Wie nimmt man als Bartender*in erfolgreich an einem Cocktail-Wettbewerb teil? Wie bereitet man sich gut vor, wofür gibt es Punkte und was sollte man grundsätzlich beachten? Nach vielen Jurytätigkeiten sowie noch viel mehr Berichterstattungen von Cocktail-Wettbewerben haben wir zwar immer noch keine Erfolgsformel, wohl aber (hoffentlich) wertvolle Tipps für die Vorbereitung, Performance und Rezeptur.
1. RTFM
Hast du die Gebrauchsanweisung für den Wettbewerb gelesen? Hast du sie wirklich gelesen? Von vorne bis hinten? Und noch einmal? Für jeden Wettbewerb gibt es ein Briefing. Dort wird detailliert aufgeschlüsselt,
– was für eine Art von Drink gesucht wird (soll das gastgebende Produkt zum Hero gemacht werden, soll ein Twist eines Klassikers kreiert werden, geht es um minimalistische Perfektion oder um maximalistische Opulenz etc.)
– welche Zutaten erlaubt sind (Beispiel: Steht dort maximal 1 selbstgemachte Zutat, dann …)
– wie Faktoren wie Markenwissen, Präsentation und Technik bewertet werden
– und weitere Dinge, je nach Event, die in die Bewertung einfließen
Alles ist relevant! Nur wenn du alle Faktoren berücksichtigst, kannst du überhaupt ein erfolgversprechendes Konzept für deinen Drink und deine Präsentation aufbauen.
2. Beschäftige dich ausführlich mit Produkt, Hersteller, Herstellungsverfahren und Historie
Schau auf die Homepage, ggfs. auch die internationale, lies dich dort ein. Gerne auch in Fachzeitschriften und Blogs. Oder hör‘ Podcasts. Welches Unternehmen steht hinter dem Produkt? Wo wird es hergestellt und wie? Seit wann? Was ist der USP? Dieses Fachwissen ist Basis für die Präsentation. Es sind tief hängende Früchte, die – so unsere Beobachtung – oft nicht oder zu wenig geerntet werden. Oft gibt es eine interessante Entstehungsgeschichte, ein spezielles Herstellungsverfahren, eine Anekdote aus der Historie, vielleicht hast du sogar einen persönlichen Bezug, sodass du eine Brücke bauen kannst? Lass’ diese Punkte-Früchte bitte nicht hängen, sonst fehlen sie dir am Ende garantiert, selbst wenn dein Drink eine Offenbarung ist.
3. Inszeniere die Marke
Deine „Gäste“ am Competition-Tresen sind Juror*innen, die auch darauf achten, dass Marken- und Produktwissen, weil sie immer Teil der Gesamtbewertung sind, in deine Präsentation einfließen. Du musst nicht alles runterbeten wie beim Gedichtaufsagen in der Schule, mache es lieber, Achtung Klischeewort, authentisch. Stimmt aber: Bei großen, internationalen Top-Wettbewerben, man kann es sich auf YouTube anschauen, sprechen die Finalist*innen immer auch über die Marke, ihre Geschichte, die Vorzüge des Produkts und das möglichst souverän und organisch. Vielleicht hilft es, sich die Jury vorzustellen wie deine Gäste an einem normalen Abend. Nur, dass du ihnen eben nicht nur etwas über deinen Drink erzählst, sondern auch über Marke und die Herstellungsweise. Und im Idealfall bringst du eine spannende Anekdote (siehe Punkt 2) ein oder etwas Persönliches, ohne dass es anbiedernd wirkt.
4. Führe Konversation
Es gibt diese angenehm ruhige Art von Bartender*in, der/die ganz dem Drink beschäftigt ist und ihn am Ende mit einem zurückhaltenden Lächeln auf dem Tresen zum Gast schiebt. Das kann at the real bar total sympathisch sein. Aber: Es ist ein Wettbewerb. Unterhaltung ist hier gefragt, alle Augen und Ohren sind auf dich gerichtet. Kein Geplauder im Hintergrund, keine Musik, kein Klappern und Zischen. Es ist ziemlich still und deswegen stell’ dich drauf ein: Du stehst auf einer Bühne, auch wenn es auf Augenhöhe ist. Du musst keine verrückte Performance hinlegen (außer du möchtest und kannst es), aber du solltest deine Jury-Gäste von Anfang an unterhalten, Konversation mit ihnen führen, nicht nur deinen Sprechtext runtersprechen, und den Menschen jenseits des Tresens eine gute Zeit geben. Ob du ihnen erstmal ein Glas Wasser hinstellst, dich vorstellst, ein Statement abgibst oder was auch immer – your choice. Du erklärst dann die Idee deines Drinks, sprichst über die Geschichte dahinter (Marke! Herstellung!) und tust kund, was du sonst noch sagen möchtest, die Tonspur also läuft parallel zur Drinkzubereitung. Witze machen? Vielleicht. Spontan sein, wenn die Situation es hergibt? Gerne. Hauptsache du fühlst dich gut und sicher dabei. Erst erzählen und dann mixen oder umgekehrt, das wirkt zwar weniger aus einem Guss, aber wenn du dich damit sicherer fühlst, okay. Nur das Timing einzuhalten ist ein Muss, sonst droht Punktabzug.
