Ace Hotel London: Hybrid statt Hilton

von Aida Baghernejad
ace hotel lobby - konzepte, gastronomie Ace Hotel London: Hybrid statt Hilton

Fotos: Ace Hotels

Wie führt man ein zukunftsgewandtes, zeitgemäßes Hotel im 21. Jahrhundert? Das Ace Hotel in London macht es vor. Ein Hausbesuch. 

Beige-rot gemusterter Teppich, moderne Messinglampen, die dann doch nach Möbelhaus im Vorort aussehen – Hotelketten haben Jahrzehnte ganz gut gelebt mit der ewig gleichen Ästhetik rund um die Welt. Und natürlich hat sie auch gut funktioniert, Geschäftsreisende mit ihren Betriebskonten sorgten für satte Gewinne für die weltweit größten Ketten. Doch eine Zeitenwende steht an: Die Ansprüche der Kunden verändern sich, Design und Nachhaltigkeit werden als Themen immer wichtiger – ganz zu schweigen vom problematischen Konzept der „Authentizität“, das gerade Plattformen wie Airbnb zu ihrer Marktmacht verholfen hat, was gleichzeitig zum wachsenden Problem für urbane Kommunen wird. 

Große Ketten wie eben Hilton, Hyatt oder InterContinental können mit ihren zahlreichen Untermarken zwar viele, fast alle, Einkommenssegmente bedienen und gerade im Luxussegment mit personalisiertem Service und Daunendecken Übernachtungsträume wahr werden lassen. Doch Individualität und Authentizität lassen sich leider nur schwer mit Skaleneffekten vereinbaren.

Dichter dran an der Stadt 

Hier kommt die Ace-Hotelkette ins Spiel: 1999 in Seattle mit dem ersten Hotel gegründet, betreibt die Kette mittlerweile acht Häuser in den Vereinigten Staaten. 2013 wurde das erste außerhalb der USA in London gegründet, 2019 wird ein Haus in Kyoto folgen. Überall greift die Kette auf historische Gebäude zurück und baut sie gemeinsam mit lokalen Designern um, in London war maßgeblich das Universal Design Studio beteiligt, die ihrerseits weltweite Innenarchitekturprojekte umsetzen.

Nun ist das Boutique-Konzept nichts Neues, verfolgen doch auch andere Hoteliers wie die Hamburger 25hours-Kette oder die Londoner Soho Group ähnliche Strategien. Ace geht bei seiner Verankerung in der Stadt und im Londoner Beispiel sogar ganz spezifisch im Stadtviertel noch ein Stückchen weiter. Das Hotel kooperiert mit Gastronomen und Handwerksbetrieben aus der Gegend – und zwar langfristig.

Bistroklassiker mit Brit-Twist

Das Restaurant Hoi Polloi zum Beispiel wird betrieben in Kooperation mit Pablo Flack und David Waddington, die ihrerseits 2004 eines der ersten Casual-Fine-Dining-Konzepte im Osten Londons gründeten, das Restaurant Bistrotheque. Die „modernist Brasserie“, wie das Hoi Polloi sich beschreibt, serviert Bistroklassiker mit britischem Twist. Regionale Zutaten treffen auf ein Best-of internationaler Comfort Food-Klassiker. Der Gast betritt das gold leuchtende Restaurant mit hohen Decken entweder durch das Café Bulldog Edition oder durch einen lokalen Blumenladen, umgeben von Blüten und großen Sträußen. Neben dem Blumengeschäft ist die East London Juice Co. angesiedelt, deren Säfte auch im Restaurant serviert werden, eine kleine Durchreiche hilft dabei. 

ace hotel restaurant - konzepte, gastronomie Ace Hotel London: Hybrid statt Hilton

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Foto: Leila Essa

Das Hoi Polloi ist einer der wenigen Läden in der Stadt, in denen auch zu später Stunde noch Essen serviert wird: „In London ist Late-Night-Dining noch nicht sehr weit entwickelt“, sagt dazu Pablo Flack. “Es war aber von Anfang an klar, dass Hoi Polloi länger offen bleiben würde. Wir sind mittendrin in Shoreditch, wo es abends länger geht und noch dazu Teil eines Hotels. Und sowohl wir als auch das Ace haben einen Hintergrund in Clubkultur. Roomservice läuft sowieso auch die Nacht über, da ist es keine große Umstellung, länger offen zu bleiben.“

