Was mit einer Reise zweier Köche nach Asien und Plänen für ein Sternerestaurant begann, ist heute einer der angesagtesten Caterer der Haupstadt. „Berlin Cuisine“ hat sich auf die Fahnen geschrieben, seine Kunden und deren Gäste immer wieder aufs Neue zu überraschen. Corona zwang das Unternehmen nicht in die Knie, sondern forderte es heraus, das Business neu zu denken und neue Kanäle zu erschließen. Challenge accepted – und das mit Erfolg.
Am Ende unserer Besichtigungstour der Produktion von „Berlin Cuisine“ auf dem Gelände des Hauptstadt-Großmarkts stehen wir in dem Raum, in dem 2013 alles begann. „Hier war alles drin: Küche, Spüle, Lager und Büro“, erklärt Gründer und Geschäftsführer Max Jensen. Viele Catering-Erfolgsgeschichten fangen in kleinen Räumen an, aber dieser hier hat es in sich. Er ist nicht im Erdgeschoss, eher im Hochparterre gelegen. Eine Wendeltreppe aus Stahl führt hinab. Jensen: „Über die haben wir Caterings für 2.000 Leute ausgeliefert. Wenn du das ein paar Mal gemacht hast, dann weißt du: Du brauchst eine Rampe.“
Die Rampe gibt es längst, auf der anderen Seite des Gebäudes ist reichlich Platz für An- und Abfahrt. Stück für Stück hat das Unternehmen „Berlin Cuisine“ sich angrenzende Flächen unter dem Flachdach dazu gemietet, mittlerweile rund 2.000 Quadratmeter auf zwei Etagen. Konnte man früher in Sneakers in die Küche latschen, gibt es heute eine professionelle Hygieneschleuse und eine zweigeteilte Umkleide, ohne Check kommt niemand rein. Für sein Umweltmanagement hat der Caterer kürzlich die ISO-14001-Zertifizierung erhalten sowie eine Registrierung im Europäischen Eco-Management and Audit Scheme (EMAS). Man beschäftigt sogar eine eigene Beauftragte für diesen komplexen Themenbereich.
Große Kühlräume, hochwertiges Großküchen-Equipment, ein überdimensionaler Veranstaltungsplaner an der Bürowand, über den Schreibtischen Bildschirme, auf denen Umsatzstand und -ziel stehen, eine schicke Küche für Probeessen sowie für die Koch-Streamings (dazu kommen wir noch) – die Stippvisite reicht, um zu konstatieren, wie professionell das Unternehmen heuer ist. Geht man ganz bis an den Anfang zurück, noch vor besagten ersten Raum, dann ist der hier gegangene Weg umso beachtlicher.
Ziel: das beste Restaurant der Welt betreiben
Eigentlich wollten Max Jensen und sein Freund Felix Metzger, beides gelernte Köche, ja ganz bescheiden das beste Restaurant der Welt aufmachen. Kennen gelernt haben sie sich 2010 im „Reinstoff“, welches damals bereits einen Michelinstern trug und ein Jahr später den zweiten erhielt. Max war zuvor u.a. im Ex-„Vau“ bei Kolja Kleeberg gewesen, Felix im Ex-„Margaux“ bei Michael Hoffmann. Wie High-End-Gourmet funktionierte, wussten sie da also bereits.
Doch sie wollte mehr wissen und reisten durch Asien, wo sie in insgesamt 18 Restaurants in 13 Ländern hospitierten und mitarbeiteten. Das Ganze kann man sich ansehen, denn der Regisseur Jonas Gerstl hat daraus einen unterhaltsamen Dokumentarfilm gemacht: „Guerilla Köche“ lief im Kino sowie im öffentlich-rechtlichen TV, von dort erhielt man auch eine nachträglich ausgezahlte Förderung.
„Wir konnten also ausgeben, was wir vorher gespart haben, und haben das dann danach zurückbekommen, das war der Deal“, so Jensen. Wir sprechen über rund 25.000 Euro, welche das Duo danach verwendete, um eine GmbH zu gründen – immer noch mit der Idee, ein Restaurant zu eröffnen. „Den Begriff Catering habe ich ehrlich gesagt erst nach meiner Ausbildung zum ersten Mal überhaupt gehört“, erklärt er. Doch während die Suche nach einer Fläche und nach Investoren sich schleppte, florierten die Buchungen der beiden Köche für Events.
Auf der Streetfood-Welle gesurft
2013 war das Jahr, in dem Streetfood in Berlin (und in Deutschland zuerst dort) auf dem Parkett erschien. Der „Street Food Thursday“ in der Markthalle Neun, der „Bite Club“ und weitere Formate zogen die Menschen massenhaft zu sich, Slogans wie „Futtern ist das neue Feiern“ oder „Essen ist das neue Pop“ machten die Runde. Kulinarik mit clubbigem Flair. Jensen und Metzger kochten auf den hippen Märkten, gaben asiatische Kochkurse, wurden für Events gebucht, doch hatten immer noch keine eigene Produktion. „
Wir haben uns in Küchen eingemietet und immer mehr Equipment im Keller angehäuft“, so Jensen. Bis ihnen schließlich klar war: Hier ist der nächste Schritt fällig. Im Juni 2013 bezog man die erwähnte Fläche, mit 80.000 Euro aufgenommenem Kredit und 60.000 Euro Ablöse. Neben das Streetfood-Kochen kam schon bald auch das große gesetzte Dinner. „Bis 2017 ging es steil bergauf, danach etwas flacher, aber es wurde immer mehr“, so Jensen. Metzger, zwischenzeitlich ausgestiegen, ist seit 2017 als „Creative Director Food“ wieder an Bord. In jenem Jahr wird „Berlin Cuisine“ von unserem Medium zum „Caterer des Jahres“ gekürt.
