Mit insgesamt 44 gastronomischen Betrieben zählt Mitchells & Butlers Germany (Ableger des britischen Pub- und Restaurantmultis mit 1.800 Outlets) zu den Großen der Branche. Bekannt ist das Unternehmen vor allem für seine Gastronomiemarke ALEX. Geschäftsführer von Mitchells & Butlers Germany ist Bernd Riegger, und er ist seit sage und schreibe 40 Jahren im Unternehmen tätig – das ist in der Gastro- und Foodservicebranche selten. Und in gewisser Weise spiegelt es die Beständigkeit wieder, für die auch ALEX steht.
Doch wie führt man eine Systemgastronomie in Zeiten schnelllebiger Foodhypes, boomender Produktneueinführungen und wechselnder Konsumbedürfnisse eigentlich? Wir haben mit Bernd Riegger über Servicestandards und Trends, über Mitarbeiterförderung und Currys gesprochen.
Herr Riegger, wofür steht die Marke ALEX im Jahr 2017?
Wir haben zwei Slogans: „Alex ist für alle da“ und „Das Leben ist schön“. Dafür stehen wir. Wir sind heute eine familienfreundliche Ganztagesgastronomie für alle, ohne Ausnahme. Früher, zu Alex-Anfangszeiten, waren wir ein spaßorientierteres Konzept – man durfte rauchen, die Leute kamen in großen Gruppen, es wurde vor allem Bier getrunken …
… das Vorbild war ja auch eine ostfriesische Kneipe, nachzulesen ist die Geschichte in „Tisch 17 is’n Arsch“ von ALEX-Gründer Irmin Burdekat …
… genau, aber als wir Alex 1999 gekauft haben, da haben wir schnell gesehen: Der Markt ändert sich und unsere Gäste werden immer älter. Das hat zu dem massiven Schnitt 2004 geführt, mit dem wir das Konzept komplett geändert, weg von den bunten Farben hin zum mediterranen Design und zu Essenslastigkeit. Vor dem Rauchverbot hatten wir einen Foodanteil von 30 Prozent, heute sind es 50 Prozent. Die Gäste haben heute auch andere Erwartungen an das Essen: Vor der Konzeptänderung waren simple Baguettes das Hauptfood. Die haben wir zwar immer noch auf der Karte, weil sie einfach dazugehören bei uns, aber bestellt werden vor allem Steaks sowie asiatische und mediterrane Gerichte.
Als Unternehmen mit über 40 Betrieben hat man Markt- und Verhandlungsmacht. Was muss ein Produkt leisten und mitbringen, damit es in Ihrem Unternehmen eingelistet wird? Haben kleine Marken auch eine Chance?
Ich sage es mal so: Wir sind keine Trendsetter und wollen es auch nicht sein. Aber wir beobachten den Markt und verstärken Trends gerne. Beispiel Craft-Bier: Das hat uns anfangs erstmal nicht interessiert, aber als wir gesehen haben, dass es sich etabliert, da haben wir geschaut, was wir davon für ALEX übernehmen können. Bei Red Bull war es übrigens genauso, das gab es lange nicht bei uns. Irgendwann war klar, das brauchen wir jetzt auch.
Aber wie kommt ein Produkt auf die Karte?
Wenn wir ein Potenzial darin sehen, dann führen wir es erst einmal mit einer Promotion ein. Und wenn wir dann sehen, dass es angenommen wird, dann kommt es gegebenenfalls in unser Programm.
Ich weiß von anderen Gastronomiesystemen, dass sie viel Marktbeobachtung und Produktentwicklung betreiben. Wie sieht das „Research and Development“ bei Ihnen aus?
Wir sind eine sehr junge Firma, sowohl was die Mitarbeiter als auch was die Gäste angeht, unsere Hauptzielgruppe ist zwischen 20 und 35 Jahren alt. Wir bekommen viel Feedback aus den Betrieben, nutzen soziale Medien und nehmen Infos auf, wo wir es nur können. Wenn uns ein Betrieb meldet, dass die Gäste vermehrt etwas Bestimmtes wollen oder nachfragen, dann reagieren wir darauf.
Wie viele Mitarbeiter haben sie aktuell?
Das schwankt saisonal, im Winter rund 2.000, im Sommer 2.500 und wir hoffen natürlich, dass der Herbst schön wird (lacht). Man muss wissen, dass wir mittlerweile ganzjährig Außengastronomie betreiben. Unsere Terrassen bauen wir nur noch zum Teil ab. Entsprechend brauchen wir auch mehr Personal.
Und das schulen sie inhouse.
