Foto: Laura Klingenberg. Alle anderen Fotos: Paul Möhring
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Eisdiele, einer Eismanufaktur und einem Artisan Ice Cream Shop? Wie kann ein Laden bei den Berliner Mietpreisen mit Eiskugeln für 1,50 Euro überleben? Und wie kommen eigentlich die Cheesecake-Stückchen in das Eis?
In Berlin stehen heute erfahrene Pâtissiers, Restaurantleiter aus der Spitzengastronomie oder erfolgreiche Physiker hinter den Eisdielen-Tresen und reichen Sorten wie „Whole bean Vanilla Ice Cream mit maple glazed bacon and whiskey sauce“ aus recyclebaren Zuckerrohr-Schalen.
Wir trafen die Köpfe von fünf der zur Zeit angesagtesten Eismanufakturen Berlins: Gimme Gelato, Woop Woop Ice Cream, Jones Ice Cream, Paul Möhring und Tenzan Lab. Dort erfuhren wir, wie man trotz außergewöhnlich hoher Kosten ganzjährig überleben kann, trafen auf beeindruckende Menschen, spannende Lebensläufe, einzigartige Konzepte und vor allem: atemberaubendes Eis. In Teil vier unserer Reihe stellen wir vor:
Paul Möhring – Softeis mit einer Prise Wahnsinn von David B. Heinz
Paul, wer ist eigentlich Paul? Dieser Paul – Möhring – war der Schwiegeropa des Eigentümers David B. Heinz und lebte bis 1990 auf einem kleinen Bauernhof in Brandenburg. Beim ersten Schnee soll Paul Möhring mit einer Emailleschüssel und seinem zerbeulten Aluminiumtopf auf den Hof gegangen sein: In die Schüssel füllte er Schnee und in den Alutopf Milch, Sahne, Eier, Zucker, Vanille und eine Prise Salz. Dann setzte er den dünnen Aluminiumtopf in die große Emaille-Schüssel und verrührte die Zutaten zu einem zart-cremigen Eis. Ein Eis nach diesem Vorbild gibt es heute als Softeis bei Paul Möhring.
Zwischen Tradition und Wahnsinn
Und was macht „Schwiegerenkel“ David B. Heinz, während Paul Eis produziert? Er filmt mit Matt Damon die Bourne Supremacy, trinkt mit Jude Law und Ed Harrison Gin Tonic, reist mit Pauls schöner Enkelin ein Jahr um die Welt, beendet seinen MBA in Glasgow und arbeitet in einem der größten Start-Ups in Berlin als erfolgreicher Unternehmensberater. Das mag für den ein oder anderen nach einem erstrebenswerten, leicht schwindelerregenden Lebenslauf klingen. Für David B. Heinz gab es jedoch einen Haken: Sein Herzblut hing nicht an dem, was er tat.
Kurzum kombinierte er sein Wissen der Betriebswirtschaft und seine Liebe zu Pauls Softeis mit den gesammelten Rezepten aus aller Welt und eröffnete 2017 Paul Möhring. Schon fast autobiografisch klingt seine neueste Softeis-Kreation, der „Hippe Sipper“: Ein Gin-and-Tonic-Gurken-Sorbet (mit Monkey 47), getoppt mit Chamoy, einer mexikanischen Gewürzmischung aus Limette, Chili und Salz.
Softeis: Fluch und Segen
So verführerisch wie die Toppings aus „Burnt Marshmallows“, Salzstangen-Crush mit Valrhona-Schokoladensoße oder „Maple Glazed Bacon“ auch klingen: Sie stellen für David Fluch und Segen zugleich dar. „Ich schabe jede Vanille-Schote, von denen ein Kilo 1.000 Euro kostet, einzeln mit der Hand aus, achte sehr auf die Nachhaltigkeit meiner Produkte, stelle meine Mitarbeiter fest ein, bezahle übertariflich und finanziere jedem eine Barista-Ausbildung. Und trotzdem kommen manche Kunden in meinen Eisladen und sagen: Oh, Softeis, machen auf dem Absatz kehrt und gehen.” David erklärt uns, dass Softeis dank einer der größten Fastfood-Ketten der Welt einen schlechten Ruf hat: „Tüte auf, Pulver rein, umrühren, fertig – so stellen sich die meisten Softeis vor. Wir versuchen hier zu zeigen, dass es auch anders geht. Und genau das macht uns auch einzigartig.“
David nennt sein Softeis liebevoll „Next-Level-Softeis“ und das sieht nicht nur er so, denn auch die Presse hat sein Konzept entdeckt, so widmete zum Beispiel das Gourmet-Magazin „Feinschmecker“ Paul Möhring kürzlich einen Artikel.
Kenne dein Produkt und bleib dabei!
Lage, Lage, Lage – und die von Paul Möhring am Hackeschen Markt ist sehr zentral, ergo: teuer. „Mieterhöhungen gehen auch an mir nicht vorbei. Erst recht nicht bei so einer guten Innenstadt-Lage,” erklärt uns David, als wir ihn fragen, wie er ganzjährig als Eisladen überleben kann. Nichtsdestotrotz rät David jedem Gründer: „Kenne dein Produkt, bleib dabei und zeige einen langen Atem.“ Nach zwei Jahren fühlt sich David angekommen und weiß, wie er sein Konzept so weiterentwickeln kann, dass es trotzdem noch seine Handschrift trägt.
Diesen Sommer ergänzt er sein Eisangebot daher mit hausgemachten Milkshakes, wie dem „Bombay Glory Milkshake“ mit „Whole Bean Vanilla Ice Cream“, indischer Alphonso-Mango und kandierten Fenchelsamen, oder dem „Masala Chai Milkshake“ mit hausgemachtem Masala Chai nach traditionell Indischem Familienrezept und Karamell-Crunch-Keksstaub. Im Winter gibts bei Paul Möhring, in Anlehnung an das Vanille-und Schoko-Softeis, einen hausgemachten NY Cheesecake und einen „Dark Chocolate Cheesecake“. Bei der Rezeptur half David die bekannte Schöneberger Kuchenmanufaktur Koriat. Den Kaffee bezieht David von Bonanza Coffee in Kreuzberg.
Unter anderem mit Tartes mit den Softeis-Toppings wappnet sich Paul Möhring fürs Geschäft in kühlen Monaten
David kennt sein Konzept, weiß, welche Qualität er verkaufen will, verkauft seine Produkte mit Herz und Know-how, ist mit seinen Eiskreationen einzigartig und obendrauf ein äußerst sympathischer Gastgeber. Da kann man nur sagen: Weiter so. Wir kommen sicher wieder.
Paul Möhring
Oranienburger Straße 84
10178 Berlin
