Das Eigenleben der Fermente

gutes Material im Gespräch mit Markus Shimizu von mimi ferments

von Gastautor
0830 Markus Shimizu - interviews-portraits, gastronomie, food-nomyblog Das Eigenleben der Fermente

Markus Shimizu von mimi ferments. Alle Fotos: Birgit Kaulfuß

In der Manufaktur von mimi ferments reifen Fermente wie Miso und Sojasoße, aber auch Koji, Amazake, Tempeh, Natto oder Garum. Die Zutaten dafür wählen Markus Shimizu und sein Team sorgfältig aus und tragen mit viel Handarbeit auch dazu bei, Foodwaste zu reduzieren.

Was Markus Shimizu antreibt, beschäftigt und manchmal auch ausbremst, berichtete er den Kolleg*innen von gutes MATERIAL. Unter diesem Label portraitieren die Gastronomie-, Food- und Nachhaltigkeitsberaterin Carolin Gennburg und die Fotografin und Künstlerin Birgit Kaulfuß Produzent:innen und ihre Signature-Produkte, um zu zeigen, welche Vielfalt kulinarisches Handwerk zu bieten hat – und wie eine neue Generation von Handwerker:innen alte Techniken annimmt und zeitgemäße Produkte kreiert. Dabei ist es ihnen wichtig, die Geschichten der Menschen hinter den Produkten zu zeigen und zu erzählen. Sie sprachen bisher mit dem Brot-Unternehmer Florian Domberger, den Gründerinnen von Gusswerk Schürzen, Kristiane Kegelmann von pars Pralinen (und dem Restaurant Pars) sowie der Tabletop-Designerin Anna Badur. Wer sich den Newsletter abonniert, bekommt die Storys direkt in seinen digitalen Briefkasten.

Und so haben sie sich auch mit Markus zu einem Interview bei grünem Tee und umgeben von Fässern, Gläsern und einem ganz besonderen Manufaktur-Flair im Berliner Wedding getroffen. Freundlicherweise dürfen wir euch das Gespräch auch hier auf dem nomyblog präsentieren. Viel Spaß beim Lesen!

 

Markus, du hast mimi ferments 2017 in Berlin gegründet. Wie kam es zu der Idee, eine wie ihr selber sagt, Fermentationswerkstatt, zu gründen?

Markus Shimizu: Es kam dazu, weil ich gemerkt habe, dass da ein großes Interesse war. Ich habe Kunst studiert, und eigentlich auch immer Kunst gemacht, aber wenn man da nicht richtig dranbleibt, wenn man nicht die ganz Zeit Output liefert und die Initiative ergreift, dann passiert da nicht viel. Also waren Input und Output immer eins zu eins. Mit der Fermentation habe ich als Hobby nebenbei angefangen und irgendwie haben das ein paar Leute mitbekommen und fanden es gut. Und dann hat sich das einfach entwickelt, nach dem Schneeball-Prinzip, da war plötzlich ein riesiges Interesse da. Alle fanden das toll und das über viele, viele Jahre hinweg. Ich habe ja eigentlich schon vor 20 Jahren angefangen mit dem Fermentieren, so dass ich dann irgendwann verstanden habe: Ich glaub die Welt will nicht meine Kunst, aber meine Fermente.

Fiel dir die Entscheidung leicht, zu sagen, du lässt die Kunst hinter dir und du widmest dich den Fermenten?

Ja, die Entscheidung war relativ einfach, hat aber auch alles verändert. Wir mussten plötzlich Leute einstellen und es kamen täglich neue Themen dazu, an denen wir persönlich wachsen mussten, auch mental. Wir mussten versuchen mit den neuen Realitäten mitzuhalten, die wir so naiv angegangen sind. Ich bin ja nicht mit der Idee rangegangen, mimi ferments zu einem großen Unternehmen zu machen und ganz viele Leute einzustellen. Das hat sich einfach so entwickelt.

Ende 2017 hast du gegründet. Wie groß seid ihr jetzt? Das sind ja sechs Jahre. Wie habt ihr euch entwickelt?

Ich würde sagen ziemlich gut. Deswegen sind wir ja jetzt auch hier. Die neue Manufaktur ist viermal größer, als am alten Standort. Und das alles ohne Werbung und wirklich ernsthafte Akquise.

Also total organisch gewachsen?

Genau.

Wie viele Leute beschäftigst du?

