Björn Moschinski: „Wir wollen das Bewusststein schärfen“

Der Pionier der veganen Küche betreibt heute den „Rettermarkt“ in Mannheim

von Antje Urban
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Björn Moschinski (links) und Roman Kress. Foto: Sebastian Weindel

Er hat einst mit seinen veganen Kochbüchern und vielen TV-Auftritten den Veganismus bekannt gemacht. Und als Koch in Berliner Restaurants bewies Björn Moschinski viele Jahre, dass vegan auch schmecken kann. Seit mittlerweile sechs Jahren lebt er in Mannheim. Auch wenn es um den heute 41-Jährigen medial ruhiger geworden ist, so ist er keineswegs untätig. Denn nicht nur die vegane Küche liegt ihm am Herzen, auch das Thema Lebensmittelverschwendung. 

Im Mannheimer Stadtteil Lindenhof hat er daher mit seinem Geschäftspartner Roman Kress den Rettermarkt eröffnet: „In Deutschland landen 50 Prozent der Lebensmittel im Müll. Der Gedanke, solch einen Markt zu eröffnen, den gab es bei mir schon lange. Wir wollen das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendung schärfen.“ Seit nun fast einem Jahr verkaufen Moschinski und Kress Waren, die nicht mehr in den regulären Einzelhandel kommen, aber noch genießbar sind. 

Noch gut und günstiger 

In dem 80 Quadratmeter großen Lebensmittelmarkt werden ausschließlich vegane Lebensmittel, oft auch in Bio-Qualität, angeboten. Dafür beginnt Moschinskis Tag morgens um fünf Uhr im Großmarkt, wo er bei den Händler*innen Gemüse und Obst rettet, das sonst weggeschmissen würde. Gleichzeitig bekommt er vegane Produkte von Unternehmen, mit denen er aus seiner Zeit in Berlin noch eng verbunden ist: „Wir stehen in direktem Kontakt mit den Firmen unserer Wahl. In vielen Unternehmen müssen hierfür aber erst die Strukturen geschaffen werden. Oftmals ist Wegwerfen ja günstiger als Weitergeben.“ Allerdings gelte stets das „Tafel-first-Prinzip“, was bedeutet, dass Hilfsorganisationen wie die Tafeln den Vorrang erhalten. 

Die im Markt angebotenen Lebensmittel sind im Durchschnitt 30 Prozent günstiger als im Lebensmitteleinzelhandel. Entweder haben die Waren nur noch ein kurzes Mindesthaltbarkeitsdatum oder sind sogenannte Überproduktionen. Bei anderen sind die Verpackungen in anderen Sprachen oder sie weisen kleine Mängel auf.

Aufklären ist Teil der Aufgabe

Seinen Kunden vermittelt Moschinski anhand von einfachen Grafiken an der Wand auch gleich etwas über die Problematik der Lebensmittelverschwendung – unaufdringlich, aber ernsthaft. Dieses Anliegen verfolgt er auch schon seit Jahren in seinen Schulungen, die er als selbstständiger Berater in Restaurants oder Kantinen abhält. Eigentlich wollte er vor der Pandemie ein Franchise-Projekt mit veganen Restaurants starten. Doch die Eröffnung des ersten Betriebs mit dem Namen Romans fiel im März 2020 prompt in die Lockdown-Phase und wird daher seitdem als Take-away betrieben. Die Leitung obliegt Moschinskis Geschäftspartner Roman Kress. Ein weiteres Restaurant namens Glücksstein ging ebenfalls an den Start. Auch hier steht Moschinski beratend zur Seite und ab und zu selbst in der Küche. 

Mittwochs gibt es das „Rettermenü“

Jeden Mittwoch allerdings ist er auf jeden Fall im „Glücksstein“ anzutreffen. Dann kocht er aus geretteten Lebensmitteln sein „Rettermenü“. Was es gibt, kann er immer erst am Morgen entscheiden – je nachdem, welche Lebensmittel er auf dem Großmarkt bekommen hat. Dass es sich beim „Glücksstein“ um ein veganes Restaurant handelt, ist nirgends sichtbar. „Du darfst dein Business nicht nur auf Veganer auslegen. Sondern Du musst Dein Angebot so ausrichten, dass sich auch der Mischköstler angesprochen fühlt und es jedem schmeckt“, erklärt Moschinski. Das das gelingt, zeigt sich täglich. Viele Nicht-Veganer*innen gehören zu den Stammkund*innen. 

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Foto: Sebastian Weindel

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Er selbst wurde schon mit 15 Jahren Veganer. Nachdem er sein Studium zum Mediendesigner beendet hatte, landete er 2002 durch Zufall beim Catering, was ihm viel Spaß bereitete. Damit begann sein persönlicher Weg, die vegane Küche Gästen näher zu bringen: „Ich habe mit dem Kochen angefangen, weil es der beste Weg der Tierrechtsarbeit war. Man konnte jedes Argument entkräften, bis auf die Tatsache, dass vegan auch schmecken muss. Man musste eben irgendwann mit Qualität überzeugen.“ 

Durch Schulungen kann er viel mehr Menschen erreichen

Den Druck der Großstadt, wie damals in Berlin, vermisst er nicht. Die vegane Entwicklung der damaligen Zeit, 2013, 2014, beurteilt er heute so: „In der Zeit hat jeder gemerkt, dass vegan zieht und jeder hat behauptet, dass er vegan anbietet. Egal wie die Qualität war. Heute ist das natürlich anders und Berlin hat sich dahingehend top entwickelt.“ Er kann es kaum erwarten, wieder Schulungen abhalten zu können, weil er dann die Philosophie dahinter erklären kann. „Du schulst Köche in Firmenkantinen und erreichst letztlich damit viel mehr Menschen.“ In der Rhein-Neckar-Region war er beispielsweise schon in den Mensen von Roche, SAP oder beim Studierendenwerk. Zwischendurch kocht er seine „ehrliche Küche“ ab und zu als Gastkoch im „Glücksstein“. 

Mannheim gibt Moschinski Energie

Finanziell muss er den Rettermarkt noch auf eine solidere Basis stellen. „Wir haben das Problem, dass wir als Wirtschaftsunternehmen nicht den gleichen Stand haben wie Vereine. Wir werden sozusagen als Konkurrent zu den Supermärkten gesehen.“ Sobald er die Logistik besser aufgestellt hat, will er noch mehr direkt auf die Firmen zugehen. Die Stadt Mannheim unterstützt ihn und prüft, ob in Kürze ein größeres Lager vermittelt werden kann. „Wir wollen die Präsentation der Waren noch schöner gestalten und auch auf Social Media werben.“ Berlin war für ihn eine schöne Zeit, aber auch viel Stress, seine Projekte in Mannheim hingegen geben ihm Energie, sagt er. 

Mehr zum Rettermarkt hier.

 

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