„Es liegt uns allen am Herzen, die Küche Portugals der Welt zu öffnen“: Ein Portrait des Zwei-Sterne-Kochs und Gastronomen José Avillez, Lissabon

von Laura Klingenberg
BairrodoAvillezJoseAvillez4 PhotoCreditPauloBarata - interviews-portraits, events „Es liegt uns allen am Herzen, die Küche Portugals der Welt zu öffnen“: Ein Portrait des Zwei-Sterne-Kochs und Gastronomen José Avillez, Lissabon

José Avillez. Foto: Paulo Barata

Nicht nur die junge Winzerlandschaft Portugals blüht: Auch in den Gourmetküchen Portugals brodelt es. Zur Zeit darf sich das Land über 21 Sterne-Restaurants freuen. Mit dem bislang einzigen Zwei-Sterne-Koch Lissabons, José Avillez, traf sich unsere Autorin Laura Klingenberg in Lissabon. 

José Avillez führt mit nur 37 Jahren die Fine-Dining-Szene Lissabons an. Der einzige Zwei-Sterne-Koch der Stadt durfte sich mit seinem Restaurant „Belcanto“ dieses Jahr über den 85. Platz der „The World’s 50 Best Restaurants” freuen und wurde neben unzähligen weiteren Auszeichnungen vom „Conde Nast Traveller International“ zum besten internationalen Restaurant gekürt. Was Avillez so besonders macht, ist nicht allein sein Kochtalent, sondern auch das bunte, vielschichtige Konzept hinter seiner Personenmarke JA. Als da wären: 

José Avillez: die Restaurants

Das Kerngeschäft von Jose Avillez besteht ganz klar in der Leitung seiner derzeit neun Restaurantkonzepte, von denen jedes seine ganz individuelle Note hat.

Café Lisboa: “A place to meet or a starting point from which to explore the city”, beschreibt José Avillez sein Restaurantkonzept. Und ich stimme ihm zu: Für eine Lissabon-Tour eignet sich das Café im São Carlos National Theatre als inspirierender Ausgangspunkt für eine Stadterkundung. Mein Tipp: Bestellt euch den Cocktail „Dona Antónia“, kreiert von Dave Palethorpe, dem Barbesitzer der berühmten „Cinco Lounge“ in Lissabon und lehnt euch entspannt auf der Terrasse zurück.

Cantinho do Avillez: “It is an old wish of mine … for a long time I dreamt of a restaurant like this one: a relaxed and comfortable atmosphere, with a simple, sophisticated cuisine.” Dieses Restaurant ist für all diejenigen ein guter Kompromiss, die qualitativ hochwertige Gerichte mögen, aber in kein Sternerestaurant gehen wollen. Einen Ableger gibt es auch in Porto. 

Minibar: In dem historischen Gebäude des Sao Luiz Theatre befindet sich die Gourmet-Bar „Minibar“. Neben essbaren Green Apple Margaritas und Caipirinhas und „Foie gras Ferrero Rocher Bonbons“ stehen Roasted Chicken, der JAburger oder auch ein „mit frischen Kindheitserinnerungen“ gefülltes Lemon-Lime-Sorbet gefüllt auf der Karte. Avillez beschreibt das Konzept mit den Worten: “This is not a traditional restaurant. Here, not everything is what it seems.” Auch hier steht das kulinarische Erlebnis im Vordergrund.

Belcanto: Unweit von Baixa-Chiado, im Herzen Lissabons, liegt das Zwei-Sterne Gourmetrestaurant. An zehn Tischen wird in stylischer Atmosphäre die portugiesische Haute Cuisine präsentiert. José und seine rechte Hand David Jesus laden ihre Gäste mit Gerichten wie “Porthole – My Bottom of the Ocean” auf eine Zeitreise durch die Geschichte der Hauptstadt ein.

Bairro do Avillez: Ein paar Querstraßen weiter befindet sich das meiner Meinung nach spannendste Konzept von José Avillez: Bairro do Avillez. “This is an entire universe devoted to creativity”, so Avillez. Surreal, berauschend, imposant und überraschend –mit diesen Attributen würde ich meine ersten Eindrücke dieser Gourmet-Markthalle beschreiben. Unter dem Dach versteckt sich ein Gourmet-Cabaret namens „Beco“, Lissabons beste Pisco-Bar, die „Cantina Peruana“ unter der Leitung des peruanischen Starkoches Diego Munoz, das „Pateo“, die „Taberna“ und der „Mercearia“. Das kulinarische Treiben erinnert stark an die „Markthalle Neun“ in Berlin.

Pizzaria Lisboa: “Since I was young I have dreamed of opening a pizzeria … perhaps because my father owned one of the first pizzerias in Portugal,” erklärt Avillez, wie er dazu kommt, eine Pizzeria neben einem Zwei-Sterne-Restaurant zu eröffnen. Auf meine Frage hin, woher er das leckere Pizzateig-Rezept habe, antwortet er augenzwinkernd, dass er es auf einer seiner Reisen durch Italien, genauer gesagt in Modena, fand – und nach Lissabon entführte.

