Wie man aus einer todgeweihten Brauerei eine moderne Craft-Bier-Marke macht: Bœheim

von Redaktion
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Das Design der „Bœheim Bar“ entstand in Zusammenarbeit dem Wiener Architekturbüro „zirup“

„Die Brauerei war dem Untergang geweiht. Sie hatte keine Kunden mehr. Wir haben nichts zu verlieren.“ Sagt Claus Weiß und lächelt.

Klingt defätistisch, aber: Es sieht nicht  nach Niederlage aus, eher nach einem ersten kleinen Sieg. Wir sitzen uns gegenüber in einer vollen Craft-Bier-Bar. Seiner vollen Craft-Bier-Bar, der „Bœheim Bar“ in der Klaragasse im Herzen von Nürnberg. Er betreibt sie seit einem halben Jahr zusammen mit seinem Bruder Ralph und Thomas Hauer. Die „Bœheim Bar“ ist ein ziemlich cooler Laden: modernes Design, helles Holz, extrem gute Raumakustik (im zweiten, hinteren Raum werden auch regelmäßig Turntables aufgebaut). Kein Vintage, kein ostentatives Handmade-Gedöns, das findet der Besuch aus Berlin sehr angenehm. Eyecatcher ist der „Bieraltar“ aus Messing mit sieben Zapfhähnen.

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Man sieht es nicht, aber man hört es: die Raumakustik in der „Bœheim Bar“ ist hervorragend

Zwei Optionen: Pleite gehen – oder durchstarten

Mit Gastronomie kennt man sich aus: Claus Weiß macht auch das Acai-Café „Daddy Long Leg“ in München; sein Bruder besitzt den angesagtesten Burgerladen Nürnbergs, die „Kuhmuhne“. Dass sie eine Craft-Bier-Bar eröffnet haben, kam so: Ihr Vater Martin ist schon seit langer Zeit Gesellschafter der Brauerei „Boeheim“ in Pegnitz, einer fränkischen Kleinstadt, rund 60 Kilometer von Nürnberg entfernt, kurz vor Bayreuth. Eine jener vielen typischen fränkischen Kleinbrauereien.  Vor rund sechs Jahren übernahm Familie Weiß die Brauerei ganz. Was allerdings kein großes Geschäft versprach: „Die Brauerei lief defizitär“, erklärt Weiß junior mir. Es gebe, erklärt er mir auch, in der Region überhaupt nur zwei Arten von Brauereien: Solche, die laufen – dann ändern sie nichts und solche, die nicht laufen. „Und wenn die sich nicht ändern, dann gehen sie pleite.“ Dieses Schicksal der Schließung hätte der 1923 eröffneten Boeheim-Brauerei (deren Geschichte hier nachzulesen ist) wohl auch gedroht, hätte man nicht was ganz Neues aufgezogen. „Ich kenne keine Brauerei, die einen so radikalen Schritt gemacht hat wie wir.“

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Ein Helles aus einem formschönen Glas, das Tasting-Style hat und doch rustikal genug für die Gastronomie ist

Vom Fass: Helles, IPA und Flinderer

Der radikale Schritt heißt Craft-Bier, das zwischenzeitlich zu boomen begann. Vom Hahn werden die drei hauseigenen Biersorten Hell, IPA und Flinderer gezapft. Das IPA ist komplett neu, Hell und Flinderer setzen auf alten Sorten auf, erhielten aber ebenfalls neue Rezepturen. Ohne diese zu kennen, kann der Besuch sagen:  Das hat sich gelohnt. Alle drei Biere schmecken ausgezeichnet, haben klaren Charakter, überfordern aber nicht. Das IPA betäubt Gaumen und Zunge nicht (wie so oft) mit nachhaltiger Bitterkeit. Heißt: Man kann noch eins bestellen. Das Flinderer, ein Zwickel-Typus, ist angenehm säuerlich-süffig (die Geschichte hinter dieser lokalen Spezialität gibt es hier) und das Helle ist einfach g’scheit. Sagt man doch so hierzulande, oder? Hinzu kommen wie in so vielen Craft-Bier-Konzepten Flaschenbiere aus allen Himmelsrichtungen und Highballs gibt es auch. Wer Hunger hat, greift zum Hot Dog. So interpretiert man in Franken das Traditionsthema Wirtshaus neu. Und es soll nicht bei diesem Outlet bleiben: Eine Bierhalle in der Nürnberger Brunnengasse wird gerade gebaut, und auch in München schaut man sich um. Gerade hat man entschieden, rosa Bierkästen einzuführen, und die Bierhalle wird rosa gefliest.

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Blau wie in einer Olafur-Eliasson-Ausstellung ist es im WC der Bar

Das Klo, man sieht es, ist ein einziger „blue room“. Solche schrägen Sachen könne man sich leisten: „Wir haben nichts zu verlieren“, sagt Weiß noch mal. Stimmt wohl. Man kann nur gewinnen.

Mehr Infos:
www.boeheim.de

 

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