Wie macht man das: Ein Getränke-Business gründen, wachsen lassen, zum Erfolg führen? Thema des „FEC Tuesday – How to start a drink business“ am 19. Juli in Berlin. Eine Zusammenfassung.
Laura Zumbaum hat mit „Selosoda“ ein Erfrischungsgetränk auf Basis der Kaffeefrucht entwickelt. Sie arbeitet mit einem Produzenten in Panama zusammen und für ihr zweites, soeben in den Markt gekommenes Produkt mit einem Erzeuger aus Costa Rica und einem Traubensaft-Moster aus Portugal. Die Kaffeesträucher ihres Erzeugers werden händisch drei- bis viermal im Jahr sukzessive geerntet und stehen in einer Mischkultur auf nährstoffreichen Böden, die keine Pestizide benötigen. Bislang wird nur das Herzstück der Früchte, die Bohne, kommerziell verwertet. „Der Wert des Produkts, das die Kaffeebohne umschließt, wird bislang nicht erkannt. Da setzen wir an“, erklärt Laura Zumbaum.
Cinderella Baksa-Soós und Diego Moreno sind die Gründer von „Mezcal Atenco“. Auf der Suche in Oaxaca nach einem Mezcal-Hersteller gab ihnen ein Guide den entscheidenden Tipp: Ein Dorf, in dem Don Rodolfo López Sosa seinen Meczal produziert, liegt zwei Stunden entfernt von Oaxaca-Stadt, in 1.500 Metern Höhe. Die dortigen Agaven sind für ihre hohe Qualität bekannt. Nach acht Jahren Wachstum können die Pflanzen, die bis zu 150 Kilogramm wiegen, geerntet werden. Die Herzen der Pflanze werden gekocht und in einer Steinmühle, bewegt von einem Zugpferd, zerkleinert. Anschließend wird die Maische mit Quellwasser fermentiert. „Der Unterschied zwischen Tequila und Mezcal liegt in der harten handwerklichen Arbeit“, sagt Diego Moreno. Mehr zum Produkt hier.
Axel Hansen hat zusammen mit Carsten Schlangen „Plück Cold Brew“ gegründet. Das Produkt entstand aus der Leidenserfahrung heraus, in Büros oft schlechten Kaffee als Wachmacher und Energielieferant trinken zu müssen. Cold Brew ist anders als kalter Kaffee: Es wird kalt extrahiert über 24 Stunden, dabei entsteht ein nichtsaures, nichtbitteres Getränk. „Selbst hartnäckigste Gegner kalten Kaffees konnten wir überzeugen“, so Hansen.
Julian von Angern und Maximilian Fechter brauten zusammen mit Jannis Hansen ihre ersten Biere mit Hilfe einer alten Waschmaschine, in der geläutert wurde. Sie bauten aus alten Bierfässern, Wärmetauschern, Gartenpumpen und Motoren für Fitnessgeräte ihre ersten Anlagen und haben 2015 im Süden Berlins eine 1.000-Liter-Braustätte – mit gekauftem Inventar – eröffnet. Das Flagschiff von „Malz & Moritz“ ist das „Blonde Ale“ mit leichten 4,7% Vol und zugleich starkem Bouquet aus fünf Hopfen, das Noten von Honigmelone und Zitrusfrüchten hat. „Wir wollen die Craftbier-Neulinge abholen, denen Bier sonst nicht zusagt und andere Craftbiere zu kräftig und zu bitter sind“, so Julian von Angern. Mehr zur Brauerei hier.
Abfüllung
Axel Hansen: Bei Plück stehen wir ganz am Anfang. Wir füllen noch selbst ab und suchen zurzeit eine Lohnabfüllung. Was nicht so einfach ist, dafür braucht es eine Menge Durchhaltevermögen.
Diego Moreno: Mezcal darf man nur in acht Bundesstaaten in Mexico abfüllen. Die Logistik ist sehr kompliziert: Wir produzieren den Mezcal in einem abgelegenen Dorf, die Flaschen werden in Jalisco hergestellt, die Kisten kommen aus Monterey – alles muss hoch ins Dorf gebracht werden und von dort wieder herunter.
Laura Zumbaum: Die Infrastruktur, die wir verwenden, ist vor Ort schon vorhanden – die Frucht wird in den gleichen Säcken verpackt wie die Bohnen. So ist es auch für die Kaffeefarmer sehr spannend, weil sie keine große Anfangsinvestition tätigen müssen. Abgefüllt wird im Schwarzwald, wir arbeiten mit einer kleinen Manufaktur zusammen. Es war in Berlin schwer, einen Abfüller zu finden: Die Brauer haben sich gesträubt, weil sie das Produkt nicht skalieren können. Und man muss wissen: Erfrischungsgetränke werden normalerweise auf Compound-Basis hergestellt (es wird ein Grundstoff bzw. ein Sirup angeliefert und mit Wasser vermischt, Anm. d. Red.). Wir brühen aber einen Tee auf. Deswegen haben wir eine Saftkelterei als Partner, die an einem Ort herstellt und abfüllt.
