#restartgastro 2020, Teil 6: Bricole, Berlin

von Jan-Peter Wulf
bricole - management, konzepte, gastronomie #restartgastro 2020, Teil 6: Bricole, Berlin

Fotos: Redaktion

Dass man im Kiez so verwurzelt ist, kam dem „Bricole“ im Corona-Lockdown zugute – und dem Kiez auch. Und seit der Wiedereröffnung läuft der Betrieb sogar entspannter ab. Warum, das erfuhren wir beim genussvollen Termin vor Ort. 

Dreieinhalb Jahre gibt es das „Bricole“ im Prenzlauer Berg schon – höchste Zeit, ihm mal einen Besuch abzustatten. Wir sind zwar die ersten Gäste an diesem Abend, aber schon bald ist das Restaurant drinnen wie draußen gut gefüllt. Wobei natürlich alle Abstands- und Platzanzahlrichtlinien eingehalten werden, der Service trägt Mund-Nasen-Schutz, auf den Tischen steht Desinfektionsspray. Alles bestens.

Wie geht’s? Gründer und Gastgeber Fabian Fischer: „Eigentlich echt gut. Es läuft fast so gut wie vor Corona.“ Entspannter sogar. Warum das? „Früher hatten wir viel mehr Peaks am Wochenende, berichtet er, „jetzt verteilt es sich schön gleichmäßig auf alle Öffnungstage.“ Die aktuell 20 Plätze werde man voraussichtlich nur auf 24 aufstocken, wenn das wieder erlaubt ist – sieht ja derzeit schon danach aus. Und statt double seatings werde man auch dann nur eine Reservierung pro Tisch und Abend annehmen – für das Team in Küche und Service sei es wesentlich entspannter, wenn man nicht das letzte Sechsgangmenü erst ab 21:30 losschicken müsse.

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Betreiber und Gastgeber Fabian Fischer

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200 Weine hält man vor, Schwerpunkt Deutschland

Wie erklärt sich der Gastgeber diese gleichmäßigere Verteilung der Gäste an den Abenden? „Vermutlich gehen jetzt mehr Leute unter der Woche essen, weil es dann generell etwas ruhiger ist, das fühlt sich für viele Gäste besser an“, so Fischer. Dieser Effekt stellt sich im „Bricole“ deswegen wohl besonders ein, weil es schon immer relativ wenige touristische Gäste hat. Exakt 28% der Reservierungen – modernes Kassensystem ist eben modernes Kassensystem – kommen derzeit von Postleitzahlen außerhalb der Stadt, so Fischer. Ein paar Meter die Senefelderstraße südwärts, jenseits der Danziger Straße, wo sie Kollwitzstraße heißt, ist das Verhältnis oft eher umgekehrt. Was es für viele Gastronomien dort gerade nicht gerade leicht macht.

Das „Bricole“ setzt auf „Casual Fine Dining“. Hohe Qualität zum fairen Preis. Bei fünf Gängen mit Weinbegleitung liegt man  hier noch unter 100 Euro, bei sechs Gängen nur knapp darüber. Die Menüs wählen die Gäste entweder mit Fleisch und Fisch oder vegetarisch; einige Speisen finden sich in beiden Menüs wieder. In unserem Fall zum Beispiel die Pfifferlinge mit Kartoffel und Schnittlauch. Alle paar Wochen wechseln einzelne Speisen, rund vier- bis fünfmal im Jahr erneuert sich die Karte auf diese Weise rundum. Gestartet ist man übrigens mit Tapas-Speisen und als „Bar Hors D’Oeuvre“, es stellte sich aber schnell heraus: Den Leuten schmeckt es hier so gut, sie wollen größere Portionen und richtig essen hier. Wer möchte, kann auch heute noch gegen Korkgeld-Zahlung seinen mitgebrachten Wein trinken. Das hat etwas Nachbarschaftliches, und das aus gutem Grund: Das „Bricole“ ist vor Ort verwurzelt. 

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Vorspeisengang: Geflämmter Lachs …

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… oder geflämmte Topinambur

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Kalbsbries auf Ochsenschwanz-Sud mit Erbse und Radiser

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Onglet mit Petersilienwurzel, Chimichurri und Kirsche

Was dem Restaurant – und der Nachbarschaft – im Lockdown zugute kam. Als Mitte März geschlossen werden musste, verharrte man nur kurz in einer Schockstarre. Fischer: „In der zweiten Woche haben wir uns gesagt: Wir müssen jetzt doch mal was machen.“ Ein Lieferservice kam für das Restaurant nicht in Frage, wohl aber Nahversorgung: die Stammgäste konnten zwar nicht ins Restaurant kommen, wohl aber ans Restaurant – durchs Fenster verkauften Fischer und sein achtköpfiges Team um Küchenchef Steven Zeidler Leckeres in Litergläsern: Wildgulasch, Königsberger Klopse vom Kalb, Bouillabaisse, Spargelragout, kleine Beilagen in Gläschen dazu und Wein. Alles, was ein sehnsüchtiger Gast zu Hause eben so braucht. „Wir haben das an einem Samstag getestet und waren kurz nach Mittag ausverkauft“, so Fischer.

Danach gab es die „Feinkostwirtschaft Bricole“ jeweils vier bis sechs Stunden am Tag – weswegen übrigens auch niemand das Team verlassen musste und das Kurzarbeitsgeld auf 100 Prozent aufgestockt werden konnte. „Wir mussten nicht an unsere Reserven ran. Das Außer-Haus-Geschäft hat uns gut durch die Krise gebracht. Wäre die Gastronomie nicht so schnell wieder eröffnet worden, hätten wir auch einen Onlineshop und Lieferung gestartet“, berichtet der ehemalige VWL-Student Fischer, der die Uni gegen die Gastro tauschte und nach mehreren Jahren Tätigkeit in den Restaurants von Roland Mary, „Borchardt“, „Grozs“ und „Café am Neuen See“ (dort zeitweise Restaurantleitung), das „Bricole“ Anfang 2017 eröffnete. Er blickt positiv in die Zukunft. Selbst wenn es noch mal zu einem Lockdown käme. „Dann haben wir jetzt einen komplett eigenständigen Geschäftszweig, den wir dann wieder nutzen können.“ Hoffentlich kann dieser Plan B trotzdem in der Schublade bleiben.

www.bricole.de

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