Es sind aktuell sieben Mitarbeiter*innen, meine Frau und ich.

Was verbirgt sich hinter dem Namen mimi ferments?

mimi kommt von Miso, da ist das Mi drin und das bedeutet japanisch gesprochen Geschmack oder auch Schönheit. Es ist aber auch das Mi von Mikroorganismus und in Shimizu, also in meinem Namen. Außerdem war es ein sympathischer Name und ich konnte ein nettes Logo damit machen.

Mit welchem Produkt seid ihr gestartet und warum genau damit?

Wir waren eigentlich von Anfang an relativ breit aufgestellt. Wir hatten sowohl Miso und Sojasoße, aber auch Koji, Amazake, Tempeh, Natto und noch einiges mehr. Also relativ viele Produkte, weil vieles davon ziemlich lange zum Reifen braucht. Teilweise mehrere Jahre. Aber wir brauchten ja von Anfang an Einnahmen. Deswegen sind wir mit vielen verschiedenen Fermenten auf der Basis von Koji gestartet. Manche brauchen nur ein paar Tage, bis sie fertig gereift sind. Amazake, Shio Koji oder Sagohachi sind Produkte, die sehr schnell fermentieren, also auch schnell verkauft werden können. Deswegen hatten wir von Anfang an einen ziemlich breiten Mix, mit dem wir gut über die Runden kommen.

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„Es ist einfach anders als ein normales Shiro Miso. Es hat sehr viele Facetten und ist auch lebendig im Geschmack.“

Und was würdest du sagen, ist von dieser Produktvielfalt euer Hauptprodukt? Gibt es ein Produkt wo du sagst, das ist euer Fundament?

Ich glaube, unser Fundament ist die Art und Weise unserer Arbeit. Das alle unsere Produkte lebendige Fermente sind, die gut schmecken und frisch und lebendig sind. Viele industriell hergestellte Produkte schmecken fade, weil sie alt und tot sind. Das ist ein ziemliches starkes Merkmal von mimi ferments.

Ansonsten läuft ein Shiro Miso von uns sehr gut und ist das am meisten verkaufte Produkt. Und da ist der Unterschied auch ganz deutlich erkennbar. Es ist einfach anders als ein normales Shiro Miso. Es hat sehr viele Facetten und ist auch lebendig im Geschmack.

Gibt es ein Produkt, bei dem du sagen würdest, das ist euer Signature-Produkt?

Zur Zeit steht mimi für Vielfalt und sehr viel Handarbeit. Also gerade das Yuzu Miso oder Yuzu Amazake. Das macht so viel Arbeit, das ganze Weiß wegzuschneiden. Yuzu hat so viele Kerne und auch das Weiß von den Citrus wegzunehmen – alles ist so filigran. Wir arbeiten ein bißchen so wie unsere Michelin-Kunden, die auch sehr viel in Handarbeit produzieren. Das ist ganz klar ein Teil unserer Signatur.

Du hast ja von Anfang an eng mit der Berliner Gastronomie zusammengearbeitet. Inzwischen beziehen Gastronom*innen aus ganz Deutschland Fermente bei euch. Bei Shoyu, Koji und Miso landet man ja gedanklich schnell in der asiatischen Küche. Aber die Gastronom*innen, mit denen du arbeitest, sind super vielfältig. Mit welchen Produkten arbeiten sie? Und wie finden deine Produkte in deren Küche Verwendung?

Eigentlich mit all unseren Produkten. Wirklich ziemlich querbeet. Ich bin nicht in den vielen Restaurants unterwegs, deswegen weiß ich jetzt nicht in jedem Fall, wie sie die Produkte verwenden. Aber das Interessante ist, dass sie auf ganz andere Ideen kommen als ich und die Fermente ganz anders beurteilen. Das heißt, vielleicht habe ich ein Produkt, das total gut schmeckt und harmonisch ist, aber das wollen meine Kunden gar nicht unbedingt. Die können genauso gut etwas verwenden, das out of balance ist, also geschmackliche Extreme hat. Die Fermente sind ja meist nur eine Komponente im Gericht und können dann das Highlight setzen. Das macht total viel Sinn. Als einzelnes Produkt ist es eher unfertig, aber in der Küche können sie das trotzdem oder gerade deswegen sehr gut einsetzen.