Julian von Angern: Die Abfüllung machen wir selbst, am Anfang einmal im Monat, jetzt wöchentlich mittwochs. Acht Stunden oder so lange, bis der Tank leer ist. Ich schaffe ungefähr 200 Flaschen pro Stunde, mein Praktikant 120.
Laura Zumbaum: Ich bin mit 4.000 Flaschen gestartet. Normalerweise startet man mit 30.000 bis 50.000 Flaschen in der Brause-Welt. Wir haben uns mit jeder Produktion gesteigert: 8.000, dann 20.000, jetzt machen wir Chargen bis 50.000 Flaschen. Man sollte pro Produktion nicht weniger als 20.000 machen, sonst ist es nicht wirtschaftlich.
Gebindeform
Axel Hansen: Eine klassische 0,33l-Longneck-Flasche wäre günstiger und einfacher gewesen. Unser Gedanke ist aber: Wir wollen ein Cold Brew, das zu einem vernünftigen Verkaufspreis – 2,50, 2,60 Euro – auf den Markt kommen kann. Andere Cold Brews haben oft einen sehr hohen Preis. Es soll kein elitäres Getränk sein. Weil wir aber einen hohen Bohneneinsatz haben, sind wir auf eine kleinere Flasche gegangen, sonst wäre der Preis zu hoch geworden. Am Anfang haben wir auf Kronkorken gesetzt und dann herausgefunden: Vor allem Frauen wollen ungern alles auf einmal trinken und die Flasche wieder in die Handtasche stecken können. Solange man klein ist, kann man umsteuern, weil man noch agil ist.
Laura Zumbaum (hat ihr Gebinde von 0,25l auf 0,33l Longneck gewechselt, Anm. d. Red.): Der Wechsel hatte zwei Gründe: Erstens muss unser Produkt in Volumen produziert werden, damit es Sinn macht. Die eigenen Flaschen im Schwarzwald abfüllen, in Köln verkaufen, zurück in den Schwarzwald schicken ist aufwändig. Deswegen docken wir uns jetzt an den Mehrweg-Pool an. Grund zwei: Wir dachten, ein neues Produkt müsse eine neue Flasche haben. Die schöne 0,25l-Flasche ging gut in Concept-Stores. Wir verkaufen aber ein Erfrischungsgetränk, und das lässt sich dem Konsumenten in einer Longneck-Flasche viel besser kommunizieren.
Cinderella Baksa-Soós: Weil wir uns von Anfang an auch im Handel gesehen haben, muss das Packaging stimmen. Deswegen haben wir keine Standard-Flasche. Wir denken darüber nach, sie schützen zu lassen. Schwierigkeiten hatten wir am Anfang mit dem Verschluss – Naturkork hat viele Tücken. Wir haben einen Hersteller in Portugal gefunden, der uns einen sehr technischen Korken liefert.
Vertrieb
Axel Hansen: Wir testen unser Produkt zurzeit unter anderem auf Food-Märkten – wie kommen die Farben an? Verstehen die Leute das Produkt? In Kürze werden wir an den Handel und die Gastronomie herantreten. Wir wollen erstmal in Berlin gesund wachsen und dann darüber hinaus.
Laura Zumbaum: Als kleines Produkt startet man mit direktem Vertrieb, weil man ja auch das Feedback aus dem Markt bekommen will. Wir liefern innerhalb von Berlin immer noch selbst aus und führen die Konversation mit Baristas, Shop-Betreibern und Gastronomen. Aber natürlich sind wir nicht in Hamburg. Unser Ziel ist es, in allen großen Städten mit einem Getränke-Fachgroßhändler zusammenarbeiten. Als Zwischenlösung für Städte, wo wir noch keinen Partner haben, liefern wir über UPS aus.
Diego Moreno: Berlin machen wir selbst. Wir arbeiten viel mit der Gastronomie, Spirituosenläden und Concept-Stores, Großhändlern und Onlineshops zusammen. Nach einem Deutschlandvertrieb haben wir lange gesucht, jetzt haben wir einen jeweils für Hamburg, Baden-Württemberg, Hessen und Bayern. Einen Importeur für die Schweiz haben wir auch gefunden.
Julian von Angern: Am Anfang sind wir selbst Klinken putzen gegangen, das machen wir jetzt auch immer noch zum Teil. Es ist erfreulicherweise ein Vertriebler auf uns zugekommen. Wir sind noch auf Berlin konzentriert, gehen jetzt auch nach Brandenburg raus. Darüber hinaus: Die Online-Fachhandels-Strukturen im Craftbier-Bereich sind eigentlich recht übersichtlich, man kommt gut ran. Reinkommen ist die andere Sache.