Bis exakt 23 Uhr 59 ist geöffnet, Versuche, es noch länger offen zu lassen, blieben bislang erfolglos. Was das Restaurant allerdings schafft, ist es kontinuierlich weiterhin auch Londoner ins Haus zu locken – ob zum Frühstück, zum Working Lunch oder zum Abendessen, auf eine Tasse Tee oder ein Stück Kuchen. Dazu ist das Restaurant auch ausgelegt: An jedem einzelnen Sitzplatz finden sich beispielsweise seit einiger Zeit Stromstecker, sodass man entspannt den ganzen Tag dort auch arbeiten kann – und das ist auch gern gesehen. 

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Comfort Food für abenteuerliche Esser 

Einmal im Monat wird die Karte überarbeitet. Klassiker bleiben dabei, ein paar saisonale Twists kommen dazu. Schwierig ist es dabei, die Balance zu halten: „Die Londoner Kundschaft legt großen Wert auf regionale Zutaten und saisonale, innovative Küche, ohne kann man nicht zum lokalen Markt sprechen. Andererseits ist es aber immer noch ein Hotel – und wenn Leute in Hotels übernachten, wollen sie einfaches Essen. Am Anfang haben wir noch versucht, das herauszufordern. Unsere Karte war super Foodie, wir bekamen sehr gute Kritiken, aber dann hat man Reisende, die einfach nur Steak und Fritten haben wollten. Hatten wir – aber hieß nicht so. Das frustrierte Hotelgäste. Jetzt heißt es eben Steak und die Kellner erklären den Cut.“

Mittlerweile finden sich auf der Karte eine Art Caesar Salad und Bavettesteak mit Café-de-Paris-Butter, ein Burger und Fish & Chips. Klassiker, die Touristen und sonstige Reisende sehen wollen. Aber es gibt eben auch den Tintenfisch mit Romesco, Krabbe und Fenchel oder neue Kartoffeln mit Anchovi-Hollandaise – Comfort Food für abenteuerlichere Esser.

Coolness als USP

Ob eine Zusammenarbeit funktioniert, ist natürlich immer ein Risiko, gerade mit einer Hotelkette. Für jedes funktionierende Beispiel, wie das Ima im Frankfurter 25hours-Hotel, gibt es auch zahlreiche Gegenbeispiele, wo trotz bester Vorsätze ein Hotelrestaurant eher langweilig und verstaubt oder gar seelenlos wirkt. Für die Bistrotheque-Gastronomen, deren USP seit zehn Jahren vor allem Coolness ist, ein Risiko. Flack: „Das stimmt, aber es hat sich schnell herausgestellt, dass Ace und wir eine ähnliche Vision haben und ein ähnliches Publikum ansprechen. Sonst würde es nicht funktionieren.“

Leicht sei es trotzdem nicht immer: „Es ist wie eine Ehe“, lacht Flack, „natürlich ist es erst einmal schwieriger, mit einem großen Partner zusammen Entscheidungen zu treffen als alleine.“ Damit eine solche Partnerschaft aber auch funktioniert, braucht es klare Strukturen: Flack und seinem Partner gehört die Marke Hoi Polloi, sie haben das Restaurant entworfen, seine Richtung vorgegeben, stehen für seinen Charakter und tragen Personalentscheidungen mit. Das Tagesgeschäft liegt allerdings in den Händen des Managements des Ace Shoreditch. „Es ist quasi wie eine Restaurantkette mit nur einer Filiale“, beschreibt es der Mitgründer. 

Showroom für Square Mile Coffee

Anders funktioniert die Kooperation mit der Kaffeerösterei Square Mile, die als eine der besten in Europa gehandelt wird: Die Rösterei ist kein Partner, wie es die Bistrotheque-Gastronomen sind, sondern bewegt sich irgendwo zwischen Zulieferer und Berater. Sie halfen, das Konzept des Hotelcafés Bulldog Edition zu entwerfen und halten jede Woche ein Training im Haus ab. Damit ist das Hotelcafé eine Art Showroom für die Rösterei, ohne dass diese sich um den Cafébetrieb sorgen muss.