Ich wurde auch manchmal überrascht, bei Produkten, wo ich gedacht habe okay, dieses Experiment war ein bisschen zu sauer oder zu einseitig. Das wurde dann mit Linsen oder Fleisch eingesetzt und dann war es super. Das hat total gut reingepasst und das fehlende Highlight gesetzt. Das war ein wichtiger Teil meiner Lernkurve, zu verstehen, dass meine Produkte für die Gastronomie nicht unbedingt fertig und ausbalanciert sein müssen.

Unterscheidest du zwischen Produkten für Endverbraucher*innen und Produkten für die Gastronomie?

Nicht wirklich. Manchmal haben wir Chargen, die wir nur an die Gastronomie verkaufen, aber weniger unter dem Aspekt, ob es ist ausbalanciert oder nicht. Manchmal experimentieren wir und entscheiden, verschiedene Versionen zu machen von einem Rezept. Und dann merken wir, das schmeckt zwar besser, aber ist es so auch interessanter für die Gastronomie?

Und wie kommuniziert du das? Ich stelle mir das sehr intensiv in der Kommunikation vor, weil die Produkte ja auch erklärungsbedürftig sind.

Das ist ein leidiges Thema.

Weil es aufwendig ist?

Ja! Wenn jetzt Kunden hier rein kommen, dann bleiben die 45 Minuten und ich erkläre ihnen alles. Ich komme mir manchmal ein bißchen vor wie eine NGO, die die japanische Kulinarik erklärt. (lacht) So ist es auch auf unserer Website. Jetzt sind wir gerade wieder am Text schreiben, weil viele Leute mit Shio Koji nichts anfangen können. Wenn man Ketchup sagt, dann können alle was damit anfangen. Aber Shio Koji?

Das ist ein gutes Beispiel: Shio Koji schmeckt gar nicht so besonders. Aber wieso soll ich mir was kaufen, was nicht besonders schmeckt? Weil es etwas total Besonderes ist, weil es diese Enzyme hat. Die Enzyme kann man verwenden, um Geschmack zu intensivieren, den Geschmack von Produkten zu verändern, indem man sie zum Beispiel dünn damit einreibt. Das müssen wir alles erklären. Sonst erkennen viele Menschen da keinen Wert. Oder sie kaufen es, weil sie gerade total neugierig sind, aber dann steht es ein Jahr im Kühlschrank und dann fragen sie: Hey, habt ihr nicht Rezepte? Wie verwenden wir das überhaupt? Wir fangen oft bei null an. Das ist Entwicklungsarbeit.

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„Das war ein wichtiger Teil meiner Lernkurve, dass meine Produkte für die Gastronomie nicht unbedingt fertig und ausbalanciert sein müssen.“

Gibt es auch Produkte, die du gemeinsam mit Gastronom*innen entwickelst?

Ja, ziemlich oft. Es gibt den Weg, wo der Gastronom sagt, er findet etwas interessant und hätte gerne ein Produkt in die Richtung. Oder er hat einen Bauern oder Erzeuger getroffen, der hat wahnsinnig tolle Produkte, mit denen er etwas machen möchte. Und dann gibt es Köche, die irgendwas auf dem Menü haben, Steinbutt zum Beispiel, und dann benutzen sie nur einen Teil, kaufen aber den ganzen Fisch und dann bleibt halt einiges übrig. Dann ruft mich manchmal jemand an und sagt: Hey, ich habe hier meinen ganzer Freezer voll. Kannst du mir nicht 60 Kilo Karkassen abnehmen? (lacht)

Und du dann?

Okay. (alle lachen)

Entwickelst du dann für dich ein eigenes Produkt oder entwickelst du dann ein Produkt, was der Gastronom wieder zurückkauft?

Das machen wir mal so, mal so. Es gibt Gastronomen, die sagen: Nimm’s, ich bin glücklich, dass du was damit machst. Aber es gibt auch Köche, die das dann als exklusive Charge wieder zurückhaben wollen oder nur einen Teil davon und den Rest verkaufen wir. Es gibt viele Konstellationen.

Das klingt nach sehr, sehr viel Arbeit.

Das ist es. Es ist wirklich sehr, sehr handwerklich hier, gerade weil wir so viel so individuell machen. Also ganz anders, als viele andere Unternehmen, die sich auf eine Sache spezialisieren und die dann millionenfach produzieren. Da ist dann alles total effizient und durch dekliniert und dann natürlich auch viel günstiger. Wir müssen für jedes Produkt ein Etikett machen, die Nährwerte in der Mikrobiologie testen lassen, Fotos machen und Texte schreiben.

