Die Deutsche Cocktail-Meisterschaft (DCM), die von der Deutschen Barkeeper-Union e.V. ausgerichtet wird, ist mehr als nur ein Wettbewerb: In Vorträgen und Workshops gibt es Tipps und Inspiration für die teilnehmenden Bartender des Branchenverbunds. 2017 ging es dabei zum Beispiel um Bararchitektur und Tipps fürs körperliche Wohlbefinden.
Dieses Jahr erklärte Jan Scheidsteger, Hoga-Experte, Berater und Gründer von Beyond Gastronomy (vormals „Special Cuts“, hier ein Gespräch mit ihm) seinen Workshop-Gästen, wie sich aus basalen Bedürfnissen der Menschen ganze Konzepte bauen lassen. Und das langfristig im Gegensatz zu Konzepten, die auf Trends fußen, erklärte Scheidsteger in seinem Vortrag im neuen Hotel „Roomers“ in Baden-Baden: Trends sind schnelllebig, Hypes kommen und gehen: „Über Poké- und Ramenbars wird in zwei Jahren keiner mehr reden.“ Ähnliches gelte für kurzfristige Bar-Hypes wie Laborcocktails.
Blick ins Gehirn statt in die Glaskugel
Wer hingegen ein langfristig erfolgversprechendes Konzept aufbauen wolle, solle stattdessen lieber mit den ganz grundsätzlichen Bedürfnissen der Menschen beginnen – und diese verrät das limbische System unseres Gehirns. Drei grundlegende Wünsche hege der Mensch: Erstens den Wunsch nach Balance – Ausgeglichenheit, Harmonie. Zweitens den Wunsch nach Dominanz – nach Erfolg, Autonomie, Status, Wettbewerb. Und drittens den Wunsch nach Stimulanz – Inspiration, Risiko, dem Neuen. Je nach Charaktertyp freilich unterschiedlich ausgeprägt.
Somit ergeben sich drei völlig unterschiedliche Befindlichkeiten, mit denen sich drei unterschiedliche konzeptuelle Ausprägungen vollziehen lassen: Ein Balance-Konzept schafft Sicherheit und Freude, lässt den Gast vom Stress des Alltags entfliehen. Ein Dominanz-Konzept ist demzufolge eines, das Erfolg und Status „gibt“, zum Beispiel durch Exklusivität. Und ein Stimulanz-Konzept nimmt den Gast mit auf eine Reise ins Unbekannte, gibt ihm neue Reize, fordert ihn vielleicht sogar heraus.
Konzept konsequent durchziehen
Wichtig sei, so Scheidsteger, das Konzept – je nach gewählter Basis – konsequent durchzuziehen, bis ins kleinste Detail hinein: „Ich kann keine eierlegende Wollmilchsau als Konzept mehr bauen. Ich muss das ganze Ballett auffahren: Ist das Thema Geborgenheit, muss ich alles, was ich mache unterordnen.“ Was eine Vereinfachung darstelle, denn: „Ich habe automatisch eine Vorgabe. Zum Beispiel, wie meine Getränkekarte auszusehen hat, welche Materialien, welches Papier ich verwende.“
Als Beispiel führte er das Bonechina an – eine Bar in Frankfurt, in der sich die Gäste selbst ihre Drinks mixen, mehr dazu hier. Ein Stimulanz-Konzept. „Hier geht es um Kreativität, Fantasie und Mut. Bartender, gekleidet in schwarzer Hose, weißem Hemd und Vorbinder – das würde hier gar nicht passen.“
Es komme auch darauf an, so der Experte aus Hamburg, dem Gast mit einem Konzept das Gefühl zu geben: Ich verstehe dich. Sein Rat: „Beschäftigt euch mit denjenigen, die eure Gäste werden sollen.“ Sie zu fragen, was sie antreibt, was ihre Wünsche uns Sorgen sind, sei die Basis für die Konzeptentwicklung. „Es geht immer um Werte und Emotionen – und man hat nicht viel Zeit, die Leute zu überzeugen.“
Dies fange schon bei der Gestaltung der Webseite an: Statt gleich auf Speisen und Getränke zu sprechen zu kommen, sollte man dem Gast besser erklären, wofür man steht, welche Philosophie die Gastronomie hat. Beschreiben, warum man z.B. mit ausschließlich regionalen Produkten arbeitet. Es gehe um Haltung, um die Möglichkeit, den Gast zum Teil einer Gemeinschaft zu machen, so Scheidsteger.
Und deswegen müssen Führungskräfte umdenken, betont er, und ihren Mitarbeitern das Handwerkszeug – Kommunikation, Empathie – beibringen, welches eben dieses Einladen in die Gemeinschaft dem Gast auch vermittelt. Denn das Dazugehören ist (vor dem Hintergrund der Single-Gesellschaft) sei ein wachsendes Bedürfnis, das sich zum Beispiel in den zahlreichen Sharing-Restaurantkonzepten, die es derzeit gibt, wiederspiegelt. Sein Fazit: „Als Gastronomie haben wir die Chance, einen Ort der Gemeinschaft herzustellen.“
Die goldene Ananas
Einen Wettbewerb gab es, wie eingangs erwähnt, bei der Deutschen Cocktail-Meisterschaft 2018 der DBU natürlich auch.
Gewonnen hat ihn mit Torsten Spuhn, Besitzer des Modern Masters Erfurt, ein Urgestein der Barwelt. Herzlichen Glückwunsch!
Sein Siegerdrink: The Golden Pineapple
2 cl Havana Club 7 Años Rum
1,5 cl Plantation Pineapple Rum
1 cl Giffard Ginger of the Indies Liqueur
0,5 cl Monin Falernum Sirup
4 drops TBT Bogart’s Bitters
2 cl Lillet Blanc Aperitif
Garnitur: Orangenschale, als Beigabe: getrocknete Aprikose, kandierte Ananas, kandierter Ingwer, Cashew- Kerne gesalzen
Glas: Vintage-Weinglas
Zubereitung: Alle Zutaten in ein Rührglas mit Eis geben und in ein vorgekühltes Glas abseihen. Mit Garnitur und Beigaben servieren.