Doch auch andere Produkte werden dort verkauft: „Der Hersteller der Limonade, die wir im Café, im Club und in den Minibars haben, wohnt gegenüber. Wenn du im Bulldog aus dem Fenster guckst, kannst du seine Wohnung sehen“, erzählt George, einer der Food & Beverage-Direktoren des Ace. Auch der Coldbrew-Coffee kommt aus der Gegend und statt Coca gibt es Karma Cola aus dem Nachbarbezirk. „Wir haben mit ihnen gearbeitet, um ihnen Wachstumsmöglichkeiten zu geben. Das ist uns wichtiger, als mit großen Marken zu arbeiten. Die haben wir auch da, weil wir es manchmal müssen. Wir sind eben ein Hotel.“

Hotels sind bekanntermaßen ziemliche Umweltkatastrophen – die tägliche Wäsche, die Abfallerzeugung, der Energiekonsum. Der Food & Beverage-Leitung im Haus ist es aber wichtig, zumindest in kleinen Teilen gegenzusteuern: Takeaway, ob Kaffee oder Essen, gibt es nur noch in komplett kompostierbaren Behältern, aus dem Kaffeesatz wird Seife für das Hotel produziert. Zusätzlich soll in naher Zukunft überschüssiger Kaffee in Biodiesel umgewandelt werden.

ace hotel cafe - konzepte, gastronomie Ace Hotel London: Hybrid statt Hilton

Foto: Leila Essa

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Wie funktionieren aber solche Initiativen im Kontext einer internationalen Hotelkette? „Das kommt nicht von der Ace-Zentrale, alle Projekte sind in London angesiedelt und wir schauen, was lokal möglich ist“, sagt George. „Ich weiß, dass andere Filialen ähnliche Initiativen haben und wir tauschen uns manchmal aus.“ Symbolpolitik? Vielleicht. Aber immerhin Schritte in die richtige Richtung. „Wenn das Marketingdepartment darüber berichten will, schön, sollen sie das machen. Aber für mich als F&B-Person ist es eine Kostenfrage. Ich entscheide, was wir kaufen und was wir damit machen.“ 

Hypergentrifizierung

Natürlich ist es müßig, über das Hotel zu sprechen, ohne den weiteren Kontext in Betracht zu ziehen. Shoreditch ist mittlerweile ein Paradebeispiel für Gentrifizierung: Das ehemalige Arbeiterviertel hat sich innerhalb weniger Jahrzehnte völlig gewandelt und ist mittlerweile einer der internationalen Zentren der Medienwelt. Ein Hotel wie das Ace ist natürlich ein Gentrifizierungsfaktor und als solcher problematisch zu sehen. Doch vergleichbar zu Berlin Mitte, oder gar extremer, ist die Gentrifizierung hier schon abgeschlossen und geht in eine Phase der Hypergentrification über: High-End-Boutiquen werden von noch luxuriöseren oder noch größeren Unternehmen verdrängt, reiche Hausbesitzer und -mieter von Investmentfirmen auf den Caymaninseln. 

„Ich dachte schon 2000, dass Shoreditch absolut vorbei sei», sagt dazu Pablo. Künstler und junge Kreative können sich schon lange keine Wohnung mehr in der Gegend leisten. Und die Clubs, Bars und anderen Late Night-Lokalitäten des Viertels werden langsam auch verdrängt. Da ist, ironischerweise, ein Ort wie das Ace mit seinem Club Miranda tatsächlich ein Stück weit ein Unterstützer der Subkultur: Lokale Musiker, Labels und DJs können dort Partys veranstalten, oft ohne Eintritt. Ein Segen in einer Gegend, wo unabhängige Labels nur schwer an Spielorte kommen können.

Hybrid schlägt homogen

Kooperationen mit lokalen Akteuren – ob nun Limonadenhersteller, Gastronomen oder Partyorganisatoren – sorgen dafür, dass Authentizität mehr ist als ein Buzzword. Es wird im Café, im Restaurant und im Club gelebt. Das Hotel ist kein Alien in seiner Nachbarschaft, täglich sieht man Londoner auch hier sitzen und ihren Kaffee schlürfen oder Eltern zum Geburtstagsfrühstück ausführen. Langfristig können nur ernstgemeinte und beiderseitig gewinnbringende Kooperationen mit lokalen Akteuren zum Erfolg führen. Und wenn es dann auch noch so gut schmeckt wie im Hoi Polloi, ist das Konzept (fast) perfekt. Hybridität schlägt Homogenität.

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