Die digitale Strategie, Teil 1: Was tue ich, bevor ich meinen Gastro-Betrieb digitalisiere?

von Markus Wessel
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Foto: Christoph Patte

Dass die Individualgastronomie – gerade jetzt, wo der Kostendruck immens steigt – sich stärker dem Thema Digitalisierung zuwenden muss, ist ja schon fast ein alter Hut. Aber: Dieser alte Hut sitzt immer noch auf so vielen Läden. Ich müsste, ich weiß, aber wie? Das Bauchgefühl kennen sicher viele da draußen. 

Wir haben den gelernten Koch, Gastronomen und Digitalisierungs-Profi Markus Wessel für eine kleine Serie zum Thema gewinnen können.  Er nimmt euch an die Hand und zeigt Lösungen auf.  Und los geht es mit einer ganz entscheidenden Frage: Wie fange ich an? Was tue ich eigentlich, bevor ich digitalisiere? Viel Spaß beim Lesen!

 

Ich habe, vor allem während der Pandemie, viele Gastgeber*innen gesehen, die digitalisiert haben – des Digitalisierens willen. Aus Angst, von anderen abgehängt zu werden, wurde häufig einfach irgendetwas gemacht. Man ist einfach rechts herum gelaufen, obwohl der richtige Weg zum Ziel vielleicht links herum gewesen wäre. Das Ergebnis war fast immer ernüchternd und die erhoffte Kostenersparnis oder Entlastung für die Gastgeber*in bzw. Mitarbeiter*in blieb aus. Das führte zu Frust, und der Verantwortliche war schnell ausgemacht.

„Digitalisierung ist Käse. Das braucht doch kein Mensch. Kostet nur Zeit und Geld und bringt am Ende des Tages kein Geld zurück in die Kasse!“

Das stimmt – wenn man Digitalisierung nicht richtig macht. Jeder sollte sich im Vorhinein einige Fragen stellen und diese, am besten im Team, beantworten.

Was tut man eigentlich vor dem Digitalisieren? Ich meine damit nicht, dass wir vorher die Bestellungen unserer Gäste zu 100% analog von unseren Mitarbeiter*innen entgegennehmen lassen. Ich meine damit, was passiert, bevor wir uns für eine digitale Lösung für unseren Betrieb entscheiden.

Folgende Szenarien kennt bestimmt jeder in seinem Umfeld:

  1. Wir kennen drei Kassenlösungen von der letzten Messe und entscheiden uns dann einfach für Kasse Nummer zwei.
  2. Wir bekommen eine Empfehlung von einem befreundeten Gastgeber*in, der/die sehr gute Erfahrungen mit Reservierungssystem XYZ gemacht hat und nutzen dieses dann ebenfalls.

Die richtigen Schritte vor dem eigentlichen Digitalisieren sind die wichtigsten.

Die beiden Hauptherausforderungen, die ich sehe, sind im ersten Schritt die Recherche und im zweiten Schritt die Entscheidung für die am besten passende Lösung. Jeder gastronomische Betrieb ist hochindividuell und hat dementsprechend natürlich auch sehr individuelle Anforderungen an die Digitalisierung. Für den deutschsprachigen Markt gibt es über 500 digitale Lösungen speziell für die Gastgeberbranche. Wie sollen wir in diesem digitalen Dschungel den Durchblick behalten?

In diesem Beitrag erhältst du Einblicke in meine Tätigkeit als Digitalisierungs-Berater und welche Schritte ich mit meinen Kunden gehe, bevor wir digitalisieren. Im Anschluss kannst du mit diesem Drei-Punkte-Fahrplan die am besten passende Lösung für dich finden.

Schritt 1: Selbsteinschätzung – Was benötige ich überhaupt?

Der erste Schritt ist der wichtigste Schritt beim Digitalisieren. Kenne dich selbst, dann weißt du auch, was du brauchst und wohin du möchtest. Es geht um eine Selbstanalyse. Wie ist der Status quo und wie sieht die Wunschsituation aus?

Was möchte ich mit Digitalisierung erreichen?

