Nicht nur der Kaffee soll gut sein. Auch sein Behältnis: Den Einweg-Kaffeebechern, derer rund 320.000 pro Stunde in Deutschland verwendet werden und die bestenfalls im Müll landen, soll es an den Kragen gehen. Von individuellen Café-Lösungen über kommunale Mehrwegsysteme bis zum Pflichtpfand für den Wegwerf-Becher ist derzeit vieles im Gespräch oder schon in Nutzung.
Freiburg. Mal wieder, könnte man sagen – gilt die sonnige Stadt im Südwesten doch schon immer als Vorreiter, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht, zum Beispiel bei der Nutzung von Solarenergie. „Wir haben auch international das Image als grüne Stadt“, bestätigt Dieter Bootz, zuständig bei der kommunalen Abfallwirtschaft und Stadtreinigung für Öffentlichkeitsarbeit – und für das Projekt FreiburgCup, das es seit 2016 gibt. Ausgangspunkt: „Das Müllaufkommen durch Einwegbecher hatte merklich zugenommen und wurde zur Belastung für die Stadtsauberkeit“, berichtet er.
Die Idee, einen stabilen Pfandbecher in die Stadt zu bringen, hat man sich bei Großveranstaltungen wie Festivals abgeguckt, wo sie schon seit vielen Jahren erfolgreich im Einsatz sind. Die Suche nach einem geeigneten Becher habe einige Zeit in Anspruch genommen, entschieden hat man sich schließlich für die Produkte von Cup Service aus München. „Es hat uns sehr gefreut, dass 15 Vertreter aus der Gastronomie zum ersten Treffen gekommen sind und uns auch bestätigt haben: Coffee-to-go ist nicht nur relevanter Teil des Umsatzes, sondern auch des Mülls“, so Bootz.
Schon vier Wochen nach dem Start von „FreiburgCup“ habe man, auch dank des lokalen medialen Interesses, 40 Partner im Boot gehabt, heute sind es über 110. Sie alle bieten die Becher gegen ein Pfand von einem Euro in ihren Cafés, Restaurants, Backstuben, Eisdielen, Ladengeschäften und Supermärkten an, gebrauchte Becher nehmen sie entgegen, spülen sie, händigen saubere Becher aus. 30.000 „FreiburgCups“ wurden seit Beginn in den Umlauf gebracht, rund ein Fünftel, schätzt Bootz, seien dem Pool bislang verloren gegangen – weil Touristen sie als Souvenir mitgenommen haben: „Aber der Becher trägt ja auch eine Botschaft und erreicht so auch etwas.“
Nicht erreicht habe man mit dem Becherthema bislang die Ketten-Filialen der Großen in der Stadt. „Bei Systemen wird es aus Marketing-Gründen oft abgelehnt, fremde Becher ins Regal zu stellen. Sie wollen ihr Logo auf dem Becher“, so Bootz. Eine Verpflichtung zum Mitmachen gibt es nicht, es läuft auf freiwilliger Basis.
Es ist noch reichlich Luft nach oben vorhanden: Eine merkliche Abfallreduktion konnte man bei einer Mitarbeiterbefragung bislang nicht bestätigen, erklärt der Projektbeauftragte. „Eine Schärfung des Bewusstseins im Umgang mit Einweg haben wir aber sicher erreicht.“ Nächstes Ziel ist die Einführung eines Mehrweg-Deckels, der in den teilnehmenden Betrieben dann ebenfalls gegen Pfand – 50 Cent werden avisiert – ausgehändigt wird. Bislang hat sich kein brauchbares, von den Kunden akzeptiertes Produkt finden können, in diesem Jahr soll nun eine praktikable Lösung eingeführt werden.
Aus einer Göttinger Schule ins ganze Land
Der „FreiburgCup“: ein Pilotprojekt, das Schule macht. Berufsbildende Schule, um genau zu sein: Denn, inspiriert von den Freiburgern, hat die Lehrerin Sibylle Meyer aus Göttingen das Thema Mehrweg-Becher in ihre Einrichtung gebracht. „Berufsschüler sind typische Coffee-to-go-Kunden“, erklärt sie. Aus der Idee wurde eine Abschlussarbeit des Abiturjahrgangs 2017 und dann ein „social business“: der FairCup. Weil die örtliche Abfallwirtschaft sich nicht beteiligen wollte, entwickelten die Schüler sogar einen eigenen Finanzierungsplan und stellten einen ersten Becher vor.
