Mit Biogemüse, erzeugt in miteinander verbundenen Mini-Landwirtschaften, will das Projekt Tiny Farms nicht nur die Gemeinschaftsverpflegung besser, gesünder und leckerer machen, sondern die Versorgung mit regionalem Biogemüse insgesamt auf neue Füße stellen. Die beiden Gründer und Geschäftsführer Tobias Leiber und Jacob Fels erklären uns, wie das Ganze funktioniert.
Was ist Tiny Farms, was muss man sich darunter vorstellen?
Tobias Leiber: Tiny Farms macht das für den Gemüseanbau, was Tiny Houses für den Hausbau machen: Wir senken die Eintrittsschwelle. Erstens indem wir ein Farmmodell entwickeln, das vom Investment her so bescheiden ist, dass es für jeden realisierbar ist. Zweitens, indem wir die einzelnen Farmen zu einer virtuellen Großfarm vernetzen und Skaleneffekte erzielen. Und drittens in Form einer Akademie, mit der wir darauf vorbereiten, eine solche Farm zu betreiben.
Wer farmt, sind das Quereinsteiger*innen?
Jacob Fels: Ja, meist ohne fachlichen Hintergrund, aber mit hoher Affinität zu Themen wie Lebensmitteln und Nachhaltigkeit. In der Regel kommen sie aus der Stadt, sind zum Beispiel im Kreativbereich tätig, wollen einen aktiven Ausgleich und Teil der neuen Foodbewegung sein. Wir bringen ihnen die Arbeit auf dem Feld bei. Manche haben auch schon Erfahrung mit Urban Farming gemacht oder mit Solidarischer Landwirtschaft. Wir nennen das, was wir machen, auch „next level urban farming“.
Wie gehen Sie denn den Weg mit den Neu-Farmer*innen?
Tobias Leiber: Wir haben gerade den ersten Prototypen am Laufen: Sechs Pionier*innen bauen gerade eine Tiny Farm auf, es ist die zweite nach unserer eigenen bei Fürstenwalde. Von uns bekommen sie theoretischen Input und Begleitung bei der Arbeit. Wir kümmern uns um das Drumherum wie Anbauplanung, Logistik und Vermarktung, sodass sie sich auf den Gemüseanbau konzentrieren können.
Wie wird denn angebaut? Vermutlich nicht nach eigenem Gutdünken wie im privaten Gemüsegarten?
Jacob Fels: Genau, wir wollen am Ende ja nicht auf Bergen von Gurken sitzen. Wir sind von Anfang an nachfrageorientiert ausgerichtet und waren schon frühzeitig im Dialog mit den Kunden darüber, was sie haben wollen.
Wer sind die Kund*innen – und was fragen sie nach?
Tobias Leiber: Schulcaterer, der Bio-Lebensmittel-Einzelhandel und Start-Ups im Biomarkt, mit denen wir ein Stück weit einen gemeinsamen Weg gehen. Für eine große Berliner Bio-Kette haben wir gerade heute Salat geerntet, das machen wir just-in-time und liefern direkt in deren Zentrallager. Kohlgemüse, Tomaten und Gurken sind im Schulcatering besonders gefragt, aber da gibt es vom Anbau her einfach Grenzen. Wir haben 2020 in kleinem Umfang auch schon Schüler*innen bei uns gehabt, das werden wir sobald es möglich ist ausbauen. Sie sehen dann auf dem Feld, was sie eine Woche später in ihrer Schulkantine haben, packen an – und dann kochen wir vor Ort gemeinsam eine Gemüsesuppe.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Schulcaterern? Die benötigen ja sicherlich Ware in Mengen, die Tiny Farms derzeit noch gar nicht darstellen kann.
Jacob Fels: Es ist ein Zusammenspiel von Mensch zu Mensch. Ideal ist es, wenn wir direkt mit dem Küchenchef sprechen. Der kann es am besten einschätzen und kennt sich mit unterschiedlichen Sorten aus. Natürlich wäre es einfacher für die Caterer, mit nur einem Großhändler zusammen zu arbeiten. Sie tun es aber auch mit uns, weil sie das gut finden, was wir machen, den Mehrwert erkennen. Ein Schulcaterer will demnächst sogar seine eigene Tiny Farm mit uns starten.
Wie funktioniert das Kosten- und Erlösmodell?
Tobias Leiber: Wir teilen uns den Umsatz – wie genau, das hängt davon ab, wie viel Service die Tiny Farm von unserer Seite benötigt bzw. wie viel diejenigen, die sie betreiben, selbst machen wollen. Neben dem zusätzlichen Einkommen sehen sie es aber auch als Ausgleich zu ihrer meist weniger körperlichen Arbeit an. Wir gehen auch in Vorleistung, indem wir z.B. die Jungpflanzen kaufen. Bei der Akademie haben wir es mit einem gemeinnützigen Träger zu tun. Die Teilnehmenden zahlen einen Betrag für die Kurse, können es aber auch mit Arbeit auf dem Feld ausgleichen oder Bildungsgutscheine einlösen. Das ist gerade noch im Aufbauprozess, im Sommer werden wir den ersten regulären Durchlauf haben.
Welche Pläne haben Sie für die Tiny Farms?
Jacob Fels: Wir wollen Cluster mit drei bis fünf Tiny Farms pro Standort bilden, zunächst um Berlin herum – die Stadt muss man allein wegen ihrer Größe aus verschiedenen Richtungen bedienen – und dann in weiteren Städten. Unser Ziel sind 1.000 Tiny Farms bis 2030.
Das ist ein großes Ziel.
Jacob Fels: Die Menschen, die mitmachen wollen, gibt es. Die Nachfrage auch – es ist ja nicht nur die Stadt Berlin, die den an Bio-Produkten im Catering anheben will. Und Flächen gibt es auch, man muss sie nur finden.
Land ist kein Problem?
Tobias Leiber: Wir brauchen ja sehr wenig, eine Tiny Farm lässt sich schon auf einem halben Hektar betreiben. Da ist der Kauf- oder Pachtpreis weniger relevant als bei großen Betrieben. Dennoch ist es natürlich schwer, geeignetes Gemüseland in guter Lage zu finden. Aber wir bekommen zunehmend Land angeboten von Menschen, die unser Konzept unterstützen. Und es gibt zum Beispiel Bildungsträger, die so viel Landfläche haben, dass sie nicht alles nutzen und bewirtschaften können. Das ist dann ideal, weil auch gleich die Infrastruktur vor Ort vorhanden ist.
Was ist die größte Herausforderung für Sie?
Jacob Fels: Das Wetter. Gemüse ist bekanntlich ein heikles Geschäft mit geringen Margen. Da arbeitet man immer auf Kante genäht, und wenn das Frühjahr dann noch so ein ungewöhnlich kaltes und nasses ist wie dieses Jahr, dann hat das die entsprechenden Folgen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview erschien zuerst in Cooking + Catering Inside.
1 Kommentar
Guten Tag,
wir haben 2017 einen Hof in Blumberg (bei Ahrensfelde) gekauft und überlegen, aus dem anliegenden Garten mit 5000qm Land eine Mikrofarm zu machen. Noch arbeiten wir beide als Hebamme und Ingenieur, wir möchten aber lernen, uns selbst zu versorgen und andere Menschen mit zu versorgen.
Können Sie uns helfen, für ein paar Jahre junge Menschen zu finden, die erstmal pachten wollen? Herzliche Grüße von Michela Hoffmann