Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einer Eisdiele, einer Eismanufaktur und einem Artisan Ice Cream Shop? Wie kann ein Laden bei den Berliner Mietpreisen mit Eiskugeln für 1,50 Euro überleben? Und wie kommen eigentlich die Cheesecake-Stückchen in das Eis?
In Berlin stehen heute erfahrene Pâtissiers, Restaurantleiter aus der Spitzengastronomie oder erfolgreiche Physiker hinter den Eisdielen-Tresen und reichen Sorten wie „Whole bean Vanilla Ice Cream mit maple glazed bacon and whiskey sauce“ aus recyclebaren Zuckerrohr-Schalen.
Wir trafen die Köpfe von fünf der zur Zeit angesagtesten Eismanufakturen Berlins: Gimme Gelato, Woop Woop Ice Cream, Paul Möhring, Jones Ice Cream und Tenzan Lab. Dort erfuhren wir, wie man trotz außergewöhnlich hoher Kosten ganzjährig überleben kann, trafen auf beeindruckende Menschen, spannende Lebensläufe, einzigartige Konzepte und vor allem: atemberaubendes Eis. In Teil zwei unserer Reihe stellen wir vor:
Woop Woop Ice Cream – die Stickstoff-Spezialisten
Philipp Niegisch, Betriebswirtschaftler, und Boris König, Physiker (mittlerweile aus dem Unternehmen ausgeschieden), lernten sich in einer Entrepreneurship-Vorlesung an der Freien Universität Berlin kennen. Schnell wurde beiden klar, dass sie nicht in einem Physiklabor oder in der Industrie arbeiten wollen. Im Frühjahr 2014 gründeten sie daraufhin die Marke Woop Woop Ice Cream und feilten zunächst über ihren Foodtruck-Verkauf an dem Konzept. Für dieses erhielten sie 2015 den „Gastro-Gründerpreis“ und waren 2016 Finalisten beim Gastro Startup-Wettbewerb. Ihren Standort in der Rosenthalerstraße eröffneten sie im Herbst 2016.
Frische Zutaten, minus 196 Grad kalter Flüssigstickstoff und eine atemberaubende Show direkt vor dem Gast. „Durch die Schockfrostung entstehen kleinstmögliche Eiskristalle und somit ein sehr cremiger Schmelz,“ erklärt uns Philipp im Dampf verschwindend. Jeden Monat gibt es fünf neue Eiskreationen. Probieren durften wir das vegane „Coconut & Maracuja-Black Sesam Swirl“ und „Vanilla Cherry Pie & roasted Almonds“. Die Preise variieren zwischen 3,90 Euro und 6,40 Euro.
„Wir liegen hier im etwas höherpreisigen Segment, allerdings stecken hinter unserem Eis hochwertige und exotische Zutaten, viel Arbeit, Energie, Leidenschaft, Wissen und handwerkliche Kunst,” so Philipp. Großer Vorteil sei, dass man kein Kugeleis produziere, sondern dem Kunden einen frisch produzierten Eisbecher und ein gesamtes Eiserlebnis biete. „Die frische und spektakuläre Live-Produktion bietet einen großen Mehrwert für den Kunden, insbesondere wenn wir ihm nahe bringen, dass unser Eis durch diese Produktionsweise so unglaublich cremig und geschmacksintensiv wird. Dadurch können wir uns gut von der Kleinpreisigkeit distanzieren.“
Insbesondere die Verarbeitung von natürlichen und hochwertigen Inhaltsstoffen statt Aromen und Farbstoffen gewinne immer mehr an Bedeutung, hat er beobachtet. Und ebenso der Verzicht auf Milch- also tierische Produkte. „Aufgrund eines immer stärker werdenden Umweltbewusstseins unserer Kunden haben wir angefangen, viele vegane Sorten zu entwickeln, die ohne Milch und Sahne auskommen und trotzdem super cremig und geschmacksintensiv sind. Zusätzlich werden in Zukunft für uns die Themen Saisonalität, Regionalität und das Thema Verpackung sicherlich weiter an Bedeutung zunehmen“, so Niegisch. Löffel und Becher sind biologisch abbaubar, nächste Schritte soll etwas noch schneller Kompostierbares, eine Einbindung in echte Kreisläufe oder eben auch essbares „Material“ sein.
Für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter benötigt man aufgrund der komplexen Herstellungsmethode und dem handwerklichen Aspekt des Jobs (Zubereitung der Eisbasis, des Waffelteigs, der Saucen etc.) zwar mindestens einen Monat. Dafür sind viele Mitarbeiter schon seit mehreren Saisons dabei.
„Der Job bei uns ist körperlich und geistig anspruchsvoll, aber auch unglaublich befriedigend, da jeder Mitarbeiter lernt das Eis zu machen und so am kreativen Prozess direkt beteiligt ist. So nah am Produkt zu sein und vom Verkaufsgespräch mit dem Kunden über den Produktionsprozess bis zum Staunen und Mmmmmhh-hören des Kunden ist wahrscheinlich der schönste Teil des Jobs. Wenn dann noch Kunden vom besten Eis der Stadt oder ihres Lebens schwärmen, können wir uns getrost auf die Schulter klopfen“, erklärt der Chef.
Auf die Frage hin, wie er das Team bei Laune halte, erklärt er: „Unternehmerische Transparenz, ein offenes Ohr für Feedback und Verbesserungen, Team-Meetings, die Sommerfeier und Saison-Abschlussfeier gehören zu den Team-Highlights der Saison. Meistens enden diese mit verrückten Eis-Ideen und einem lauthals singendem Team zu den Backstreet Boys oder the Killers zu viel zu später Stunde im Laden. Nachbar-Beschwerden inklusive.”
In der Gastro-Branche geht es ja praktisch immer um Wachstum. Doch auch hier hat man sich bei „Woop Woop“, nach anfänglich expansiven Plänen, eine Alternative erarbeitet. Philipp berichtet: „2014 hatten wir das Unternehmen gegründet mit dem Ziel das Unternehmen in Form eines Filial- und Franchisesystems deutschland- oder sogar europaweit zu expandieren. Dieser Weg erfordert jedoch extrem viel Energie, Zeit und Risiko. Es muss mit Investoren zusammengearbeitet werden und das persönliche Leben, der Anspruch an Qualität und Individualität und die Rücksicht auf das operative Team müssen in so einem Expansionskurs oft hinten angestellt werden.“
Hinzu komme, dass mit jeder neuen Standort- und Investitionsentscheidung das ganze Unternehmen erneut auf Messers Schneide stehe. Letztendlich habe er sich die Frage gestellt, was die Motivation hinter solch einer Expansion wäre. „Und meine Antwort darauf war lediglich eine finanzielle Motivation oder externe Anerkennung. Persönlich glaube ich aber, dass es deutlich wichtigere Dinge im Leben gibt.“ Ergebnis: Er hat sich entschieden, mit dem zufrieden zu sein, was bisher geschaffen wurde und die Konzentration auf internes und organisches Wachstum zu setzen. „Ein großes Ziel ist es nun, das Unternehmen weiter in Richtung nachhaltigen Wirtschaftens zu entwickeln.“
Woop Woop Ice Cream
Rosenthaler Straße 3
10119 Berlin