  • Mehr Umsatz
  • Kosten reduzieren
  • Entlastung für meine Mitarbeitenden schaffen

Die Antwort dazu grenzt in der Regel schon gut ein. Im positiven Sinne natürlich.

Wo sind denn wirklich meine Herausforderungen? Verbringe ich zu viel Zeit im Büro, um Rechnungen zu bearbeiten? Der Dienstplan? Sind meine Mitarbeiter*innen im Service durchgehend gestresst, weil die Arbeitsbelastung zu hoch ist? Verbringen meine Küchenmitarbeiter*innen zu viel Zeit mit der Dokumentation? Produziere ich zu viele Speisereste oder habe ich keinen Überblick über meine Betriebsergebnisse und erhalte diese erst am 15. des Folgemonats?

Welche Aufgaben machen mir absolut keinen Spaß und nerven einfach? Welche Aufgaben wiederholen sich und lassen sich vielleicht automatisieren?

Die Antworten dazu führen zu weiteren Eingrenzungen und im besten Fall steht am Ende des Tages als Beispiel das Wort „Reservierungssystem mit Telefonischem Sprachassistent“ auf dem Zettel. Weil wir festgestellt haben, dass unsere Servicemitarbeiter*innen häufig überlastet sind, es schwierig ist, neue zu rekrutieren, und aktuell viel kostbare Zeit am Telefon bei der Annahme von Reservierungen investiert wird.

Nach dem ersten Schritt sollte sich die Richtung, in die es gehen soll, herauskristallisieren. Ein kleiner Geheimtipp für alle, die wissen, dass ihr Team noch nicht so große Lust auf Digitalisierung hat: Plant ein Teammeeting mit allen Mitarbeiter*innen. Macht daraus eine Art Workshop. Fragt alle, welche Dinge in ihrem Arbeitsbereich nerven oder stören. Fragt ebenfalls, was unter Umständen helfen könnte.

Im Anschluss macht ihr Lösungsvorschläge mit Hilfe von digitalen Lösungen. Bei vielen Kunden leite ich diese Workshops, erarbeite mit den Mitarbeiter*innen Lösungswünsche für die Basis und gebe Impulse, welche Neuheiten auf dem Markt existieren, die die Arbeit erleichtern.

Schritt 2: Recherche – Durch- und Überblick im digitalen Dschungel

Die gute Nachricht ist, dass es für fast jedes Problem eine digitale Lösung gibt. Gehen wir davon aus, dass wir im ersten Schritt eine Kategorie herauskristallisieren konnten. Bleiben wir doch beim Reservierungssystem. Jetzt gilt es, die verschiedenen Reservierungssysteme nicht nur miteinander zu vergleichen, sondern erst einmal zu recherchieren, was gibt es denn alles auf dem Markt?

Die Lösungen stehen nämlich nicht immer alle auf Seite 1 bei Google. Die ersten Suchergebnisse sind meistens auch bezahlte Werbeplatzierungen, die nicht unbedingt eine Aussage darüber machen, ob das Tool der eingetippten Suchanfrage entspricht. Manchmal erlebe ich es auch, dass wenn ich einen entsprechenden Suchbegriff eingebe, unter den bezahlten Platzierungen etwas völlig anderes auftaucht.

Hier sind einige Tipps, die bei der Recherche weiterhelfen können:

  • in Facebook-Gastrogruppen fragen
  • im eigenen Netzwerk und bei befreundeten Gastgeber*innen nachfragen
  • auf der Online-Messe Gastrotools24.de schauen
  • bei Google auch auf den Seiten 2 bis 6 schauen
  • ChatGPT oder mich fragen 😊
  • das eigene Team beauftragen zu recherchieren

Anschließend sollten einige unterschiedliche Lösungen auf dem Zettel stehen, die dann miteinander verglichen werden können.