Marketing
Laura Zumbaum: Weil unser Produkt in einer absolut saturierten Kategorie hervorsticht, haben wir viel Presse bekommen. Wir sind viel auf Redakteure zugegangen, weil wir uns am Anfang eben keine Billboard-Kampagne leisten konnten. Das hat uns im ersten Jahr unglaublich geholfen, Bekanntheit zu erzielen. Berichterstattung reicht aber nicht, das boostet vielleicht mal kurz den Onlineshop, aber der Kunde am POS hat den Artikel ja nicht unbedingt gelesen. Da nehmen wir uns bislang noch zu sehr zurück.
Maximilian Fechter: Wir haben als Ingenieure das meiste Geld für Technik ausgegeben und hatten dann noch kein Etikett, keine Gebindeform, keinen Vertriebsweg. Das etabliert sich jetzt alles erst.
Cinderella Baksa-Soós: Wir bräuchten das gleiche Investment, das wir ins Produkt gesteckt haben, noch mal für Marketing. Wenn Dein Konzept stimmt, ist es bei der Bank fast egal, ob du nach 50.000 oder nach 100.000 Euro fragst. Im Nachgang ist es aber viel schwieriger. Wenn man den Schritt geht, einen Kredit aufzunehmen: Nicht nach zu wenig Geld fragen! Man kann vorher nur schwer einschätzen, was man alles braucht und denkt nur an die Entwicklung des Produkts.
Gründungskapital
Laura Zumbaum: Ich habe mit Eigenkapital gegründet und dann eine Crowdfunding-Kampagne gemacht. (Infos dazu hier)
Diego Moreno: Unser Startkapital waren 75.000 Euro. Erst mit 25.000 Euro eine GmbH gegründet, dann einen KfW-Kredit über 50.000 Euro erhalten.
Maximilian Fechter: Wir haben uns auch für einen KfW-Gründerkredit interessiert. Als der Vertrag uns vorgelegt wurde, wurde uns klar, was da alles an Prüfungen, Bürgschaften und Papierkram dran hängt. Da haben wir unseren Eltern ein Angebot unterbreitet: „Wie findet ihr es, wenn wir eine Brauerei gründen und ihr uns den Kredit gebt? Ihr bekommt das, was sonst die Bank bekäme und gelegentlich Bier.“ Fanden sie super. Unsere Investition beträgt 120.000 Euro, das meiste Geld ging in das Sudhaus.
Trends, Hypes, Flops & Tops
Axel Hansen: Cold Brew ist in den USA in jedem Supermarkt mit bis zu acht Marken vertreten. Das erwarten wir auch für den hiesigen Markt. Auch große Player werden sich hier positionieren, und wir grenzen uns mit Hochwertigkeit ab – wir beziehen die Bohnen direkt und wir zahlen das Doppelte des Fairtrade-Preises.
Diego Moreno: Mezcal wird nie Gin sein, doch Tequila gibt es international seit den 1970er-Jahren und er ist immer noch da. Mezcal muss aber ein handwerkliches Produkt bleiben. So hat Tequila angefangen und ist dann ein sehr industrielles Produkt geworden.
Julian von Angern: Russland, Osteuropa und China sind stark im Kommen. Es kann sein, dass viele Produkte wieder verschwinden, aber Qualität wird sich durchsetzen. Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, den Markt nicht zu überschwemmen und lassen unser Unternehmen organisch wachsen.
Laura Zumbaum: Generell ist ein gutes Marktverständnis wichtig. Es gibt drei langfristige Bewegungen, auf denen unsere Produktphilosophie fußt: Gesundheit, Funktionalität und Nachhaltigkeit.
Unternehmensvision 2020
Axel Hansen: Wir wollen in Deutschland überall dort sein, wo man ein Energiegetränk will – am Arbeitsplatz, an der Tankstelle und am Kiosk.
Julian von Angern: Unser Markt bis dahin ist Deutschland und Anrainerstaaten. England wird sehr interessant, weil wir ein relativ klassisches Ale brauen. Wir werden 2020 immer noch ein lokales Unternehmen mit einigen Angestellten sein.
Laura Zumbaum: Mit unserem gesunden und funktionalen Produkt wollen wir europaweit im Conveniencebereich sein.
Cinderella Baksa-Soós: Die großen Märkte für Mezcal liegen anderswo als hier: USA, Kanada, Japan, Australien, Skandinavien. Dort wollen wir Fuß fassen.
Fotos: Tim Schenkl
1 Kommentar
Hallo, ich möchte ayran in meinem Lager mit einem Becherfüller – Rundläufer abfüllen. Welche Genehmigungen brauche ich dafür und wo bekomme ich die?
Beste Grüße