Der allerdings fiel in der Praxis durch: Zu klein für einen Cappuccino, der Deckel aus kompostierbarem Material nicht alltagstauglich … doch aufgegeben hat man nicht und eine Evaluation gestartet. Leicht, bruchsicher und stapelbar muss er sein, der „FairCup 2.0“, ergab diese. Vom ursprünglich verwendeten Bio-Kunststoff ging man weg, weil er dem Ziel der sehr häufigen Wiederverwendung nicht genüge trug. Recycelbares Polypropylen ist nun die Basis – Becher, die ausgemustert werden, können zu Granulat zerkleinert und erneut zu einem Becher geformt werden. Auch die Aufdrucke verschwanden, sie führten beim Spülen zu Verunreinigungen. Mit seinen „Kirchenfenstern“ hat er nicht nur eine Hitzebarriere, sondern fühlt sich fast wie ein Macchiato-Glas an.
„Wir wollen, dass die Becher wieder und wieder benutzt werden“, so Sibylle Meyer. Ende 2017 hat man die zweite Version des „FairCup“ in den Umlauf gebracht. Der wird sogar von Automaten akzeptiert – weswegen auch das Studentenwerk, ebenfalls ein to-go-Großanbieter, mit dabei ist, ebenso Supermarktketten. Der „FairCup“ hat es über die Stadt hinaus nach ganz Niedersachsen sowie in angrenzende Bundesländer geschafft, 25.000 Becher sind derzeit bundesweit unterwegs – und mancherorts werden sie sogar für andere Produkte wie to-go-Desserts verwendet. Was die Freiburger noch vor sich haben, nämlich einen Mehrweg-Deckel in den Pool zu bringen, haben die Göttinger schon erreicht: Den Becher (in Deziliterschritten von 0,2 bis 0,5 Liter Füllmenge erhältlich) händigen die Betriebe für einen Euro Pfand, sein Topping für 50 Cent aus. Im Raum Göttingen, allein hier nutzen über 100 Betriebe den „FairCup“, holt ein Dienstleister die gebrauchten Becher ab und reinigt sie professionell.
Die Stadtjacke als Mehrweg-Becher: Recup
Den größten Kaffee-Mehrweg-Pool bietet derzeit Recup an. Ein Startup aus München, dessen Behälter deutschlandweit an 1.900 Standorten (Stand Dezember 2018) im Einsatz sind. Kaffeebar-Ketten wie „Coffee Fellows“, „Meyerbeer“, aber auch der Bio-Supermarkt „Basic“ und die „Allianz“-Versicherung akzeptieren die mintgrünen bzw. braunen Becher in den Größen 0,2, 0,3 und 0,4 Liter, zudem gibt es Städte-Editionen: Berlin hat einen Recup-Becher, einen für Sylt, einen für den Bodensee, für Wolfsburg oder Rosenheim – im unteren Bereich der Behältnisse finden sich stilisierte Silhouetten der jeweiligen Stadt.
RECUP-PARTNER ERKLÄREN RECUP from RECUP.de on Vimeo.
Der Pfandpreis beträgt auch hier einen Euro, teilnehmende Betriebe entrichten pro Tag und Standort einen Euro Systemgebühr. Der Deckel ist wie der Becher aus Polypropylen – aber er ist nicht Teil des Pfandsystems, sondern wird individuell in den Partnerbetrieben verkauft (UVP: 1,30 Euro). Grund: Die Lebensmittelunternehmer sind selbst für die Reinigung verantwortlich. „Je nach Gastro-Spülmaschine können nämlich nicht alle Partner garantieren, die vielen Ecken und Kanten der Deckel wirklich immer zu 100% blitzeblank reinigen zu können. Da ist es doch viel angenehmer, einen eigenen und somit hygienisch absolut immer einwandfreien Deckel zu haben“, macht man dieses seinen Kunden auf der Webseite schmackhaft.
Gastrobeispiel Elbgold Hamburg: lieber individuell
In Hamburg ist auch ein Recup-Mehrweg-Kaffeebecher im Umlauf, fast 100 Betriebe bieten ihn an. Das Elbgold mit seinen derzeit sechs Outlets nicht dazu, man akzeptiert die Becher aber. „Wir füllen überall unseren Kaffee rein, auch in Starbuck’s-Becher“, so Gründerin und Geschäftsführerin Annika Taschinski. Was sie festgestellt hat: Der Gast akzeptiert Mehrweg zwar mit stetigem Wachstum, hat es lieber persönlich. „Die Leute wollen individuelle, eigene Becher. Er ist fast ein Accessoire“, so.
