Der ukrainische Starkoch Ievgen Klopotenko stellt sein Land kulinarisch vor – nicht nur dem Ausland, das in dieser schlimmen Zeit viel gen Ukraine blickt, sondern auch seinen Landsleuten.
Denn, das stellt der Koch in der Einführung seines Buchs heraus: Auch im Inland kennen viele die Vielfalt der ukrainischen Gerichte und Rezepte nicht. Aus Gründen: „Die Sowjetunion hat wirklich ihr Bestes gegeben, um nicht nur die ukrainische Küche auszumerzen, sondern auch die ukrainische Weltsicht gleich mit. In dem Moment, als mir das klar wurde, stürzte ich mich ins Recherchieren. Ich war überwältigt von der Vielfalt der ukrainischen Gerichte, die für unsere Vorfahren vor Hunderten von Jahren selbstverständlich waren. Mit jedem Bissen offenbart sich mir die Verbindung zur eigenen Geschichte immer mehr“, schreibt er.
Borschtsch, den Klassiker schlechthin, kennt man natürlich (und die Bekanntheit nutzte der Koch mit seiner Aktion „Make Borscht Not War“, um im Ausland Spenden zu sammeln (u.a. in Kooperation mit der Kitchen Guerilla, wir berichteten). Und natürlich findet man auch in seinem – übrigens ersten – Kochbuch einige Kreationen des deftigen Gemüsegerichts. Doch da ist so viel mehr. In vier Jahren Recherche arbeitete Klopotenko rund hundert Kochbücher aus verschiedenen Epochen durch und tischt nun auf: Gebratenen Karpfen. Eintopf mit Sardinen und Kalbfleisch. Gebackene Pastinaken. Rettichsalat mit Sauerrahmsauce. Ente mit Banosh, dem traditionellen Maisbrei. Paliushky (Kartoffelplätzchen). Käsekuchen aus Lviv. Hombovtsi (Zwetschgenknödel). Und auch Getränke vom gewürzten Wodka bis zum wunderbaren Kwas mit Honig oder Rote Bete.
Wo wir gerade bei dieser sind: „Schluss damit, die Arme immer nur zu kochen, ich bitte dich. Ab in den Ofen damit. Auch roh kann man sie essen, dann lässt sich feine Süße besonders gut wahrnehmen“, schreibt der Koch im Kapitel „Ukrainische Zutaten“, das ein Plädoyer für achtsamen Umgang mit Gemüse ist: „Ich wünsche mir, dass die Ukrainer die Früchte ihres Bodens mit Respekt behandeln. Ich selbst sprühe vor Begeisterung, wenn ich auf einem Bauernmarkt bin. Es ist, wie sich zu verlieben. Alles so aromatisch, so frisch, so kostbar. Mein Herz springt mir fast aus der Brust. Mir ist schwindelig. Ein herrliches Gefühl. Ich liebe es, mir vorzustellen, wie ich das Gemüse waschen werde, schneiden, kochen, essen …“ und findet, dass die Ukrainer sich glücklich schätzen können, Gemüse in ihrer Umgebung zu finden, das zu den besten der Welt gehört. Das klingt bittersüß, wenn man daran denkt, dass es gerade sehr wenig gibt, über das sich die Menschen der Ukraine freuen oder glücklich schätzen können.
Klopotenko ist nicht nur Koch mit enormer Reichweite auf Instagram, sondern auch Gastronom: Sein Restaurant 100 rokiv tomu vpered in Kiev ist die erste Adresse für die traditionelle Küche des Landes. Und während des Krieges hat er zwei Bistros eröffnet, in Lwiw und in Iwano-Frankiwsk, die vor allem Geflüchtete versorgen – jede*r zahlt, was und wenn er/sie kann.
Wir raten aus vielen Gründen zum Kauf dieses Buches. Weil es eine Landesküche präsentiert, die überaus viele Facetten zu bieten hat und die wohl die Allermeisten bis dato so gut wie gar nicht kennen, obschon das Land das geografisch übernächste ist, so wie Spanien, Italien oder die Länder des Balkan. Weil die insgesamt 70 Gerichte sowohl Fleischessende als auch Vegetarier und Veganer ansprechen. Weil Restaurants damit ukrainische Gerichte nachkochen und ihren Gästen anbieten können, vielleicht mit einer Spendenaktion verknüpft? Und last but not at all least, weil der gesamte Gewinn aus dem Verkauf an die Hilfsorganisation Ukraine Now geht.
Ukrajina. Eine kulinarische Liebeserklärung an die Ukraine von Ievgen Klopotenko hat 176 Seiten, 70 Rezepte und ca. 80 Abbildungen und kostet 24,99 Euro.