Eis, das Gold der Bar. Wie sich mit dem Gefrorenen kleine Kunstwerke für den Gast ins Glas zaubern lassen, verriet der Kölner Bartender und Barbesitzer Alessandro Romano Frankfurter Kollegen beim „Ice Carving Workshop“ im Roomers, Frankfurt. Wir haben zugeschaut.
Was für ein Kick: Während in Berlin der Frühling noch an der Tür kratzt, ist er in Frankfurt einfach mal schon da. Und es folgt gleich die zweite freudige Überraschung, nämlich dass der heutige Workshop draußen stattfindet. Nicht dass die Bar des Hotel „Roomers“ zwischen Hauptbahnhof und Main nicht fantastisch und schön wäre.
Aber die Nachmittagsonne hat sich soeben durch die hohen Gebäudelücken geschoben und strahlt nun direkt auf den Star des heutigen Tages: Eis. In großen 25-Centimeter-Kantenlänge-Quadern steht es auf der Betonbar im Hof des Hotels. Daneben liegen Messer, Pickel, Dreizack-Kratzer. Heute geht’s anscheinend rustikal zu.
Alessandro Romano leitet den Workshop. In seiner Kölner Bar arbeitet er seit der Eröffnung vor über sechs Jahren (wir berichteten, wie die Zeit vergeht … ). Damals sagte er:
Eis ist mit Sicherheit die meist übersehene Zutat in Cocktails. Jahrzehntelang haben Bars Eismaschinen eingesetzt, um Eiswürfel wie eine Gatling-Waffe rauszuschießen. Aber die produzierten meistens nur schlechte und kleine Eiswürfel, luftgefüllte Eiswürfel oder leere Eistuben, die immer sofort im Gästeglas wegschmelzen.
Das hat sich in der Barszene und darüber hinaus rumgesprochen, auch in anderen Betriebstypen kriegt man heute gutes, doppelt gefrostetes, hartes, trockenes, geiles Eis. Nicht so schönes allerdings wie im „Ona Mor“, wo man es aus dem Block schneidet und schnitzt – Romano hatte die Eisschnitzkunst in seiner Zeit im „Burj Al Arab“ kennen gelernt (dort gab es einen Vorbereitungsraum nur fürs Eis!) und in die eigene Bar gebracht.
Das Eis fror man en bloc in einer alten Kühltruhe, das Schwierigste, erzählt er den Workshop-Teilnehmern, sei das Klarkriegen gewesen: „Milchglas“ sieht doof aus, Eis muss transparent sein wie ein Fenster nach dem Frühjahrsputz. Man probierte vieles aus: Filtern, Aufkochen, sogar mit Stromschlägen versetzte er das Wasser, um die Oberfläche in Bewegung zu halten, um die dissoziierenden Gase, die das Eis trüb machen, wegzukriegen. Und dann Heureka:
Man braucht eine Styroporbox und lässt den Deckel weg. Dann friert es von oben nach unten und die Gase sind nur unten, das schneidet man dann weg.
Wie aber bekommt man so einen Block klein? Also so, dass er danach auch für andere Getränke als einen Mojito brauchbar ist, zum Beispiel einen Gin & Tonic? Los geht’s mit der Praxis. Der Workshopleiter zeigt, wie es funktioniert: Eis mittig markieren, indem von oben nach unten mit dem Pickel eine Linie gezogen wird. In diese leichte Vertiefung nun vorsichtig mit Pickel oder Dreizack schlagen, bis sich das Eis von oben nach unten spaltet (den Verlauf kann man gut sehen, weil das Eis ja durchsichtig ist). Das Teilstück wiederum so zerkleinern, dass man eine fast schon ins Glas passende Rohform hat, aus der nun mit dem Messer, schön vorsichtig, zum Beispiel ein großer Würfel geschnitten wird.
Es sieht so leicht aus, wie er es macht. Jetzt wollen es die Bartender selbst ausprobieren, der Werkunterricht beginnt – und erstaunlicherweise liegen schnell schöne Resultate vor: Würfel, Kugeln, sogar Diamantformen. Schon beim ersten Berührungspunkt mit dem Ice Carving werden in unter fünf Minuten formschöne Hingucker fürs Gästeglas produziert, und hat man sich erstmal eingearbeitet, sind sie umso schneller da.
Eine Aufwertung für den Gast
70 Diamanten, so Romano, bereite man im „Ona Mor“ für besondere Drinks vor. Die warten einfach im Eisschrank auf ihren Einsatz. Mit Eis im großen Stück wird nicht nur der Drink kalt, es wird auch wenig schnell Schmelzwasser abgegeben (für die Langsamtrinker eine gute Sache) und, darum geht es heute, es ist ein Eyecatcher. „Es erzielt eine Aufwertung für den Gast. Er hat etwas im Glas, das nicht überall bekommt“, so Romano.
Bei diesem Workshop, zu dem der Berliner Bitterlimonaden-Hersteller Thomas Henry eingeladen hat, wird auch ein schmucker Sockel mit Schmelzwasser-Ablauf für die Eisblöcke vorgestellt. Ein Prototyp, entwickelt von den Machern der „Edelwanne“, die man aus High-End-Bars – wie der des „Roomers“ vielleicht kennt. Mit den eingebauten LEDs leuchtet der Block an der Bar wie ein „bottle glorifier“, hier kann man es sehen. Da könnte man an der Bar glatt auf die Idee kommen, auf ihn zu zeigen und sich einen Longdrink mit diesem Eis zu bestellen. Warum nicht? Der nach Spirituose und Filler so wichtige dritte Bestandteil des Drinks sollte ruhig öfter mal die Hauptrolle spielen. Hier und heute hat er es auf jeden Fall getan. Nice, ice.