Gastronomie und Hotellerie suchen händeringend Fachkräfte – Geflüchtete brauchen Ausbildung und Arbeitsplätze. Beides zusammenbringen möchte seit 2017 im Rhein-Neckar-Raum die Initiative Cook your future. Gegründet vom Unternehmer und Koch Frank Nuscheler, der Jugendagentur Heidelberg und Uschi Hummel, eine pensionierte Pädagogin der Hotelfachschule Heidelberg.
Cook your future ist ein Qualifizierungsprojekt, das Geflüchteten eine berufliche Integration in die Branche ermöglichen soll. In den letzten Jahren konnten bereits viele Geflüchtete in Betriebe vermittelt werden. Nun aber stockt das Projekt. Antje Urban spricht mit Frank Nuscheler über die politische Problematik und warum sich aus seiner Sicht dringend etwas an der Situation ändern muss.
Herr Frank Nuscheler, können Sie kurz erklären, was Cook your future sein möchte?
Ein Sprungbrett in unsere schöne Branche. Gastronomien sind eine tolle Anlaufstelle für Menschen aus anderen Ländern. Und nicht wenige Flüchtlinge bringen ein berufliches Interesse an der Gastronomie und Hotellerie mit. Manchmal sogar schon Erfahrung. Kommen diese allerdings unvorbereitet in gastronomische Betriebe, sind beide Seiten oftmals enttäuscht. Die Erwartungen sind unterschiedlich, häufig fehlt es an gegenseitigem Verständnis des jeweils anderen Kulturraums. Wir kennen beide Sphären. Wir stimmen die Geflüchteten auf die Ansprüche und Gepflogenheiten der deutschen Gastronomie ein.
Mit einem Kurs. Wie ist dieser aufgebaut?
Unser Kurs gliedert sich in drei Teile. Zunächst mit einer Art Auswahlverfahren, danach einem achtwöchigen Kurs, in dem wir Sprache und Kenntnisse vermitteln. Auch hier trennt sich meist die Spreu vom Weizen – beziehungsweise erkennen die Teilnehmer, dass sie lieber in eine andere Branche möchten. Im Anschluss folgt ein vierwöchiges Praktikum in einem Betrieb. Wenn alles gut gelaufen ist, geht es danach um die Ausbildungssuche. Die Kosten für unseren Kurs übernimmt das Jobcenter. Wir konnten seit 2018 schon viele Geflüchtete in die Branche vermitteln.
Bei einer Podiumsdiskussion, zu der Sie im November 2023 einluden, konnten Sie einige Flüchtlinge vorstellen, die bereits erfolgreich integriert sind. Was macht diese Menschen aus?
Für die meisten Geflüchteten ist die hauptsächliche Motivation, dass sie arbeiten wollen. Speziell die Menschen aus Afrika haben einzig den Wunsch, Geld in die Heimat schicken zu können. Die haben ein Persönlichkeitsprofil, das wir für unsere Branche dringend brauchen. Wer diese Warterei übersteht, ohne in die Depression oder Kriminalität zu verfallen, hat schon viel Resilienz und Gottvertrauen. Und es braucht Unterstützung vom Umfeld, denn leider: ohne deutsche Unterstützer, private Hilfe, schafft es so gut wie niemand. Und wenn anschließend das Jobcenter einer Lehre zustimmt und wir den richtigen Betrieb gefunden haben, ziehen die Menschen alles durch und wir haben kaum Abbrecher. Es muss allen langsam klar werden: Wir brauchen mehr Migration in die Branche.
Seit zwei Jahren aber finden Sie keine Flüchtlinge mehr für Ihren Kurs und somit auch nicht für die Branche?
Nun, zum einen war natürlich Corona ein Problem. Aber ein noch Größeres ist die Situation der Geflüchteten. Wenn Menschen aus Kriegsgebieten fliehen oder auf ihrer Flucht Schreckliches erlebt haben, ist die beste Bekämpfung von möglichen Traumafolgen, sie in eine Umgebung zu geben, in der sie sich positiv erfahren und ihre Potentiale leben können.
