Mehr Platz für Tische und Stühle im Außenbereich – auch dem, der normalerweise der Gastronomie nicht zusteht: Eine Möglichkeit, der Gastronomie in diesem Sommer die Existenz zu sichern. Vor allem Bars und Kneipen, die auf diese Weise wieder eröffnen könnten.
Ideen sind meist gut, wenn sie einfach sind. Zum Beispiel die Idee der Stadt Vilnius, in diesem Jahr seiner Gastronomie zu helfen, indem mehr öffentlicher Raum für die Bestuhlung und „Betischung“ zur Verfügung gestellt wird. Die historische Innenstadt der Hauptstadt Litauens wird so ein Stück weit zur Freiluft-Gastronomie. Gute Idee, fanden wir, teilten die Bilder auf Facebook und das Thema ging – darf man das in diesen Tagen noch schreiben – viral. 350.000 Menschen haben den Beitrag bis heute gesehen und die Idee wird nun, ob von Vilnius inspiriert oder selbst drauf gekommen, in verschiedenen Städten diskutiert.
Heute hat sogar der Virologe Christian Drosten das Thema in seinem „Coronavirus-Update“ aufgegriffen: „Warum erlaubt man nicht Gastronomien auch, die Bürgersteige mitzubenutzen?“, fragt er in der aktuellen Ausgabe des Podcasts (ca. ab Minute 16). Und schlägt vor, dass Kneipen dort Tische aufstellen können, solange das nicht massiv stört. Wohlgemerkt: Kneipen – also getränkelastige Konzepte.
Das ist interessant, denn mit dieser Aussage lässt er die aktuell seitens der Behörden und zuständigen Ämter überall getroffene Unterscheidung zwischen Speisen und Getränken hinter sich. Man bedenke: Bisher ist es nur Restaurants bzw. Konzepten, die Essen anbieten, erlaubt, unter Einhaltung vieler – notwendiger – Auflagen den Betrieb wieder aufzunehmen. Große Tischabstände, Mitarbeiter*innen mit Mundschutz und so weiter. Hand aufs Herz: Lässt sich damit Aufenthaltsqualität erzeugen? Es wird in einzelnen Fällen gelingen, in vielen vermutlich nicht. Genauer: drinnen nicht.
Es ist Mai, fast Juni. Viele Menschen haben Sehnsucht nach draußen, und draußen zu sitzen, ist beliebt, ob im Biergarten oder im Beachclub. Sobald die Schatten nur etwas kürzer werden, funkelt es orangefarben in den Gläsern auf den Tischen, vom Allgäu bis Ostfriesland liebt man den Aperitivo, huldigt man der Mediterranisierung, auch wenn beide Begriffe nicht geläufig sein mögen. Drinnen hingegen gähnt sommers oft die Leere. Nur wer draußen partout nichts mehr gefunden hat, lässt sich dort nieder, wenn das Wetter besonders schön ist. Wir alle kennen diese etwas seltsame Situation, in einer uns zuvor nicht bekannten Gastronomie draußen zu sitzen und dann drinnen aufs Klo gehen zu wollen, den suchenden Blick fängt dann eine Servicekraft, die das nächste volle Tablett nach draußen trägt, mit der gewünschten Info ab.
Und das ist der Ansatzpunkt: Machen wir doch 2020 das Draußen noch ein bisschen größer. Mit mehr Platz für Gastronomie auf öffentlichen Plätzen, mit mehr Zugeständnis fürs Straßenland, für den Innenhof, für die freie Fläche auf der anderen Straßenseite, für Parkplätze und Parkhäfen – vielleicht sogar im gastronomischen Exil. Platz ist unter aktuellen Vorzeichen nicht in der kleinsten Hütte, davor aber schon und wäre es nicht spannend, solche neuen „third places auf Zeit“ erleben zu können?
Das ist nicht nur für Gäste toll. Es könnte vielen Betrieben das Leben retten, ganz besonders solchen, die wenig Außenbereich haben. Und auch ganz besonders den Bars und Kneipen, die aktuell überhaupt keine Perspektive haben. Noch einmal: Die Aufhebung der Trennung von Speisen und Getränken als Entscheidungsgrundlage für eine Wiedereröffnung ließe sich damit erzielen, und ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Wenn die Auflage lauten würde „nur draußen“, dann würden selbst das viele Bars mitmachen. Dann eben Cocktails nur in Kännchen und nur bis 22 Uhr. Vielleicht kann man ja 22:30 Uhr raushandeln, bis Ende September.
Ja, auch dagegen spricht einiges. Es wird eng auf dem Trottoir, was ist mit den Passanten, dem zusätzlichen Geräuschpegel und vermutlich noch einiges mehr. Dafür müssen Lösungen her, im Einzelfall, und das schnell und pragmatisch. Es soll ja auch nur eine Übergangslösung sein, so wie es die Mehrwertsteuersenkung auf Speisen sein soll. Im Gegensatz zu dieser könnten von mehr Draußen-Dürfen aber, das findet offenbar auch Herr Drosten, ebenso die Kneipen (und Bars) profitieren.
Das Angstbild sich (drinnen) dicht drängender Menschen, Alkohol konsumierend und dann alle Hemmungen und Abstände fallen lassend, ließe sich dadurch aus dem Wege schaffen. Es ist eigentlich ganz einfach: Keine Stehplätze, stets hinsetzen bitte. Nur eben auch – und ganz besonders – draußen.
Let’s go outside (let’s go outside)
In the sunshine
I know you want to, but you can’t say yes
(George Michael)