Übrigens: Mache dir bitte keine Sorgen über zitternde Hände. Ganz viele sind aufgeregt, die Stimme flattert, der Mund ist trocken (no problem, Wasser ist überall) und die Hände wackeln, es ist dann eben doch was anderes. Aufregung, eine ungewohnte Situation, Stille. Doch keine Sorge: Nervosität ist menschlich und sympathisch. Achte nur darauf, dass es nicht zum Spill-Malheur wird, dann werden leider oft doch Punkte abgezogen. Also lieber die große Jiggerseite nehmen, den Barlöffel notfalls nicht einsetzen etc. – mach es dir nicht unnötig schwer. Lieber auf Nummer sicher gehen. Und vorher einmal tief durchatmen, langsam sprechen und entspannen.
5. Vorbereitungszeit: Zeit für den ersten Eindruck
In der Regel hast du ein paar Minuten, um den Drink in mehrfacher Ausführung (jeweils einen für die Juror*innen und einen fürs Foto) zu mixen. Und davor ein paar Minuten, um dich vorzubereiten. Und diese Vorbereitungszeit solltest du ebenfalls bereits für etwas Konversation/Kommunikation nutzen. Also spiele sie vorab mehrmals durch und plane sie gut, damit du sie souverän gestalten und eventuell schon mal etwas Kontakt zur Jury aufnehmen kannst, falls diese nicht gerade noch in der Auswertung des vorherigen Drinks schmeckt, äh steckt. Nicht vergessen: Du bist in einer fremden Bar. Also stelle vorab bitte sicher, dass du weißt, wo alles steht und liegt, das du gleich brauchst, sodass du nicht den Faden verlierst.
6. Mixe den Drink oft, perfektioniere ihn – und halte ihn realistisch
In der Regel gibt es für den Drink selbst die meisten Punkte. Und egal, was du kreierst bzw. was das Briefing sagt: Perfection is the key. Gute Ideen und Konzepte alleine reichen nicht. Wichtig ist nur auf’m Platz: Etwas zu süß oder zu sauer, etwas zu wässrig oder zu wenig „diluted“, zu „boozy“ oder zu wenig kraftvoll, oft sind es kleine Details, die entscheidend sind. Deinen Drink kriegst du nur mit mehreren Korrekturrunden geschliffen – warte also nicht bis zum Vortag mit der Vorbereitung (das erlebt man mitunter). Mixe ihn vor Gästen und Kolleg*innen, spiele die Situation durch, du hast ja praktischer Weise eine Probebühne!
Und noch ein Tipp: Halte den Drink eher realistisch. Ausrichter solcher Wettbewerbe wünschen sich einen Drink, den sie als Empfehlung, bei Kommunikationsmaßnahmen oder Promotions einsetzen können. Und träumen davon, dass irgendwann im Rahmen ihrer Aktivitäten ein neuer Klassiker geschaffen wird. Heißt: Quasi-unerhältliche Zutaten/Raritäten oder hochkomplexe eigene Drinkzutaten, bestehend Dutzenden von Dingen, mögen die Kreativität und den Willen zeigen, sind aber schnell kontraproduktiv. Ja, du sollst gerne innovativ sein und mit eigenen Zutaten arbeiten, die zeigen, dass du auch Mixolog*in bist, aber am Ende sollte der Drink schon reproduzierbar sein.
7. Carpe diem & noctem
Jede*r ist ein Gewinner. Jaja, wir kennen alle den Spruch. Aber: Jeder Wettbewerb wird für dich tatsächlich, ganz egal welche Platzierung du erreichst, zum Gewinn, wenn du den Tag und das Drumherum auch für dich nutzt. Fürs Kreativwerden, der Aufruf zur Teilnahme wirkt ja wie ein Schubser. Fürs Netzwerken mit den Verantwortlichen der Marke und mit alten und neuen Kolleg*innen vor Ort. Fürs Feedback nach dem Wettbewerb – sprich die Juror*innen an, wie sie dich (teil)bewertet haben, was ihre Tipps sind. Oder wie deine Kolleg*innen, die Atmosphäre ist fast immer sehr angenehm und freundschaftlich, dich erlebt haben. Und überhaupt: Nimm‘ es als eintägiges Erlebnis außerhalb des Bar-Alltags wahr und sofern die Zeit reicht, nutze sie auch für Besuche von anderen Locations in der Stadt, besonders wenn es nicht die Stadt ist, in der du sowieso arbeitest. Du investierst Zeit/Freizeit, Arbeit und eventuell sogar Geld (Warenkauf) für den Wettbewerb – da ist es mehr als gerechtfertigt, auch selbst etwas davon zu haben. So wirst du auch motivierter sein, nächstes Mal wieder an einem Wettbewerb teilzunehmen, selbst wenn du dieses Mal am Ende nicht oben auf dem Treppchen stehst.