Dies geschieht sicher nicht in endlosen Wartezeiten, sondern oft in der Arbeit und im Kollegenteam. Wir bezahlen sehr viele Steuergelder dafür, dass die Leute nicht in Arbeit kommen. Wir beklagen uns, dass die Flüchtlinge so viel Geld kosten. Aber ein großer Teil des Geldes geht dafür drauf, die Menschen von der Arbeit abzuhalten. Stattdessen wird darauf gewartet, dass sie wieder gehen. Das tun sie aber nicht. Natürlich kosten Flüchtlinge Geld, wenn sie jahrelang nicht arbeiten dürfen.
Was ist denn die Gesetzeslage, die das verhindert?
Zunächst müssen die Geflüchteten einen verpflichtenden Integrationskurs besuchen, um Deutsch zu lernen. Dieser dauert bis zu anderthalb Jahre. Meist müssen die Teilnehmer noch ewig auf diesen Kurs warten, weil es zu wenige davon gibt. In dieser Zeit dürfen diese Menschen nichts anderes machen und sind eigentlich von der Außenwelt abgeschottet. Bislang war es auch so, dass Menschen, die eine geringe Bleibeperspektive haben, nicht arbeiten durften. Und dazu zählt der gesamte afrikanische Kontinent.
Das neue Migrationspaket bringt doch einige Gesetzesänderungen mit sich?
Ja, so langsam hat man in Berlin das Problem verstanden. Aber es dauert alles immer noch zu lange. Es wäre auch wichtig, dass wir alle Geflüchteten, die ihren Pass mitbringen, dafür mit schnelleren Abläufen belohnen . Denn viele werfen ihre Pässe weg oder die Schlepper tun das.
Außerdem sollten gleich am Anfang die Menschen interviewt werden, was ihre Wünsche und Fähigkeiten sind. Es gibt einen guten, zurzeit noch universitären Ansatz in einigen Bundesländern mit genau solch einem Matching-Prozess. Der Faktor Zeit spielt eine wichtige Rolle.
Anmerkung der Redaktion:
Das Projekt Match’In – Pilotprojekt zur Verteilung von Schutzsuchenden mit Hilfe eines algorithmengestützten Matching-Verfahrens verfolgt das Ziel, die Verteilung von Schutzsuchenden auf die Kommunen besser zu organisieren. Dadurch sollen die Interessen von Geflüchteten einbezogen und die strukturellen Voraussetzungen und individuellen Besonderheiten der beteiligten Kommunen und Schutzsuchenden berücksichtigt werden. (Quelle: BAMF)
Ein weiteres grundlegendes Problem ist der Aufwand für die Betriebe.
Inwiefern?
Für die Gastronomie bedeutet das Einstellen von Geflüchteten eine enorme Bürokratie. Es können sich nur große Ketten erlauben, diesen bürokratischen Weg zu gehen. Kleinere Betriebe haben einfach nicht die Zeit und Kraft. Viele Kollegen haben zu mir gesagt: Du Frank, ich finde diese Menschen klasse und wir brauchen die. Aber neben der Bürokratie werden viele Geflüchtete mitten in der Ausbildung abgeschoben. Das ist allerdings in den Bundesländern unterschiedlich.
Anmerkung der Redaktion:
Wenn nur eine Duldung und damit ein unsicherer Aufenthalt vorliegt, kann für die Dauer der Ausbildung eine Ausbildungsduldung erteilt werden. Während der Zeit der Ausbildungsduldung kann man nicht abgeschoben werden. Nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung (meist nach 3 Jahren) besteht grundsätzlich ein Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Dauer von 2 Jahren (3+2-Regelung). Das gilt jedoch nur, wenn der Geflüchtete auch in dem Beruf arbeitet, in dem er die Ausbildung absolviert hat. Die Ausbildungsduldung soll somit einen Weg in einen sicheren Aufenthalt in Deutschland ebnen. (Quelle: www.faire-integration.de)
Was muss sich ändern aus Ihrer Sicht?
Das Entscheidende für mich ist, dass ein Prozess ganz am Anfang losgeht. Wenn ein Pass fehlt, dauert es Jahre. Wenn Geflüchtete einen Pass mitbringen, müssen sie belohnt werden. Dann müssen wir sehr schnell den Leuten eine Perspektive aufzeigen. In meinen Kursen weiß ich nach einer Woche sehr viel über das Potenzial eines Menschen. Dann kann man in die Gastronomie, in die Pflege oder Landwirtschaft verteilen. Und gerade in unserer Branche wissen wir, dass es am Anfang genügend Tätigkeiten gibt, die nur wenige Sprachkenntnisse benötigen. Der Ansatz ist also, über die Arbeit in die Sprache zu kommen und nicht umgekehrt.