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„Wir arbeiten ein bißchen so wie unsere Michelin-Kunden, die auch sehr viel in Handarbeit produzieren.“

Wir haben jetzt aktuell ein Hummergarum, 57 Flaschen à 100 Milliliter. Das waren also 5,7 Liter insgesamt. Auch dafür müssen wir auch ein Etikett herstellen und die Nährwerte berechnen. Das ist schon ein bisschen Liebhaberei.

Aber das macht es ja auch aus. Das ist ja, wie du vorhin gesagt hast, im Kern auch das, was mimi ferments so lebendig hält.

Ja klar. Das macht unsere Firma auch interessant. Es ist beinahe ein Werbegag. Aber wir haben sehr viele Werbegags! (er lacht aus vollem Herzen)

Gibt es denn ein Produkt, bei dem du sagen würdest, das ist das perfekte Einsteiger-Produkt für Gastronom*innen, wenn sie mit euren Fermenten arbeiten möchten?

Ja, das ist das Shiro Miso. Es ist mild, nicht so extrem spannend aber gleichzeitig angenehm und einfach. Damit kann man ganz gut anfangen. Außerdem ist es süßlich, aber gleichzeitig auch herzhaft und deswegen kann man das in sehr viele Rezepte einbinden.

Gibt es etwas, das man wissen muss, wenn man mit euren Produkten arbeiten möchte?

Sie sind alle enzymatisch aktiv. Das heißt, wenn man damit kocht, kann das etwas verändern. Enzyme, die biologisch aktiv sind können etwas transformieren. Das ist anders als bei Gewürzen, wo man den Geschmack eins zu eins überträgt und dann schmeckt es halt nach Anis oder Nelke. Bei unseren Produkten überträgt man nicht nur den Geschmack, sondern es gibt Enzyme, die etwas bewirken und dadurch Textur, Geschmack und auch Konsistenz verändern können.

Nehmen wir zum Beispiel eine Soße in die wir Koji geben und auf einmal wird sie viel flüssiger und nicht mehr dick, weil die Enzyme die Stärke abbauen oder weil sie den Soßenbinder umwandeln. Aber wenn du nur eine Misosuppe zubereitest, und die sofort isst, dann haben die Enzyme keine Zeit und nur eine Gewürzfunktion. Aber wenn du die Suppe stehen lässt, dann kann es sein, dass die Enzyme weiterarbeiten und etwas Unerwartetes passiert.

Also man muss schon eine gewisse Experimentierfreude mitbringen?

Aber ja! Man kann total viel experimentieren, muss man aber auch nicht.

Ihr legt ja großen Wert auf hochwertige Rohstoffe in Bioqualität. Ist bei euch alles Bio-zertifiziert?

Beinahe. Ein paar wenige Sachen sind noch nicht Bio, weil wir sie Bio-zertifiziert nicht in der Qualität bekommen, die wir suchen. Der Alkohol ist zum Beispiel von den Spreewood Distillers. Das ist einfach so cooler Alkohol und bei Alkohol macht das wenig aus, ob es Bio ist oder nicht. Bei der Yuzu ist der Produzent gerade in der Umstellungsphase und das dauert mehrere Jahre, bis sie das Bio-Siegel nutzen können. Die sind ungespritzt, aber noch nicht offiziell Bio-zertifiziert.

Was sind denn die Haupt-Rohstoffe, mit denen ihr arbeitet?

Wir arbeiten viel mit Sojabohnen aus Süddeutschland und Reis aus Italien. Das ist das, was wir am meisten verwenden: Sojabohnen, weißen Reis, aber auch viel Buchweizen und Einkorn. Wir versuchen interessante Rohstoffe, also zum Beispiel Urgetreide wie Einkorn oder Emmer, zu verwenden.

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„Enzyme, die biologisch aktiv sind können etwas transformieren. Das ist anders als bei Gewürzen, wo man den Geschmack eins zu eins überträgt und dann schmeckt es halt nach Anis oder nach Nelke.“

Du entwickelst das Sortiment von mimi ferments kontinuierlich weiter. Was inspiriert dich da und wie gehst du vor?