2019 machte man mit einem Team von 100 Personen (plus externem Servicepersonal) 1.190 Events, zwischen 5 und 5.000 Personen, an manchen Tagen 15 Events parallel. Und bei aller Professionalität: Den „Guerilla“-Instinkt, sprich das Gespür für kulinarische Kreativität und Innovation, hat man über die Jahre nicht verloren. „Wir wollen immer einen Wow-Effekt hervorkitzeln“, so Jensen, mit Food überraschen und beeindrucken, ohne den Kunden und dessen Gäste zu überfordern – sie müssen es verstehen, das Handy zücken, es filmen und Freunden und Bekannten schicken. Bestes Marketing. Wie das mit dem so wichtigen Thema Nachhaltigkeit gelingt, zeigt Jensen uns in einem Video (www.tinyurl.com/deeptaste) eines Caterings von Anfang 2020, bei dem den Gästen jedes Produkt in seiner eigenen Schale statt auf dem Teller serviert wurde – die Speise mit Kohlrabi im Kohlrabi zum Beispiel, und Bio-Mülltonnen standen auf der Bühne.
So etwas hätte vor einigen Jahren nur Stirnrunzeln verursacht, heute ist der Zeitgeist eben anders. Und auf einem Event einen Dönerspieß aufzustellen, der aus (mariniertem) Kohlrabi besteht, darauf muss man auch erst einmal kommen.
98 Prozent Umsatzeinbruch
Im Frühjahr 2020 waren die Auftragsbücher bis in den April hinein dicke voll. Doch das letzte Event fand aus bekannten Gründen am 16. März statt. Was folgte, war ein Einbruch der Umsätze um sage und schreibe 98 Prozent. Die noch verbliebenen zwei Prozent erwirtschafteten Osterboxen, die man an die im home office sitzenden Mitarbeitenden eines langjährigen Kunden verschickte. Mit pandemiekonformen Events im Sommer konnte man das Geschäft wieder ankurbeln, doch den zweiten Lockdown habe man „total unterschätzt“, so Jensen. Man sei davon ausgegangen, dass es vor Weihnachten wieder losgehe (was seitens der Politik, man erinnere sich, auch immer wieder ins Spiel gebracht worden ist).
Ein Satz mit X, aber: Aus den spontanen Osterboxen wurden nun Weihnachtsboxen, gepaart mit der Idee, dazu ein Livestream-Kochen zu veranstalten: Mitarbeiter sollten ihre Gans zu Hause zubereiten können und die Geschäftsführung kocht mit den Köchen von „Berlin Cuisine“ vor Ort – so der Plan. Die Realität sah anders aus, denn man wurde von den Anfragen überrannt und schickte am Ende 27.000 Boxen raus. Mangels Karton-Nachschub fuhr man eigenhändig bis nach Polen, um was zum Einpacken zu haben.
„Der Dezember hat dem von 2019 im Umsatz in nicht viel nachgestanden“, so der Geschäftsführer. Und im wie erwartet deutlich ruhigeren Januar entwickelte man die Hauruck-Aktion zum neuen Hybridformat weiter: Die „TasteBox“ mit gelingsicheren Gerichten können Unternehmen ihren Mitarbeitern, Partnern und Kunden nun nach Hause schicken lassen. Im neu errichteten Studio von „Berlin Cuisine“ wird per Livestream vorgekocht – eine Kochshow mit „home office catering“ als Incentive-Format.
Die Aufnahmen leiten mittlerweile die Auszubildenden von „Berlin Cuisine“ selbst aus dem professionell ausgestatteten Technikraum nach detailliertem Ablaufplan. Stand Ende August ist man mit dem virtuellen Format, den Catering-Buchungen, die nach dem Lockdown schnell wieder anzogen, bei rund 60 Prozent des vor-Corona-Umsatzes. Allerdings ist ab Oktober auf dem großen Kalender im Büro noch viel frei – die Unternehmen zögern erneut. Jensen ist aber sehr zuversichtlich: „Das Eventgeschäft kommt zurück.“
Doch noch ein Restaurant
Übrigens: Das mit dem Restaurant hat für Max Jensen dann auch noch geklappt. Es ist zwar kein Edelrestaurant geworden, dafür ein umso persönlicheres Konzept – nämlich die Gastronomie im legendären „Clärchens Ballhaus“ in Berlin-Mitte, einer der traditionellsten und kürzlich unter neuer Leitung modernisiert wiedereröffneten Eventlocations der Stadt.
Mehr Infos:
www.berlin-cuisine.com