Bei der bereits erwähnten Podiumsdiskussion im NH Hotel in Heidelberg war nicht nur der renommierte Migrationsforscher Gerald Knaus zugegen, sondern es haben auch Teilnehmer aus Ihren Kursen die Gäste bekocht. Warum war Ihnen das so wichtig?
Wir wollten nicht nur eine Debatte anregen, sondern vor allem das Potenzial aufzeigen, das diese Geflüchteten haben. Für rund 120 Gäste habe ich mit Cook-your-future-Teilnehmern aus verschiedenen Ländern ein Menü vorbereitet und gekocht. Die Gäste sollten sehen, wie professionell die Geflüchteten arbeiten. Es waren viele Unternehmer und regionale Politiker im Saal. Außerdem durften sich einige Geflüchtete auf der Bühne vorstellen und ihre Geschichte erzählen. So wie Babucarr Ngom aus Gambia, der jetzt im dritten Ausbildungsjahr im NH Hotel in Heidelberg sehr erfolgreich ist. Oder Bisola Mustapha, die mit drei Kindern aus Nigeria geflüchtet ist und nach unserem Kurs eine Ausbildung zur Köchin gemacht hat. Heute ist sie Sous-Chefin in einem renommierten Restaurant.
Vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Informationen zum Thema
Aufenthaltsgestaltung für Geflüchtete in Deutschland
- Der Geflüchtete stellt einen Asylantrag und kommt in eine Gemeinschaftsunterkunft.
Das Bundesamt für Migration führt das Asylverfahren durch und entscheidet, ob Schutz zu gewähren oder ein Asylantrag abzulehnen ist.
- Noch während der Prüfung des Asylverfahrens beginnt der Integrationskurs.
Der Integrationskurs ist das Regelangebot des Bundes für den Spracherwerb. Er vermittelt darüber hinaus in einem Orientierungskurs Wissen zu Geschichte, Rechtsordnung und Werten in Deutschland. Der Allgemeine Integrationskurs besteht aus insgesamt 700 Unterrichtseinheiten. Bereits seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 ist der Integrationskurs das zentrale Sprachförderinstrument des Bundes. Das Bundesamt bedient sich hierzu privater und öffentlicher Träger.
- Wenn der Asylbescheid abgelehnt wird
Kommt das Bundesamt nach der Prüfung eines Asylantrags zu der Entscheidung, dass keine Schutzgründe vorliegen, erlässt das Bundesamt zusammen mit der negativen Entscheidung eine Ausreiseaufforderung. Der Asylsuchende wird dann auch ohne seine Einwilligung in sein Heimatland zurückgeführt.
Nach einem ablehnenden Bescheid des Bundesamtes kann die zuständige Ausländerbehörde eine Duldung ausstellen. Duldung bedeutet nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes eine „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Die Ausreisepflicht bleibt jedoch bestehen. Die zuständige Ausländerbehörde entscheidet auch über die Dauer oder eine Verlängerung einer Duldung.
Das Chancen-Aufenthaltsrecht, das seit 2022 in Kraft ist, ermöglicht außerdem langjährig in Deutschland Geduldeten durch eine 18-monatige Aufenthaltserlaubnis, die notwendigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen. Dazu gehört die Sicherung des Lebensunterhalts und die Klärung der Identität. Menschen, die sich zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre lang in Deutschland aufgehalten haben, nicht erheblich straffällig geworden sind und sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen, können davon profitieren. Die Entscheidung dazu fallen die Ausländerbehörden der einzelnen Bundesländer.
Das überarbeitete Fachkräfteeinwanderungsgesetz trat im November 2023 in Kraft. Weitere Änderungen folgen im Frühjahr 2024. Damit soll der Weg von ausländischen Fachkräften in den deutschen Arbeitsmarkt einfacher werden. Wer zwei Jahre Berufserfahrung und einen Abschluss im Heimatland hat, kann als Fachkraft nach Deutschland kommen. Neu ist zudem eine Chancenkarte mit einem Punktesystem.
Das Fachkräfteportal Make it in Germany gibt aktuelle Informationen, u.a. zum neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz.