiche aber nicht: „Sie brauchen auch die Leidenschaft, mit Menschen in Kontakt zu treten.“
Im Bewerbungsgespräch zuhören und den Bewerber sprechen lassen
Das Recruitung, so David Fuld, laufe bei ihm komplett über soziale Netzwerke, Anzeigen schaltet man eigentlich gar nicht. Die Einstellungssache ist im Fokus: Es sei nicht nötig, schon alles zu kennen, servieren und eindecken zu können. Aber: „Wenn Gäste glücklich machen nicht mein Thema ist, dann ist man nicht richtig bei uns.“ Beim Einstellungsgespräch lässt er heute vor allem das Gegenüber sprechen: „Früher habe ich geredet: Das ist meine Idee. Ich wollte jemanden überzeugen.“ Er habe gelernt, zuzuhören und nachzufragen: „Warum glaubst du, dass du gut für unsere Kommunikation bist?“
Oft sei diese Situation unangenehm, aber doch sehr wichtig. Fuld: „Nachzufragen, wie machst du das denn, das verändert den Zugang.“ Er macht nicht nur Events, sondern bespielt auch dauerhaft Flächen: Als Geschäftsführer des „Restaurant Sarah Wiener“ übernahm Fuld die Leitung eines bestehenden Teams. „Für mich war entscheidend, erstmal mit allen zu sprechen.“ Personalentscheidungen fielen im Anschluss. Lieber besetze er eine Stelle vorerst nicht neu, als vorschnell jemand einzusetzen: „Kompromisse nach dem Motto ‚besser als gar nichts‘ gehen nicht. Dann lieber die Lücke aushalten und die zweite Reihe ranlassen.“
Man braucht Leute, die Menschen glücklich machen wollen. Die nicht das Gefühl haben, sie werden herabgesetzt, weil sie Leute bedienen. Es gibt so viele, die wollen einfach nur Geld verdienen. Teller schleppen kann jeder, Service nicht.
Andreas, Bartender und Trainer
Unternehmenswerte nachvollziehbar machen – schriftlich
David Fuld, der mit vielen Berufseinsteigern und Ungelernten arbeitet, befürwortet, Transparenz dadurch zu schaffen, aufzuschreiben, wofür das Unternehmen steht: „Dadurch wird den Mitarbeitern klar, worum es geht.“ Was ihre Firmen-Philosophie ist, hat Sabrina Lorenz in einem Leitfaden für die Mitarbeiter niedergeschrieben, der „Lotti-Bibel“. Wenn sie selbst einen Anstoß braucht: Seit 2012 arbeitet sie mit einem Mentor zusammen, Ex-Vorstand in einem großem Unternehmen. „In Situationen, wo ich nicht weiter weiß, kann ich den anrufen.“
Einzelgespräche und Zielvereinbarungen für die gemeinsame Mission
Zweimal im Jahr führt Sabrina Lorenz mit ihren Mitarbeitern Einzelgespräche, jeweils eine gute Stunde. Typische Fragen dabei sind: „Wie geht es dir bei uns?“ oder „Wie gefällt dir deine Position?“ oder „Kann ich dir etwas Neues anbieten?“. Auch Kritik an ihrer Person bzw. ihrer Arbeit müsse sie dabei aushalten. Zum Abschluss des Gesprächs erfolgt eine Zielvereinbarung – beim nächsten Halbjahresgespräch soll eine Entwicklung feststellbar sein, denn Lorenz möchte, dass ihre Mitarbeiter nicht nur einen Job machen, sondern an der Weiterentwicklung des Konzepts aktiv mitwirken.
Wenn du die Leute nicht auf 450-Euro-Basis bezahlst, sondern sie mit etwas mehr fest einstellst, kannst zu ihnen (lohnsteuer- und sozialversicherungsbefreit, Anm. d. Red.) Nacht-, Feiertags- und Wochenendzuschläge zahlen. Dann kommt beim Mitarbeiter netto mehr Geld an. Das ist wahnsinnig wichtig.
Robert, Gastronom
Aufrichtig sein, Vorbild sein
Aufrichtigkeit – auch wenn es nicht immer Nettsein bedeutet – hält er für essentiell: „Man möchte ja am liebsten von allen gemocht werden. Aber es gehört auch dazu, dass manche mich doof finden. Für mich ist es ja auch unbequem, wenn ich einen Auftraggeber habe, der mich richtig fordert und nervt. Aber dadurch werde ich selbstkritisch, er bringt mich dazu, dass ich was leiste. Und das übertrage ich und sage: Ich hätte das gerne so. Oder: Lass das bitte.“ Vorbild zu sein, ist für ihn elementar – und dazu gehört, selbst mit anzupacken, wenn es trubelig wird. „Wenn ich dann mitspüle, werde ich ernst genommen.“
FEC-Workshop zum Thema Mitarbeiterführung
Wer sich eingehender mit dem Thema Mitarbeiterführung beschäftigen möchte: Der Food Entrepreneurs Club bietet dafür einen eigenen Workshop an. „Chef sein und Freund sein – so geht‘s“ klärt Rollenkonflikte zwischen Freundschaft und Führung, liefert das Handwerkszeug für ein sicheres Auftreten gegenüber Mitarbeitern und Angestellten und zeigt, wie ein freundschaftlicher Umgang im Businessumfeld möglich ist. Mehr Informationen hier.
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