Das „Food Service Innovation Lab“ von Dussmann: Mission Kantinen-Transformation

Hin zu einer nachhaltigen Genusskultur

von Jan-Peter Wulf
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Foto: Dussmann

Dussmann Food Services, die Catering-Sparte der Multi-Dienstleistungs-Gruppe, hat sich auf den Weg gemacht: Gesünder und nachhaltiger sollen die Gerichte werden, die in den Kantinen serviert werden. Dafür orientiert man sich an der Planetary Health Diet und hat eine eigene Stabsstelle geschaffen, das „Food Service Innovation Lab“. 

Wie viele der Gäste des Ursprung im „Dussmann das KulturKaufhaus“ an der Berliner Friedrichstraße wohl wissen, dass sie hier mit jedem verzehrten Gericht einen Beitrag dazu leisten, dass sich das Catering-Geschäft der Gruppe wandelt und nachhaltiger aufstellt?

Im Verborgenen gehalten wird keineswegs, dass hier an einer neuen Küche gearbeitet wird. „Planet!Based“ ist zum Beispiel auf den Tischaufstellern zu lesen, darüber sind Lebensmittel abgebildet: Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Fleisch, Fisch, wie man es von Ernährungspyramide kennt. Es handelt sich um die Planetary Health Diet, einen Speiseplan, der nicht nur die individuelle Gesundheit des einzelnen Verbrauchers betrachtet, sondern – und das ist ein großer Unterschied zu bisherigen ökotrophologischen Ansätzen – auch die im wahrsten Sinne des Wortes globale Gesundheit: Ist die Zusammensetzung der Speisen auch hinsichtlich Klimaschutz, Wasser- und Landverbrauch und weiterer ökologischer Parameter gesund?

Wie früher oder normal?

Die Speisen im „Ursprung“ orientieren sich an dieser Planetary Health Diet. Einige erfüllen die Vorgaben bereits komplett. Mit 12 Gerichten begann das Projekt im Oktober 2022, als das Restaurant mit dem imposanten vertikalen Garten als Rückwand im Untergeschoss des Hauses eröffnete, das für seine gigantische Bücherauswahl berühmt ist. Zwischenzeitlich sind viele weitere entwickelt worden. Wir essen und genießen heute zum Beispiel ein Traditionsgericht in 2.0-Form: Unter der von Erbsen, Salat, Sprossen und Gurken umgarnten grünen Sauce, Frankfurt lässt grüßen, befindet sich ein herzhafter Fleischklops. Könnte man mit jedem Bissen denken, doch es handelt sich um ein rein pflanzenbasiertes Produkt von „Redefine Meat“ aus Israel, das nach (freilich) streng geheimer Rezeptur herstellt wird.

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Foto: Dussmann

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Restaurant „Ursprung“. Foto: Dussmann

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Foto: Redaktion

Viele Gerichte gibt es übrigens in zwei Varianten, etwa den Pulled-Pork-Burger – einmal „wie früher“ mit Fleisch und einmal „normal“ mit einem pflanzlichen Ersatz, normal im Sinne einer neuen, zukunftsfähigen Food-Normalität. Schon jetzt arbeitet man verschiedenen Food-Startups zusammen, die Ersatzprodukte herstellen, wie „Perfeggt“ (pflanzliches Ei), Planted (pflanzliches Fleisch), „Bettafish“, dessen Thunfisch-Ersatz wir in einer leckeren Salade-niçoise-Adaption probieren, oder eben „Redefine Meat“.

Alternative, nicht Ersatz

Ersatz ist ein Wort, das Christian Hamerle allerdings lieber vermeidet: „Es ist für uns besser, von Alternativen als von Ersatz zu sprechen“, erklärt der „Head of Food Service Innovation“ bei Dussmann. Der gebürtige Österreicher arbeitete in Berlin viele Jahre als Restaurantleiter für die bekannte Köchin, Gastronomin, Nachhaltigkeits-Aktivistin und heutige EU-Parlamentsabgeordnete Sarah Wiener, bevor er 2016 Gastgeber in der Data Kitchen wurde, einem mittlerweile eingestellten Gastro-Projekt von SAP, in dem gesunde, frische Speisen à la minute (und zwar wirklich minutengenau) per vorheriger App-Bestellung zubereitet und aus einer futuristischen „Foodwall“ entnommen wurden. Vorher war er unter anderem in der Fernsehbranche tätig.

Kurz: Mit Kommunikation, Gastgebertum und Nachhaltigkeit kennt er sich aus. Seit 2020 leitet er das neu geschaffene Food Service Innovation Lab, das als Stabsstelle die Umgestaltung des Speisenangebots von „Dussmann Food Services“ vorantreibt, unabhängig und zugleich mit den Regionalleitungen und den Betrieben verzahnt. „Dussmann Food Services“ ist einer von verschiedenen Dienstleistungsbranchen, in denen die Gruppe mit ihren rund 66.000 Beschäftigten in 21 Ländern tätig ist. Über 500 Betriebe, rund die Hälfte im Business-Catering-Bereich, die andere im Care-Bereich, versorgt die Food-Service-Sparte täglich, mit einem 2.800 Personen starken Team. Das „Food Service Innovation Lab“, dessen für das Publikum sicht- und erlebbarer Teil das „Ursprung“ ist, wurde gegründet, um die Transformation hin zu persönlich wie planetar gesünderer Küche zügig vorantreiben zu können.

