Im Portrait: Dustin Franke, Bar-Unternehmer aus Berlin

Flüssige Kiez-Kultur in sechs Locations

von Jan-Peter Wulf
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Foto: Ben Fuchs

Er ist gerade mal um die 30 Jahre alt und schon Multi-Gastronom: Der Berliner Dustin Franke betreibt zusammen mit zwei Partnern fünf Bars, ein Bar-Restaurant und hat eine eigene Spirituosenlinie auf den Markt gebracht – und so manches davon entstand mitten in der Pandemie. Wie kommt man dazu?

Es ist Montagvormittag, wir sitzen in der Bar Stück auf der Schlesischen Straße und trinken Wasser mit Kohlensäure. Nicht gerade die typische Uhrzeit für ein Treffen mit einem Bar-Betreiber, könnte man denken, aber Dustin Franke ist hellwach – er selbst hat um das Treffen zu dieser frühen Stunde gebeten – und sehr gut gelaunt. Das „Stück“ ist sein jüngstes Bar-Baby, noch nicht einmal ein halbes Jahr alt, die Bar Bademeister im Stadtteil Weissensee eröffnete kurz zuvor im März 2021.

Wir erinnern uns: Das war mitten im Lockdown. „Wir haben eben mit Außer-Haus-Verkauf angefangen“, sagt Franke und es klingt fast so, als sei es selbstverständlich, in diesen Zeiten zwei Bars zu eröffnen und wenn es die Umstände verlangen, dann eben erstmal nur mit Drinks to go. Mehrfach in unserem Gespräch betont er allerdings: Alleine hätte er das nie gemacht. Alleine würde er sowieso kein einziges Projekt machen wollen: „Ich brauche den Austausch mit anderen. Wir diskutieren viel, führen konstruktive Gespräche, überdenken Ideen und treffen Entscheidungen gemeinsam. Wenn man Standpunkte erörtert, kommt am Ende immer etwas Besseres raus.“ Es sei für ihn „ein unglaubliches Glück“, zwei Menschen getroffen zu haben mit denen er so vertrauensvoll zusammen arbeiten könne.

Von der BWL zum Bösen Wolf

Der eine dieser zwei Menschen ist Frank Rauh. Bei bzw. mit ihm begann Frankes Gastro-Karriere vor knapp zehn Jahren, ziemlich Berlin-klassisch: Zum BWL-Studium aus dem kleinen Nidderau bei Frankfurt in die Hauptstadt gekommen, fing er Ende 2013 in Rauhs Neuköllner Omega Bar hinter dem Tresen an. Zuvor hatte er auf Festivals und im Restaurant-Service schon Branchen-Luft geschnuppert.

Der Job gefiel ihm auf Anhieb. „Mit Frank habe ich mich super verstanden und irgendwann fragte er mich: Was machst du eigentlich nach deinem Bachelor?“, erinnert Franke sich. Und auch daran, mit den Schultern gezuckt zu haben: kein Plan. Der wurde kurzum gemeinsam geschmiedet: Wir machen zusammen eine Bar auf. Was 2015 Realität wurde. Während der Uni-Absolvent Franke sich im Urlaub entspannte, tat Rauh eine Ecklocation am Markgrafendamm in Friedrichshain auf: Aus dem ehemaligen „Irrenhaus“ machten sie die Bar Krass Böser Wolf und zwar im Soft-Opening-Modus: „Wir haben unter der Woche gebaut und am Wochenende aufgehabt. So konnten wir den Kiez an uns gewöhnen und als wir im September offiziell eröffneten, war der Laden von Anfang an belebt“, so Franke. Und die bis dahin verkauften Drinks finanzierten den Bau quer.

Frank Rauh machte ihn zudem zum Teilhaber der „Omega Bar“ und im Mai 2020, aufgrund des ersten Lockdowns ein paar Monate verspätet, eröffneten sie das Butter & Korn auf der Neuköllner Pannierstraße – einen mit ausschließlich deutschen Produkten arbeitenden Gastropub. Halten wir also kurz fest: Mit Frank Rauh betreibt Dustin Franke Stand März 2022 drei Gastrokonzepte.

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Fotos: Redaktion

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Franke: „Wir wollen Leute, mit denen wir selbst ein Bier trinken gehen würden, die eine Herzlichkeit ausstrahlen, die sich auf den Laden überträgt.“

Der zweite Mensch, mit dem Franke so vertrauensvoll zusammenarbeitet, ist Johann Lautenschlager. Er ist sozusagen ein Eigengewächs, denn er war Frankes erster Mitarbeiter und Vertreter im „Krass Böser Wolf“, wechselte dann zwar in die Clublandschaft, doch der gute Kontakt blieb und auch die Idee, ebenfalls irgendwann etwas gemeinsam zu eröffnen. Was 2019 mit der Lamm Bar in der Wisbyer Straße an der Grenze vom Prenzlauer Berg zu Pankow geschah, „Bademeister“ und „Stück“ sollten folgen.

„Johann ist als gelernter Ingenieur der Handwerker im Team. Er besitzt eine eigene Schweißwerkstatt und hat hier im Stück alles selbst gebaut: Tresen, Barhocker, Backshelf, alles. So sparen wir natürlich Geld“, erklärt Franke, der sich, da hat sich das von ihm eher ungeliebte BWL-Studium doch gelohnt, vor allem ums Zahlenwerk kümmert.