Ja. Mitarbeiter am Markt suchen wir eigentlich immer nur auf dem Einstiegslevel. Eine Anzeige „Wir suchen einen Betriebsleiter“ werden Sie von uns nicht sehen. Denn die Weiterbildung findet zum Beispiel in unserer eigenen „Academy“ in Taunusstein statt. Die durchlaufen jährlich rund 400 bis 500 Mitarbeiter, ein Riesenpfund für uns. Dort können wir unsere Identität rüberbringen, bilden Mitarbeiter zu Schichtleitern oder für das Management aus, wir haben wirklich viele Karrieremöglichkeiten zu bieten.
ALEX wurde vom Magazin Focus in diesem Jahr zum Testsieger der Studie „Deutschlands beste Jobs mit Zukunft“ im Bereich Gastronomie gekürt. Was macht diese Identität aus, von der Sie sprechen?
Wir haben unter anderem Hierarchien weitgehend abgebaut. Wir sind alle per du, jeder trägt Verantwortung, jeder hat Kompetenzen.
Können Sie mir bitte ein Beispiel geben?
Nicht nur der Betriebsleiter hat das Recht, dem Gast im Beschwerdefall den Preis zu erlassen oder einen Cappuccino aufs Haus anzubieten, das Recht hat jeder Mitarbeiter. Niemand muss erst zum Vorgesetzten rennen.
Was den Mitarbeitern auch vor dem Gast ein ganz anderes Standing gibt. Sprechen wir über Servicestandards. Die sind in der Systemgastronomie, denke ich, sehr wichtig. Ich persönlich mag sie. Zum Beispiel freue ich mich immer, wenn ich bei Muji einkaufen gehe, mit meiner Karte zahle und diese anschließend vom Mitarbeiter mit beiden Händen und leicht gebeugtem Kopf zurück erhalte – dieser kurze höflich-asiatische Augenblick.
Bei uns ist das ein handgeschriebenes „Danke“ oder ein Smiley auf jeder Rechnung. Damit signalisieren wir dem Gast, dass wir es schön finden, dass er sich für uns entschieden hat. Es hat allerdings auch etwas gedauert, bis wir das überall umgesetzt bekommen haben.
Wie sind Sie darauf gekommen?
Das war vor 20 Jahren in den USA schon oft zu sehen. Haben wir uns dort abgeguckt. Man muss ja nicht immer alles selbst erfinden (lacht).
Warum wollen Sie eigentlich nicht stärker expandieren? Die Finanzkraft ist ja vorhanden, allein den Umsatz konnte Ihr Unternehmen 2016 um rund vier Prozent auf 105,6 Mio. Euro steigern.
Wir expandieren ja. 2018 werden wir den dritten Berliner Betrieb eröffnen, in der „Mercedes-Benz Arena“, und es werden weitere kommen. Unser Flaschenhals sind Lagen, in denen wir unser Konzept auch profitabel umsetzen können.
Was sind Ihre heutigen Standortanforderungen?
Über 100.000 Einwohner, Lage in oder an einer Fußgängerzone und ein gut einsehbares, frauenfreundliches Objekt. Frauen gehen nämlich, das haben wir in unseren Marktstudien herausgefunden, nicht gerne in Gastronomien, in die man von außen nicht gut reinschauen kann.
Wenn ich an ein Objekt denke, das diese Standortanforderungen hervorragend erfüllt, dann denke ich an die „All Bar One“ in Köln, die ja auch zu „Mitchells & Butlers“ gehört. Hell, zentral, große Glasfronten. „All Bar One“ ist ein Konzept, das in England ja speziell für eine weibliche Zielgruppe entwickelt worden ist. Warum wurde dessen Expansion in Deutschland eigentlich nie vorangetrieben?
Die „All Bar One“ wurde 2002 eröffnet, da befanden sich die „ALEX“-Betriebe noch in ihrer grünen Farbgebung. Das Konzept haben wir dann, wie gesagt, grundlegend verändert und sind damit in die Expansion gegangen. Eigentlich unterscheiden sich die „All Bar One“ und die heutigen „ALEX“-Betriebe nicht mehr voneinander. Mittlerweile sind wir an dem Punkt, dass wir jede Projektentwicklung komplett individuell machen, immer auf die jeweilige Lage abgestimmt. Jeder Betrieb ist darum ein bisschen anders.
Wenn ich das nächste Mal zu „Alex“ gehe, was sollte ich mir bestellen?
Ich finde unsere Burger und Steaks sehr gut. Aber auch die Currys! Dieses Thema wird in Deutschland ja nicht besonders aufmerksam behandelt. Hier haben wir den Vorteil, zu einem britischen Unternehmen zu gehören und die Zutaten aus England beziehen zu können, wo es eine andere Currykultur gibt.
Vielen Dank, Herr Riegger.
Mehr Informationen:
www.dein-alex.de