The Food Entrepreneurs Club: Wie man ein Restaurant in Berlin eröffnet

von Jan-Peter Wulf

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Wir sind in einer Baustelle in der Hausnummer 280 der Friedrichstraße. Das ist im unteren, ruhigen Teil der Friedrichstraße. Noch ist er so, möchte ich hinzufügen, denn wie schnell sich die Dinge ändern können, habe ich im unteren, vormals ruhigen Teil der Weserstraße als Anwohner miterlebt, wo nahezu monatlich ein neues Opening das Straßenbild verändert hat.

Um das Thema Opening geht es heute auch hier, mitten zwischen noch aus der Wand hängenden Kabeln und Küchentechnik, die unausgepackt im erstaunlich großen, offenen Küchenbereich steht. Es riecht neu, der Gastgeber weist darauf hin, dass es zurzeit nur ein Dixiklo draußen im Hof gibt. Fotos machen dürfen wir nicht, aber rauchen. Billy Wagner, vormals Sommelier in der Weinbar Rutz, wird hier in Kürze sein Restaurant Nobelhart & Schmutzig eröffnen. Heute Abend erzählt er als „Podiumsgast“ (man steht hinter dem Tresen) der neuen Eventreihe des The Food Entrepreneurs Club, was hier demnächst passieren soll: Fünfmal pro Woche bietet man ein Zehn-Gänge-Menü, zubereitet aus vorwiegend regionalen Zutaten, für 80 Euro an. Inklusive Wasser. Plätze gibt es 22 am Tresen – man wird den Köchen beim Arbeiten zuschauen können – und nochmal ein Dutzend an einem Tisch, dort, wo jetzt die Gäste des heutigen Abends auf Holzbänken hocken. Kann er knapp 30 Gäste am Abend begrüßen und mit Wein und Co. rund 125 Euro Durchschnittsbon erzielen, gehe die Rechnung auf: „Dann bin ich glücklich“, sagt er. 13 Euro Miete pro Quadratmeter – ein Schnäppchen, jenseits des Checkpoint Charlie zahle man das Dreifache. Der Vertrag läuft über zehn Jahre. Wagner ist ein sehr selbstbewusster Typ, das hört und sieht man, und das sollte man auch sein, wenn man einen so großen Schritt in die Selbständigkeit geht. „Ich kann Begeisterung hervorrufen. Wenn ich hinter dem Produkt stehe, das ich machen will, dann habe ich Strahlen in den Augen und dann kann ich das den Leuten wiedergeben.“ Aufs eigene Bauchgefühl hören und das weitergeben – darum gehe es, wenn man Gastronomie macht.

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„How to open a restaurant these days“ ist das Thema des Abends. Tobias Bürger hat gar keins. Aber mit dem Big Stuff Smoked BBQ  einen Foodstand, der für Furore gesorgt hat und viel, viel Presse bekam. Pulled Pork, das gibt es heute in Berlin an vielen Orten. Als man begann, war man neben dem „Hard Rock Café“ der erste Ort, der das hippe, lang und bei niedriger Temperatur gegarte Grillfleisch verkauft hat. Lange habe man gesucht, wo man überhaupt einen Laden eröffnen hätte können. Als der Grill im Hamburger Hafen vom Schiff kam, habe man noch nicht mal eine Zustelladresse gehabt. In der „Markthalle Neun“ ist man nun bestens platziert, zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Anna Lai organisiert Bürger auch den „Street Food Thursday“ mit. Weder beim Begriff „Pulled Pork“ noch beim Begriff „Streetfood“ sei man sich sicher gewesen, dass es jemand verstehe, berichtet er. Wie schnell das dann manchmal gehen kann, heute sieht man den Begriff „Streetfood“ sogar an Schildern von Berliner Restaurants – die sich in der Regel selten auf einer Straße befinden. Gefragt danach, was er mache, wenn der Straßenessen-Trend mal wieder abebbe, antwortet Bürger, man werde das tun, was man auch schon vorher getan habe: einen Fleischgrill betreiben und sich auf das gute Produkt konzentrieren. Denn darum sei es ihnen von Anfang an gegangen.

Um Transparenz geht es auch der Wein- und Essensschreiberin Ursula Heinzelmann (die früher selbst ein Restaurant am Bodensee betrieb, das binnen kurzer Zeit einen Stern erhielt): Ihr gefallen Restaurants, in denen Köche an den Tisch kommen und sich Zeit für den Gast nehmen, statt dass ein Servicemitarbeiter runterbetet, was sich auf dem Teller des Gastes befindet, und damit womöglich noch das Gespräch der Gäste jäh unterbricht. Ein Ansatz, den das „Noma“ in Kopenhagen als eines der ersten Restaurant verfolgt habe, jetzt machen es immer mehr Betriebe. Im Berliner Glass beispielsweise stellt Gastgeber Gal Ben Moshe jeden Gang persönlich vor.

Der Tenor des Abends: Gute Gastronomie speist sich nicht nur aus Produktqualität und Ambiente, sondern auch aus dem Herstellen von Nähe, Transparenz und Dialogbereitschaft – „soft skills“, wenn man so will. Gastgeber sein, das verlangt unbedingtes Wollen und Präsenz. Ein schöner, persönlicher Gegenentwurf zu den in der Regel eher unpersönlichen gastronomischen Konzepten, die dieser Tage ihre Türen im Lande öffnen – Stichwort „fast casual“ und „quick service“, aber auch trendigen Individualisten, in denen der Gastgeber abwesend ist. Ein Tim Raue – auf ihn wurde indirekt verwiesen – hat mittlerweile vier Restaurants in Berlin. Kann er überall präsent sein? Natürlich nicht, und doch gehen alle „bei Tim Raue“ essen. Genau das, so Wagner, sei nicht sein Plan, in zwei Jahren den nächsten Betrieb eröffnen, sondern sich auf diesen Ort fokussieren, der gerade entsteht, viel Zeit hier verbringen. Sehr viel Zeit, wie es ein Gastgeber eben tut.

Der „FEC Tuesday“ des Food Entrepreneurs Club findet ab sofort alle zwei Monate statt, Infos zu kommenden Terminen und Themen gibt es hier.

 

 

 

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