Deswegen füllt man gerne die mitgebrachten, eigenen to-go-Mehrwegbecher und gewährt dafür einen Rabatt von 30 Cent – ein Prinzip, das sich in vielen Individualbetrieben durchsetzt. Außerdem bietet man im hauseigenen Shop/Webshop gebrandete Mehrwegbecher namhafter Hersteller in unterschiedlichen Formen und Größen an, so den „Eco Cup“ aus Bio-Bambusfasern, den „Keep Cup“ aus Glas bzw. Metall sowie den isolierten „Kinto Travel Tumbler“ aus Edelstahl. Auch die Kaffeebohnen gibt es 30 Cent günstiger, wenn Kunden eigene Dosen mitbringen.
„Wir bieten die Möglichkeit, sich Kaffee in den Mehrwegbecher füllen zu lassen, seit Tag eins an, seit 14 Jahren“, erklärt die Chefin. Rechtlich gesehen sei es ja eine Grauzone, doch die Hamburger Ämter sähen es entspannt, fügt sie hinzu. Und durch die verstärkte mediale Berichterstattung, so hat sie beobachtet, komme nun noch mehr Schwung in die Sache: „Die Kunden sind sensibilisiert, und das ist wichtig. Das Thema muss noch viel größer werden. Jeder trägt Verantwortung, Müll zu reduzieren.“
Should I go – or should I stay?
Den vermutlich am weitesten gedachten, müllreduzierenden to-go-Becher gibt es derzeit von einem Berliner Startup: Kaffeeform stellt seinen „Weducer Cup“ wie sämtliche seiner Produkte aus recyceltem Kaffeesatz (der aus verschiedenen Cafés und Gemeinschaftsverpflegungen abgeholt wird) und nachwachsenden Rohstoffen her. Verkauft werden die Becher unter anderem im mit dem „Deutschen Gastro-Gründerpreis 2018“ ausgezeichneten Isla Coffee Berlin, das vor einigen Monaten seinen zweiten Laden in der Rosa-Luxemburg-Straße in Berlin-Mitte eröffnet hat. Die Gründer Peter Duran und Philipp Reichel verkaufen und akzeptieren nicht nur den to-go-Becher aus Kaffee, sondern nutzen auch die Espresso-, Cappuccino- und Milchkaffee-Tassen von „Kaffeeform“. Mit großem Erfolg: „Die Tassen setzen eine schöne Patina an, aber kaputt gegangen ist uns noch nicht eine einzige“, so Duran.
Stichwort Kaffeetasse: Die vermutlich beste Lösung gegen die Verwendung von to-go-Bechern ist die Wahl der guten alten to-stay-Variante. Findet auch Annika Taschinski: „Rabatt alleine sollte nicht der Anreiz sein. Statt dessen sollte man seine Gäste öfter einladen, ihren Kaffee doch mal wieder in der Tasse zu genießen.“
Dieser Beitrag erschien zuerst im Kaffee-Fachmagazin barista.
3 Kommentare
Ich bin auch total für Nachhaltigkeit, auch im Getränkeautomaten. Die Übernutzung von Pappe und Plastik wird in dem Bereich total unterschätzt. Super zu wissen dass derzeit 25.000 dieser Fair Cups schon bundesweit unterwegs sind! Vielen Dank für den Artikel!
Danke für den Artikel über Mehrwegbecher. Ich habe mich nie wirklich mit dem Thema auseinander gesetzt, aber mein Freund hat letztens davon gesprochen. Wir gehen normalerweise auf einen Kaffee aus und wir suchen beide nach Wegen, wie wir freundlich zur Umwelt sein können. Deswegen ist es echt gut, dass ich diesen Beitrag gefunden habe. Sehr hilfreich!
Pappbecher sind quasi ein Politikum, nachhaltige Lösungen sind sicherlich besser. Mehrwegbecher können dazu beitragen, Müll im öffentlichen Raum zu reduzieren, und sind eine modernere Lösung für diesen Bedarf.
Gerade wer schon einmal Kaffee aus dem Pappbecher verschüttet hat, wird Gefallen an verschließbaren Bechern finden.