José Avillez: der Medienmensch 

Eine eigene Radioshow, und zwar eine (wochen)tägliche – welcher Sternekoch hat so etwas schon? José Avillez! Von 2014 bis 2016 war er Gastgeber der unterhaltsamen und humorvollen Radiosendung “I’m The Chef” des Radiosenders Radio Commercial. Hier sprach José über seine Erfahrungen als Koch, über seine Gerichte, seine Philosophie und über Essen im Allgemeinen. Zuvor war er Gastgeber der TV-Show “Improbabilicious”.

Trotz seines vollen Kalenders macht er Fernseh- und Radioauftritte sowie eine Rezeptkolumne für die Zeitung „Expresso”. Mit großem Effekt: In Lissabon ist die Marke JA omnipräsent und so stößt man nicht nur bei einem Restaurantbesuch auf sie, sondern auch im Radio, im Fernsehen, in der Fachliteratur, in Blogs, in Fachzeitschriften und im Social Net – in also nahezu allen erdenklichen Kommunikationskanälen. “It gives me an immense pleasure to share what I know!”, erklärt José über seinen Drang, das zu teilen, was er schon erlebt hat und was er weiß.

José Avillez: der Food- und Beverage-Händler 

2007, das war noch während seiner Zeit bei Ferran Adriá, startete José Avillez sein erstes Delivery-Projekt „JA em casa“: Ein Gourmet-Lieferservice, der individuell zusammengestellte Menüs frisch oder tiefgekühlt nach Hause liefert – ein Trend, der sich auch in Deutschland mehr und mehr als anspruchsvolle Alternative zum klassischen Lieferservice etabliert. Zeitgleich mit der Entstehung von „JA em casa“ begann José Avillez mit seinem Partner José Bento dos Santos seinen eigenen Wein herzustellen: JA White, JA Red und JA Rosé. JA Red und Rosé werden aus der Syrah-Traube hergestellt und können mit ihrem vollmundigen Geschmack zu verschiedensten Anlässen getrunken werden. Auf den beiden Trauben Viognier and Arinto basiert Josés JA White-Wein: ein eher frischer, fruchtiger und aromatischer Begleiter. Alle Weine sind in Avillez’ neun Restaurants erhältlich und über JA em casa bestellbar.

José Avillez: der Netzwerker 

“Die Spanier und Italiener tun sich zusammen und supporten sich, aber wir schaffen das anscheinend nicht. Der Heinz (Reitbauer) macht das clever und gut, aber sonst schaut das leider (in Österreich) mau aus, obwohl es so viele tolle Köche gibt”, so Dieter Koschina, ebenso Zwei-Sternekoch an der portugiesischen Algave, gegenüber dem Magazin für Köche, Rolling Pin. In Portugal scheint es da eine engere Verbundenheit zu geben. Avillez: „Die Spitzengastronomen in Portugal kennen sich alle untereinander. Seit ungefähr zwei Jahren wird die Zusammenarbeit im Fine-Dining-Bereich immer enger. Wir treffen uns regelmäßig und besuchen unsere Restaurants. Es liegt uns allen am Herzen, die Küche Portugals der Welt zu öffnen!”

José Avillez, der Botschafter für Portugal 

Auf die etwas provokante Frage hin, was an der portugiesischen Küche denn so besonders sei, antwortet José: „Der Unterschied unserer Küche hat etwas mit dem kulturellen Austausch zu tun, der im Zeitalter der Entdeckung stattfand. Die portugiesische Küche wurde dadurch um weitere Zutaten und Kochtechniken erweitert. Zusätzlich ist Portugal, dank seiner Lage, mit unterschiedlichsten Klimata und Bodenschätzen gesegnet, sodass jede Region Portugals mit seinen ganz eigenen Produkten glänzt. Sei es mit Wein, Käse, Brot, Olivenöl, Gewürzen, Kräutern, Fleisch, Fisch oder Krustentieren.“

Avillez treibt den guten Ruf der portugiesischen Küche auf unterschiedliche Art und Weise voran: Als Gastronom, denn es besuchen jährlich rund 25.000 internationale Gäste seine Restaurants. Als Lehrmeister, denn die Ausbildung junger Köche ist für ihn einer der wichtigsten Aufgaben, um die wertvolle portugiesische Küche am Leben zu erhalten. Und als Botschafter: Avillez verreist jährlich drei Monate, um weltweit wertvolle Koch-Erfahrungen mit Kollegen austauschen zu können. „Im Gegenzug dazu lade ich Köche und Kritiker aus aller Welt zu mir nach Portugal ein, damit sie sich ein Bild der portugiesischen Küche machen zu können.“ 

Wie es aussieht, wenn Avillez in Deutschland kocht, beschreibt Steffen Sinzinger von der Berliner Speisenmeisterei: 

Berlin Chef Stories: José Avillez – Das Menü

Weiterlesen: Wie man einen Koch zur Personenmarke aufbaut – ein Portrait der Berliner Agentur White Kitchen 

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