Buchkritik: Frauen an den Herd! Wie Spitzenköchinnen die Sterne vom Himmel holen

von Aida Baghernejad
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Foto: Aida Baghernejad

Stephanie Bräuer hat ein Buch geschrieben. Über Frauen in der Küche – Spitzenköchinnen ihr Weg nach oben, wo auch immer dieses „oben“ liegen mag. Denn wir lernen: Oben ist auch manchmal Definitionssache und jede dieser Frauen (vor allem aus dem deutschsprachigen Raum, aber nicht nur) hat ihren ziemlich eigenen Weg eingeschlagen.

In vierundzwanzig Interviews stellt Bräuer die unterschiedlichen Köchinnen vor. Dazu hat auch noch jede Köchin zwei Rezepte beigesteuert, die ihren Stil und ihre Hand… eh, Kochlöffelschrift zeigen. Gastronomie ist sowieso Bräuers Thema, das hat sie sich, nach Eigenangaben auf ihrer Webseite, nämlich „angeheiratet“ – ihr Ehemann ist ein bekannter Michelin-besternter Koch in München.

Und genau mit solchen Wörtern wie „angeheiratet“ sind wir schon bei einem der Grundprobleme dieses Bandes: Sicherlich ist das Buch mit den besten Absichten entstanden. Und natürlich stellt es vierundzwanzig sehr talentierte, großartige Frauen in den Vordergrund, denen man gar nicht genug Aufmerksamkeit schenken kann. Doch an diesem schweren Coffee-Table-Band merken wir auch: Wir stecken in einer Zeitenwende, in einem Umbruch. Die Codes ändern sich, die Sprache ändert sich, die Kämpfe und die Ziele ändern sich. Aber nicht jeder ist da schon mitgegangen.

Gold, Rosa, Männer

Für manche mag der Titel „Frauen an den Herd!“ ein charmantes Spiel mit einem Augenzwinkern sein, und ja, hoho, haha, da ist eine Pointe. Aber so ganz geht das Spiel nicht auf, wenn auch sonst kein Klischee und kaum eine Phrase ausgelassen wurde. Die Leitfarben? Pink, natürlich. Und Gold. Und Rosa auf den Seiten. Frauen mögen ja Glitzer und Pink, sagt man. Und es wird über Männer geredet. Sehr viel über Männer geredet. Über Partner, meistens auch romantische. Und manchmal, manchmal wirkt es, als ob die Initiative, jetzt über „starke Männer an der Seite“ der Protagonistinnen zu sprechen, nicht unbedingt von ihnen selbst kommt, sondern von der Autorin.

Keine Frage: Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein sehr wichtiges, eines, über das ganz unbedingt mehr gesprochen werden sollte – aber doch bitte nicht so. Bitte nicht ausschließlich bezogen auf das Normbild einer „Frau“, die sich um die Kinder kümmern will, an deren Schultern es hängt, alles zu schaffen – Karriere, Partnerschaft, Familie.

Bei der ganzen Debatte geht es außerhalb der Welt der Autorin schließlich nicht nur um die Emanzipation der Frau, sondern aller. Es geht darum, strukturell etwas zu ändern, es geht darum, dass Menschen jedweden Geschlechts Beruf und Familie, ja, auch diesen Beruf und Familie vereinen können sollen.

Doch über strukturelle Veränderungen soll hier nicht allzu viel gesprochen werden. In einem Interview zum Buch auf der Plattform „Wunderweib“ sagt Bräuer, dass sie sich selbst dabei „ertappt“ habe, Frauen immer zu fragen, wie es mit der Familienplanung aussehe, während sie das bei jungen Männern nicht mache. Solche Aussagen selbst sind schon als Erfolg der Debatten der letzten Jahre anzusehen.