Zweimal drei macht sechs

Also: Zwei Geschäftspartner, zweimal drei Gastronomie-Objekte, macht insgesamt sechs. Hinzu kommt eine Produktionsstätte in Kreuzberg, das „Lab“, das die Betriebe mit Zitronensäften, Sirups, dem hauseigenen Eistee, Milk-Washed-Cocktails sowie das „Stück“ mit Pre-Batching-Drinks versorgt, hier nämlich werden die Cocktails vom Fass gezapft. Das „Lab“ gehört Rauh und Franke, es beliefert aber alle sechs Objekte – man sieht daran, dass die Grenzen zwischen den Bar-Gruppen offen sind und vieles ineinandergreift.

Abends nach unserem Gespräch trifft Franke sich mit den sechs Managerinnen und Managern der Betriebe zum Knödelessen, neben den wöchentlichen geschäftlichen Terminen in den Bars pflegt man diesen übergreifenden monatlichen Austausch – und hält viel davon, möglichst wenig nach der Methode Top-down zu agieren. Franke: „Wir haben super Managerinnen und Manager, die sich ums Operative kümmern, die Karte schreiben und Ansprechpartner für ihr Team sind. Bei unseren wöchentlichen Meetings besprechen wir zwar die Strategie, aber bei den Details lassen wir freie Hand. Wir wollen ja keine Roboter, sondern motivierte Leute.“

Hier ein Video und Interview im Rahmen der Mixology Bar Awards 2022, bei dem Franke und Lautenschlager ausgezeichnet wurden:

„Wir wollen Leute, die Herzlichkeit ausstrahlen“

Was gut funktioniert: Während derzeit überall Leute gesucht werden, sehe es in den Betrieben von Franke, Lautenschlager und Rauh derzeit recht gut aus. „Wir haben auch durch den Lockdown relativ wenige Leute verloren, weil wir sie in den Umbau der neuen Läden einbinden konnten“, erklärt Franke. Menschen besser binden könne man auch, weil man ihnen Perspektiven böte: Die Managerin des „Stück“, Romy Gaines, war zuvor an der Bar im „Wolf“, und von dort wechselte auch die studierte Getränketechnologin Lotta Jahnke zur Produktion der „Krass“-Flaschencocktails (zurzeit in zehn Sorten erhältlich).

„Wir erwarten keine Gastronomie-Erfahrungen von den Leuten“, führt Franke fort. „Wir wollen Leute, mit denen wir selbst ein Bier trinken gehen würden, die eine Herzlichkeit ausstrahlen, die sich auf den Laden überträgt.“ Insgesamt sind derzeit rund 60 Personen in diesem Kosmos beschäftigt, von Volllzeit-Angestellten über Werkstudenten bis zu Minijobbern.

Auf dem Tresen des „Stück“ stehen drei Flaschen: Stoa liest man auf ihnen, das ist oberpfälzisch für Stein. Wie die Flaschencocktails, die man im Lockdown via „Gorilla“ tausendfach verkaufte, ist „Stoa“ ein Pandemie-Produkt: „Wir haben anfangs einen Birnenschnaps von Johanns Eltern ausgeschenkt, die einen Bio-Bauernhof haben, die Leute waren wahnsinnig begeistert“, so Franke. So entschied man kurzerhand, eigene Bio-Destillate zu kreieren, erst Roggenkorn, dann Wodka, dann Gin. Bald wird ein Rum mit heimischem Zuckerrüben-Destillat folgen, alles in Zusammenarbeit mit der Obstbrennerei Liebl aus Bad Kötzting. Fürs wirtschaftliche Pouring in den Bars hat zudem einen Gin und einen Wodka in Kooperation mit einem Lohnabfüller entwickelt.

Bars für die Kieze

Was treibt Franke bei all dem, was er binnen so kurzer Zeit auf den Weg gebracht hat, an? „Definitiv die Freude der Menschen. Als wir das Wolf und das Lamm (beide in bis dahin wenig gastronomisch erschlossenen Ecken, Anm. d. Red.) eröffnet haben, kamen die Leute rein und haben gesagt: Es ist so geil, dass hier jetzt was ist! Für den Bademeister haben wir sogar mal eine Fünf-Sterne-Google-Bewertung von jemandem bekommen, der noch gar nicht da war, es aber toll fand, dass wir den Kiez aufwerten.“

Genau so wolle man auch wahrgenommen werden: Kein irgendwo hingestelltes Konzept, sondern ein organisches, auch und gerade für die Nachbarschaft. Weswegen man hier im „Stück“ unter anderem den beliebten „Two for one Tuesday“ (dienstags gibt es zwei Drinks zum Preis von einem) des Kult-Vorgängers „Barbie Deinhoff’s“ fortführt. Ein guter Grund also, nächstes Mal an einem Dienstag wieder zu kommen, dann nicht zum Mineralwasser, sondern zum Beispiel zu einem, nein zwei frisch gezapften „Purple Rain“ mit Sloe Gin, Lillet, Thymian, Zitrone und Sekt.

2015 „Krass Böser Wolf“ mit Frank Rauh
2019 „Lamm“ mit Johann Lautenschlager
2020 „Butter & Korn“ mit Frank Rauh
2020 Launch von „Stoa“ mit Johann Lautenschlager
2021 „Bademeister“ mit Johann Lautenschlager
2021 „Stück“ mit Johann Lautenschlager

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz April 2022.

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