Es gibt zwei Wege. Einmal, wie gerade beschrieben, ein Gastronom ruft mich verzweifelt an und will seinen Friezer leer bekommen. Dann entsteht spontan etwas. Oder über eine Gespräch komme ich auf eine Idee. So ist jetzt das Produkt mit Chipotle, also geräucherten Jalapeños entstanden. Das war eine Kombi aus Idee vom Gastronom plus der Landwirt hatte ganz viele Jalapeños übrig und musste die rausreißen und meinte: Willst du die nicht haben? Sonst muss ich sie wegschmeißen. Außerdem versuchen wir unsere bestehenden Rezepte immer weiter zu verbessern und probieren verschiedene Sachen aus, wie zum Beispiel unterschiedliche Salzsorten von Meersalz über Steinsalz.

Wir arbeiten viel mit Koji-Schimmel. Das ist unsere Hauptkultur. Da gibt es aber ganz viele Verschiedene. Ähnlich wie bei Hefe, es gibt ja auch ganz viele verschiedene Hefe-Kulturen. Und dann versuchen wir das Shiro Miso mit verschiedenen Koji-Sporen durch zu deklinieren oder auch mit verschiedenen Reissorten. Ganz viel Deklination von einer Änderung, wo wir dann schauen, in welcher Kombination das Produkt dann vielleicht noch mal einen Tick besser wird.

Also experimentierst du dann mit kleinen Chargen?

Ja, das ist im Prinzip das, was hier im Regal steht. (zeigt hinter sich) Wovon wir nur kleine Gläser machen, aber dann gleich zehn Stück, wo wir jeweils eine Komponente austauschen. Dieses Wasser, das Wasser, anderes Wasser, dieses Salz und so weiter. (lacht)

Kommen wir nochmal zurück zu den Jalapeños – verfolgst du da einen Low-Waste-Ansatz?

Ja, genau das machen wir. mimi ferments ist auch so entstanden. Das Brot-Miso ist ein gutes Beispiel dafür. Ganz viele Bäckereien haben Brot über. Wir beziehen das jetzt regelmäßig von der Sofi Bäckerei, die Sandwiches machen, aber die Enden der Brote nicht verwenden. Die sammeln sie jetzt für uns und dann holen wir sie ab und machen Brot-Miso daraus. So entstehen viele unserer Produkte.

Um mal eine Vorstellung davon zu bekommen – wenn du jetzt sagst, ihr macht ein Brot-Miso mit den Rändern von diesen Broten, um was für Mengen handelt es sich da? Was setzt ihr da an?

Frag lieber nicht, das ist alles unökonomisch. (lacht)

Nehmen wir die Jalapeños, das waren zwar 60 Kilo, das hört sich erst mal viel an, aber das waren dann als geräucherte Chipotle 6,5 Kilo. Das war ein riesiger Aufwand. Es ist wirklich so, das wir hier in gewisser Weise eine „Michelin-Produktion“ haben.

Das klingt total interessant und offensichtlich gibt es ja einen Markt dafür. 

Ja, zum Glück!

Das ist ja auch etwas, was sich gegenseitig bedingt und ein Markt, den du mit gestaltest. Den es nur gibt, weil Menschen wie du sich auf so eine kleine Produktion einlassen, die wahnsinnig vielfältig ist und detailverliebt, und solche Produkte herstellen. Und weil es Gastronom*innen gibt, die sich dafür interessieren. Das ist ja ein Wechselspiel. Dadurch gestaltet ihr nicht nur das kulinarische Handwerk, sondern ihr gestaltet auch die Gastronomie. Das geht ja Hand in Hand.

Auf alle Fälle. Das ist alles nur möglich, weil unsere Kunden, unser Umfeld, bereit ist, dafür Geld auszugeben. Weil sie unsere Produkte interessant finden und unterstützungswürdig. Ich glaube, die ganze Gesellschaft ist dafür bereit. Das wäre vor 30 Jahren so nicht möglich gewesen. Aber ich mache das auch aus einem Low Waste oder Zero Waste Ansatz und aus Liebe.

Aber wenn man die Welt retten will mit Fermenten, dann müsste man das ganz anders anpacken. Das was wir machen ist ja nur Tropfen auf den heißen Stein.