Im gleichen Interview sagt die Autorin jedoch Dinge wie: „Kommen da [in eine Partnerschaft mit einer Person, die nicht in der Gastronomie arbeitet, Anm. d. Red.] Kinder dazu, muss der Mann sich abends um sie kümmern – und morgens bitte auch mit ihnen aufstehen. Da wird es dann völlig abstrus. Wenn es denn dann Männer gibt, die Elternzeit nehmen – fragen Sie sich mal, wie blöd die Arbeitgeber schauen. Das ist die Problematik.“

Nun ist es vielleicht noch so, dass es noch nicht in allen Teilen der Gesellschaft üblich ist, dass beide Partner Elternzeit nehmen, aber da scheint sogar die konservative Regierung weiter, die es ja finanziell unterstützt wenn Väter auch mindestens zwei Monate Elternzeit nehmen. An diesen Zitaten zeigt sich, was im Buch auch immer wieder durchscheint: Die Autorin versteht die Debatten der Stunde. Doch den nötigen nächsten Schritt, und zwar die strukturellen Probleme zu kritisieren, den nimmt sie nicht.

Und das ist auch nicht die einzige strukturelle Problematik in den Küchen: Tatsächlich wird der raue Umgang in der Küche in vielen der Interviews thematisiert und kritisiert, doch wird das mal offen, mal weniger offen mit der Frage verbunden, ob Frauen* nicht auch einfach ein bisschen härter im Nehmen sein müssen. Das kommt nicht unbedingt von der Autorin, doch sie führt, leitet und redigiert die Interviews im Buch, so fallen solche Antworten auch auf sie zurück.

Unwidersprochene Aussagen

Das patriarchalische Gesellschaftssystem, in dem wir alle eben leben, schleicht sich in alle Köpfe, da macht es auch vor Frauen* keinen Halt – auch Frauen* haben oftmals Mechanismen und Narrative verinnerlicht, die ihrem Geschlecht eine bestimmte Rolle zuweisen. Das ist nicht schlimm an sich, doch dies zu benennen und zu kritisieren ist wichtig, um in der ganzen Debatte um Emanzipation innerhalb wie auch jenseits der Küche nach vorne zu kommen. Klar, vielleicht ist dieser Band auch nicht der richtige Raum für solche Kritik, doch wenn solche Aussagen unwidersprochen im Raum stehen, tragen sie dazu bei ein ganz bestimmtes Bild von Frauen* weiter zu manifestieren. Und das möchte niemand, sicherlich auch nicht die Autorin.

Davon abgesehen stören auch immer wieder handwerkliche Entscheidungen Bräuers, die es dem Leser nicht unbedingt leicht machen: Ist das Buch jetzt für die geneigte Leser*in zu Hause gedacht? Für interessierte Laienköch*innen, wie es die Autorin selbst in der Einleitung sagt? Oder für Leser*innen aus dem Gastronomiesektor? Wenn es denn nun Ersteres sein soll, bleibt in den Interviews viel unausgesprochen. Es wird über die Karriereentwicklung und die verschiedenen Stationen auf dem Lebensweg der spannenden porträtierten Damen gesprochen, aber Namen bleiben ungenannt, Restaurants und ihre Relevanz werden nicht erklärt. Viel mehr liest man hier die Gespräche zwischen Frauen*, die tief verwurzelt sind in der gehobenen Gastronomie, die über eine gemeinsame Sprache verfügen.

Ein erster Schritt

Doch es soll nicht nur Kritik regnen: Es ist erst einmal lobenswert, dass eine solche Publikation überhaupt erst einmal konzipiert, geschrieben und verlegt wird. Und zwar auch in einem, und das steht jetzt hier völlig wertfrei, „Mainstream“-Kontext. Da, wo sich zwischen ARD Buffet und der Gala ein Klientel tummelt, das nicht unbedingt die aktuellsten Debatten verfolgt oder von ihnen sogar eher abgeschreckt ist. Dieses Buch ist alles andere als perfekt und die Post-its mit Fragezeichen, Ausrufezeichen und wütenden Kommentaren, die ich in mein Rezensionsexemplar geklebt habe, sprechen für sich.

Doch immerhin hat auch eine Stephanie Bräuer verstanden, dass es niemandem hilft, Frauen* auf bestimmte Rollen zu reduzieren. Auch irgendwie ein erster Schritt. Der zweite wäre es, diese Erkenntnis bitte auch umzusetzen.

Frauen an den Herd! Wie Spitzenköchinnen die Sterne vom Himmel holen 
von Stephanie Bräuer und Annette Sandner (Fotografin) ist erschienen im Christian Verlag, hat 240 Seiten, ca. 100 Abbildungen, hat ein Hardcover und kostet 39,90 Euro. 

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