Rollout fürs Catering gestartet

Jetzt, im Herbst 2023, werden die entwickelten Rezepte und die dahinter liegenden Prozesse im größeren Stil in die Kantinen überführt, begleitet von einer Kommunikations-Kampagne. „Unser Ziel ist es, unser gesamtes Rezeptportfolio auf die planetaren Grenzen abzustimmen”, sagt Christian Hamerle, „sodass es zukünftig köstlich schmeckt und zugleich klimagerecht ist.” Und im Budget darstellbar natürlich: Die Gerichte, die in die Skalierung gebracht werden und in Betriebskantinen von der Bank bis zum Drei-Schicht-Betrieb der Stahlindustrie umgesetzt werden sollen, möchte man möglichst in einem Wareneinsatz-Preisband von 2,90 bis 3,80 Euro halten. Aktuell treffe das auf gut die Hälfte der Gerichte zu, die im „Ursprung“ auf die Speisekarte kommen. Und den budgetär noch herausfordernderen Bereich des Care-Caterings werde man erst zu einem späteren Zeitpunkt bearbeiten, erfahren wir.

Das Team des „FSIL“ besteht neben Hamerle aus Christian Ruß, der für die Foodentwicklung verantwortlich ist und vorher für die Rezepte-App „kitchen stories“ sowie für Tim Raue tätig war. Martin Lisson, „Operations Director Food Services“, kommt aus dem F&B-Management der Spitzenhotellerie und Nadja Flohr-Spence, Gründerin der Sustainable Food Academy und zuletzt bei „United Against Waste“ tätig, steuert als neuer „Head of Sustainability“ das Nachhaltigkeits-Gesamtkonzept. Dazu kommt ein zwölfköpfiges Team im Restaurant unter der Leitung von Stefan Grill.

Keine Einbahnstraße

Der Transformationsprozess, den man bei Dussmann angeschoben hat, lässt sich natürlich nicht umsetzen, ohne die Menschen in den angeschlossenen Küchen mitzunehmen und auch ihre eigenen Ideen einfließen zu lassen. Es dürfe keine Einbahnstraße sein, erklärt Hamerle uns. Der stetige Austausch mit den Teams vor Ort, Trainings, Schulungen und Co. wird im Zuge des Rollouts intensiviert werden müssen. Auch die Sicherstellung, dass die benötigten neuen und alternativen Produkte bei den Großhändlern für die Kantinen verfügbar sind, ist ein Teil des großen Rads, das man hier drehe. Dafür werde man Bestellprozesse zentraler steuern müssen als bisher. „Wenn wir in zwei bis drei Jahren den gesamten Warenkorb im Business- und Industry-Bereich umgebaut haben, würde ich mich freuen“, so Hamerle.

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Foto: Dussmann

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Foto: Dussmann

Stetige Verbesserung

Die Digitalisierung der Prozesse wird bei diesem Umbau eine essentielle Rolle zuteil: Sei es die Reduktion der Lebensmittelabfälle, die man u.a. durch genauere Bedarfsprognosen erreichen will – aktuell laufen bereits Pilotprojekte mit dem Münchner Dienstleister „Delicious Data“. Oder sei es die Ermittlung, welche CO2-Emissionen die Zutaten eines Gerichts verursachen, hier hat man zusammen mit „Eaternity“ aus der Schweiz bereits Tests in einigen Kantinen angeschoben.

Von Artikel-Stammdaten, die im Sinne der „Planetary Health Diet“ auch Informationen zum Footprint und anderen Umweltfaktoren liefern würden, ist die Realität noch weit entfernt. Doch die Berechnungsgrundlagen verbessern sich, beobachtet Hamerle. Das gilt auch für die Ersatz- bzw. Alternativprodukte: Forschung und Entwicklung sorgen hier für eine stetige Steigerung der Produktqualität (Geschmack, Textur etc.) bei gleichzeitig – langfristig – sinkenden Kosten durch Skaleneffekte.

Ist heute aus – und das ist gut so

Den Gästen im „Ursprung“, das an diesem Freitagmittag sehr gut gefüllt ist, scheint es zu schmecken – und das ist es am Ende natürlich, was auch in den Kantinen zählen wird, in denen nun planetengerechteres Essen ausgegeben wird. „Wir wollen hin zu einer nachhaltigen Genusskultur“, so Christian Hamerle, „und müssen es schaffen, die Komfortzone zu verlassen, ohne die Komfortzone zu verlassen.“

Vielleicht ist auf den digitalen Menüboards der Kantinen bald um 13:30 oder 14 Uhr zu lesen, dass es Gericht A heute nicht mehr gibt – und dass es gut so ist, weil Überproduktionen und Foodwaste vermieden sowie Ressourcen nur in dem Maße genutzt werden, wie es im Sinne der globalen Nachhaltigkeit zu verantworten ist. Genussvolle Alternativen werden, im „Ursprung“ getestet, für gut befunden und in die Multiplikation gebracht, sicher zur Verfügung stehen.

Planetary Health Diet
Die 2019 von der internationalen EAT-Lancet-Kommission vorgestellte „Planetary Health Diet“ (PHD) will die Gesundheit von Menschen und des Planeten in Einklang bringen. Sie basiert hauptsächlich auf pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten und begrenzt den Konsum von rotem Fleisch und zuckerhaltigen Produkten. Indem sie Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen reduziert, trägt sie zum Klima- und Biodiversitäts-Schutz bei, während sie gleichzeitig das Risiko von ernährungsbedingten Krankheiten verringert und das Wohlbefinden fördert.

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