Ich sehe es als Inspirationsquelle. Es muss immer die geben, die vorne weggehen und neue Ideen entwickeln. Es gibt immer die Vorreiter*innen, die ganz viel ausprobieren und dadurch Wege ebnen und neue Produkte entwickeln. Da wird es dann irgendwann Nachmacher geben, die sich dann aber nur auf zwei, drei Produkte konzentrieren und die im großen Stil verkaufen.

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„Ich komme mir manchmal ein bißchen vor wie eine NGO, die die japanische Kulinarik erklärt.“

Zusammen mit deiner Partnerin Reiko Kanazawa setzt ihr hier in der Manufaktur auch Veranstaltungen um, bei denen sich Essen, Kunst und gesellschaftliche Aspekte verbinden. Was meint das? Was sind das für gesellschaftliche Aspekte?

Meine Frau kommt auch aus dem Kunstbereich und unsere Events sind meistens kombiniert mit unseren Fermenten und etwas Künstlerischem. Das können Tänzer sein, Künstler oder Kuratoren, die dann zu einem Thema sprechen oder etwas aufführen. Das wird dann noch mal eingebettet, in einen astrologischen Aspekt. Das heißt, wir machen das immer zu den Equinox, also den Tag-Nacht-Gleichen, sowie der Sommer- oder Winter-Sonnenwende, wo der Astronomische Kontext dann vielleicht noch mal einen weiteren Horizont eröffnet und man über den Tellerrand schauen kann.

Was meinst du mit über den Tellerrand schauen?

Alles passiert innerhalb von etwas Größerem. Da wollen wir den Fokus drauf richten, indem wir die Events nicht einfach an irgendeinem Tag veranstalten, sondern an bestimmten Tagen des Jahres, an denen etwas Nennenswertes im Himmel passiert. Dadurch erinnern wir daran: Ach ja, stimmt, wir sind ja nicht nur die Menschen, mit dem was wir machen, sondern wir sind Teil von etwas Größerem. Das knüpft auch an alte Bräuche an. Sowohl in Japan als auch hier in Deutschland. Weltweit sind ja viele Feste an bestimmten Tagen, weil sie astrologisch interessant sind und Assoziationen hervorrufen. So kann man auch mal außerhalb seines eigenen Kreises gucken und das ist im Prinzip ja ein cooles Thema. Es geht ja bei der Equinox um Tag und Nacht, hell und dunkel, gut und böse, Mann und Frau, Leben und Tod, Jenseits und Diesseits. Man kann es mit allem verbinden, mit der ganzen Dualität, die es auf der Erde zu erfahren gibt.

Spielt diese Thematik in den Fermenten und in deiner Arbeit auch eine Rolle? Gibt es kosmische Ereignisse oder Strukturen in unserem Jahr, wo du sagst, die haben auf deine Arbeit einen Einfluss, nach denen richtest du dich?

Auf alle Fälle haben die Einfluss. Man kann das bei den Fermenten ganz klar erkennen. Wenn man ein Ferment anderthalb Jahre ansetzt, einmal im Herbst und einmal im Frühling, dann bekommt das Frühlingsferment zwei Sommer und einen Winter ab und wenn du es im Herbst ansetzt, zwei Winter und nur einen Sommer. Das zweite wäre viel langsamer als das, welches man im Herbst ansetzt, weil es viel mehr warme Perioden bekommt. So ganz banal hat es auf alle Fälle Einfluss. Ich habe mich auch mit Rudolph Steiner auseinandergesetzt und ziemlich viel gelesen und finde da Vieles faszinierend.

Da sind wir gespannt, was die Zukunft bringt. Gibt es etwas, was ihr für die nächste Zeit geplant habt, wovon die Welt erfahren sollte?

Ohje. (lacht) Nein, ich glaube ich habe keine News in dem Sinne.

Wenn jemand anfangen möchte, mit euren Produkten zu arbeiten und da aber eine Hemmschwelle hat, sich damit überhaupt nicht auskennt, nicht beschäftigt hat, wie geht man am besten vor? Schreibt man euch eine E-Mail oder ruft an?

Genau. Man kann auch einfach vorbeikommen, alles durchprobieren und durchquatschen. Wenn man über die 45 Minuten hinausreden will, dann sollte man vielleicht einen Termin machen. (alle lachen)

Gastronomen können sich gerne einfach melden. Ich schicke auch Tester und wir geben auch Workshops

Vielen, vielen Dank für diese spannenden Einblicke, lieber Markus.

Interview: Carolin Gennburg
Fotos: Birgit Kaulfuß

 

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