Viele Menschen sehnen sich, zumal in der aktuellen Krisenzeit, nach Stabilität und innerem Gleichgewicht. Das aus-der-Balance-sein äußert sich oft durch körperliche Beschwerden, bei denen das Wissen moderner Schulmedizin an ihre Grenzen stößt. Warum also nicht einen Blick auf die älteste Heilkunst werfen?
Ayurveda, das „Wissen vom Leben“, hat seinen Ursprung in Indien, wird dort an Universitäten gelehrt und in Kliniken von Ärzten angewandt. Mittlerweile wird Ayurveda in Europa immer bekannter und erstreckt sich von Ölmassagen, Kräutertherapien, alternativen Ernährungsformen bis hin zur ganzheitlichen Medizin. Hat Ayurveda auch der Gastronomie – als Ort der Inspiration und der gesunden Ernährung, etwas zu bieten?
Unsere Autorin und Yogalehrerin Laura Klingenberg sprach mit der zur Zeit erfolgreichsten deutschsprachigen Ayurveda-Expertin, der Bloggerin und Buchautorin , „Tasty Katy“ Katharina Döricht.
Welchen persönlichen Zugang hast du zum Ayurveda?
Ich schätze Ayurveda sehr und versuche durch meine Arbeit das 3000 Jahre alte Wissen modern zugänglich und alltagstauglich zu machen. Ich selbst habe viele Routinen vom Ayurveda übernommen. Unter anderem morgens das Ölziehen, Zungeschaben, Yoga und die Meditation. Abends mache ich mir gerne ein warmes Getränk. So eine Art „Schlummermilch“ mit ayurvedischen Gewürzen und Kräutern. Ich versuche vor allem auf natürliche Lebensmittel zurückzugreifen. Außerdem achte ich so weit es geht auf die Frische, Saisonalität und Regionalität meiner Zutaten und ernähre mich entsprechend der Jahreszeiten.
Können Gastronom*innen und Köch*innen ayurvedische Gerichte anbieten, ohne sich zu sehr mit Fachbegriffen auseinandersetzen zu müssen?
Es gilt ein Hauptgrundsatz im Ayurveda: Wir Menschen sind ein Produkt der Natur und diese brauchen wir, um wieder in unser natürliches Gleichgewicht zu kommen. Sprich, wir müssen uns entsprechend der Jahreszeiten saisonal, regional und überwiegend pflanzlich ernähren. Zudem sollte man darauf achten, dass Speisen warm und gekocht sind, weil das sehr viel leichter verdaulich ist. Fügt man den Gerichten dann noch Gewürze wie Ingwer, Kreuzkümmel, Kurkuma oder Salbei hinzu, hat man schon ein super ayurvedisches Gericht – ohne zu sehr in die Tiefe von Ayurveda eintauchen zu müssen.
Siehst du dahingehend Verbesserungspotential in der Gastronomie?
Ich rate allen Restaurants, mehr vegetarische und vegane Gerichte auf der Speisekarte zu haben. Das Interesse an einer pflanzlichen Ernährung und Ayurveda steigt mehr und mehr. Leider findet man in vielen Restaurants, wenn man sich vegetarisch oder vegan ernährt, vor allem Salate. Leckere vegane Suppen, Currys oder auch andere Gerichte mit Gemüse wären hier wunderbar.
Es gibt einige Menschen, die denken, dass die ayurvedische Ernährungsform immer vegan sein muss. Stimmt das?
Ayurveda ist weder vegan noch vegetarisch. Aber gerade im Zeitalter von Massentierhaltung und mit dem Wissen, dass Emotionen wie Angst vom Tier kurz vor dem Schlachten auf das Fleisch übertragen werden, sollte man sich überwiegend pflanzlich ernähren. Zusätzlich weiß man im Ayurveda, dass Milchprodukte sehr schwer verdaulich sind, weswegen es wichtig ist, diese zu minimieren. Stattdessen wird viel mit Ghee gekocht. Ghee ist geklärte Butter und enthält keinerlei Laktose oder Milcheiweiß mehr. Man kann aber auch Sesamöl oder andere gute Öle verwenden.
Was für Basics benötigen denn Köch*innen in ihrer Küche, um sich dem Thema Ayurveda anzunähern?
Grundsätzlich sollte in jeder ayurvedischen Vorratskammer neben saisonalem und regionalem Obst und Gemüse auch eine große Auswahl an Getreidesorten vorhanden sein. Zudem Hülsenfrüchte, gute Fette wie Nüsse, Samen, pflanzliche Öle und natürliche Süßungsmittel wie Ahornsirup oder Trockenfrüchte, wie zum Beispiel Datteln. Gewürze werden im Ayurveda auch medizinisch eingesetzt. Man kann sie aber auch wunderbar zu den Gerichten dazugeben. Köch*innen wissen normalerweise schon viel über Gewürze, wie zum Beispiel über die verschiedenen Kümmelsorten und ihre Wirkungsweise auf die Verdauung.
Welche Gewürze empfiehlst du außerdem?
Man braucht keine super exotischen Gewürze aus Indien, um ayurvedisch zu kochen. Du kannst dich auch an den Gewürzen unseres Breitengrades orientieren und Kräuter, wie Rosmarin, Basilikum oder Thymian verwenden, um ein ayurvedisches Gericht zu kochen. Gewürze sind außerdem eine schöne Möglichkeit, weniger Salz zu verwenden. Ich verwende für meine Gerichte außerdem sehr gern Gewürze wie Kurkuma, Kreuzkümmel, Zimt, Nelken, Koriander-, Fenchel- und Senfsamen, Nelken, Muskatnuss oder Salbei. Ich würde auf jeden Fall auf Bio-Qualität achten. Ich kaufe meine Gewürze alle in Bioläden aus der Umgebung.
Welche Bücher, Experten, Podcasts würdest du den Lesern ans Herz legen, um sich noch weiter zu informieren?
Ich mag die Podcasts von Dr. Jana Scharfenberg sehr. Besonders, weil sie schulmedizinische Ärztin ist und die Schulmedizin mit dem Ayurveda kombiniert. Ich finde auch die Bücher von Jasmine Hemsley sehr spannend. Dana Schwandt hat ebenso ein tolles Kochbuch im Bereich Ayurveda herausgegeben. Und auch ich habe letztes Jahr ein Kochbuch herausgegeben. Es heißt Modern Ayurveda. Ich erkläre zu Beginn des Buchs noch einmal die Grundzüge des Ayurveda im Hinblick auf die Ernährung. Ich schaue mir aber auch gerne klassische Kochbücher an und überlege mir dann, wie ich sie einfach „veganisieren” oder „ayurvedisieren” könnte.
Vielen Dank!
„Modern Ayurveda: Strahlend schön und gesund durch ganzheitliche Ernährung“ ist 2019 bei Paperish erschienen, hat auf 304 Seiten über 100 ayurvedische Lieblingsrezepte der Autorin zu bieten und kostet 22 Euro.
www.tastykaty.com