Schritt 3: Die Entscheidung

Die richtige, am besten passende Lösung kann viel Einfluss auf den Betrieb, auf die Stimmung im Team und natürlich auch auf die Betriebsergebnisse haben. Ein einzelner Prozessschritt oder eine einfache Funktion z.B. im Kassensystem, die nicht bedacht wurde, kann am Ende des Jahres viele zusätzliche Mitarbeiterstunden bedeuten.

Daher sollte man die Entscheidung nicht aus dem Bauch heraus treffen, sondern Fakten als Entscheidungsgrundlage schaffen. Durch die richtige Bezahllösung haben wir es in einem Restaurant mit etwa 60 Plätzen innen und knapp 80 Sitzplätzen draußen geschafft, dass sich jede Mitarbeiter*in im Service drei Kilometer pro Schicht einsparen konnte. Drei Kilometer sind im Umkehrschluss Zeit und Zeit ist am Ende des Tages Geld. In diesem speziellen Fall waren das fünf Mitarbeiter*innen pro Schicht und sechs Öffnungstage pro Woche. Umgerechnet haben wir hier mehr als 10.000 Euro pro Jahr Zeit eingespart.

Um die richtige Entscheidung zu treffen, müssen als erstes die eigenen Anforderungen an eine Lösung definiert werden. Um bei unserem Reservierungssystem zu bleiben, sollte klar sein, ob z.B. ein Tischplan wichtig ist, ob ein Telefonischer Sprachassistent mit dabei sein soll, ob die Lizenz für das Tool pro Reservierung oder über eine monatliche Pauschale dargestellt werden soll uvm.

Da gibt es noch einige Anforderungen mehr, die aufgezählt werden können, und je nach Lösung ist diese Auflistung entsprechend übersichtlicher oder auch umfangreicher. Diese Anforderungen werden auf der linken Seite von oben nach unten aufgelistet. Diagonal, von links nach rechts, werden dann alle recherchierten Lösungen notiert.

Als kleine Starthilfe habe ich dir eine Vorlage erstellt, die du dir hier herunterladen kannst. Und dann wird es ganz einfach. Sollte das Tool xy die jeweilige Anforderung erfüllen, wird ein Kreuz in die entsprechende Zeile gemacht. Am Ende dieses Tic-Tac-Toe sieht man in der Regel ganz genau, welches Tool die meisten der eigenen Anforderungen erfüllt.

In den meisten Fällen macht es auch Sinn, dass man mit den Herstellern der drei bestplatzierten Tools einen kurzen Termin zur Vorstellung macht. Einmal in die Anwendung hineinzuschauen und einfach das „Look and Feel“ kennenzulernen, kann auch noch Einfluss auf die Entscheidung nehmen.

Fazit

Wenn wir noch einmal zur Ausgangsherausforderung zurück schauen, die am besten passende Lösung für einen hochindividuellen Gastronomiebetrieb zu finden, sind wir mit dieser dreistufigen Formel einen guten Schritt in die richtige Richtung gegangen.

Dies ist der erste Beitrag einer dreiteiligen Beitragsserie zum Thema Digitalisierung. Im nächsten Beitrag geht es um Digitalisierung in der Praxis. Welche digitalen Lösungen haben den größten Impact? Wie teuer darf eigentlich ein Tool sein? Und ich nenne ein paar Beispiele, wie wir mit Digitalisierung richtig viel Geld einsparen konnten.

 

Wenn du noch Impulse zum Thema Digitalisierung mitnehmen und ein paar brandneue Lösungen kennenlernen möchtest, empfehle ich dir die digitale Trendtour auf der Internorga in Hamburg. Am 8. und 9. März 2024 hast du die Möglichkeit, mit mir auf der Messe digitale Lösungen hautnah kennenzulernen. Ich gebe zu jeder digitalen Lösung eine kurze Erklärung direkt vor dem Messestand, damit du entscheiden kannst, ob diese Lösung für dich interessant sein könnte. Es geht um die Zukunftsthemen Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Robotics. Und höre gerne einfach mal in den Küchenherde Podcast rein und lass dich inspirieren zu den Themen Digitalisierung, Mitarbeiter*innen finden und binden oder auch Nachhaltigkeit richtig umsetzen.

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