Wer regelmäßig neue Restaurants und Bars besucht, stolpert oft über gewisse Parallelen. Man ähnelt sich im Einrichtungsstil, schwört auf dasselbe Geschirr und ist, was die neuesten Empfehlungen auf der Karte angeht, ganz offensichtlich auf denselben Zug aufgesprungen. Echte Überraschungen werden zur Rarität. Eine davon hat unsere Autorin Jasmin Tomschi vor Kurzem in Wien gefunden. In der ersten Mezcalería der Stadt dreht sich alles um die rauchige mexikanische Spirituose.
Für das Konzept ihrer Bar el FEO wurden Ursula Varela Leyva, Alberto Ortega Cesena und Daniel Varela Leyva neben Hauptgewinner Isla Berlin schon beim Deutschen Gastro-Gründerpreis 2018 ausgezeichnet. Ein guter Zeitpunkt für ein Porträt über jenes Trio, das die Gastronomie in einer ganz ursprünglichen Form zelebriert: als den perfekten Ort zum Treffen, Tratschen und Trinken.
Das el FEO ist keine dieser Fancy-Bars, das will sie auch nicht sein. Stattdessen betritt man an einer Ecke des vielseitigen 8. Wiener Gemeindebezirks die Tür zu einem potenziellen, neuen Stammlokal, falls man sich mal nach einem sehnen sollte. Auf den ersten Blick sieht die Location ganz klar nach stilechtem Wien aus, auf den zweiten macht sich exotisches Understatement bemerkbar.
Die Inspiration geht zurück auf die Stadt Tijuana, wo die Sitten Nordmexikos auf die von Kalifornien treffen: „Mexiko ist insgesamt sehr schön, aber Tijuana hat nochmal etwas ganz Besonderes. Hier wird eine wilde Mischung aus Spanisch und Englisch gesprochen, alles ist speziell eingefärbt – von der Musik bis zur Esskultur, die meiner Meinung nach übrigens die besten Tacos hat.“ Schon seit fünf Jahren kehrt unsere Interviewpartnerin Ursula regelmäßig in die Grenzstadt zu San Diego zurück. Dort hat sie auch ihre heutigen Geschäftspartner, die gebürtigen Mexikaner Dany und Beto, kennengelernt.
Authentisch und bodenständig
Wien hat schon ein paar mexikanische Restaurants, aber die sind meist der Erlebnisgastronomie gewidmet, welche Mexiko so widerspiegelt, wie sich der Europäer das Land und seine Eigenheiten vorstellt: bunt, wild dekoriert und mit lebendiger Musik untermalt. „Ein richtiges Restaurant wollten wir sowieso nie eröffnen“, erzählt Ursula. Im Gegensatz zu Städten wie London, wo es schon Bars gibt, die ausschließlich Mezcal anbieten, ist das Konzept in Österreich noch nicht etabliert. „Unser Auftrag war es von Anfang an, Barflair mit authentisch mexikanischem Essen zu vermischen und Mezcal unter die Leute zu bringen.“ Und das möglichst geerdet, was auf ganz sympathische Weise gelungen ist.
Klar, der Mezcal ist ein gutes Aushängeschild, doch es ist genau diese Bodenständigkeit, die el FEO eigentlich ausmacht. Bewusst blieb bei der Übernahme der Lokalität – ein Pub mit Live-Musik-Fokus – jede Menge Vergangenheit erhalten. Sogar der ehemalige Besitzer sitzt ab und zu noch an der Bar. Was sich hier abspielt, ist ein Paradebeispiel für eine Gastronomie im eigentlichen Sinn: gute Spirituosen, ein paar herzhafte Snacks als Unterlage, der soziale Aspekt im lauten Miteinander und quereingestiegene Gastgeber, die sichtlich Spaß an ihrer neuen Berufung haben.
Aktuell stemmt das Trio den gesamten Workload noch weitgehend im Alleingang, so bekommt man die Macher höchst persönlich zu Gesicht. „Das Schöne ist: Wir haben hier echt eine witzige Mischung von Menschen und die Leute kommen immer wieder. Ich habe durch das Lokal unglaublich viele neue Bekanntschaften gemacht“, weiß Ursula zu schätzen.
„Mezcal ist eigentlich ein Bauerngetränk“
Kommen wir zum Mezcal, jener mexikanischen Spirituose, die aus dem Fruchtfleisch der Agave gewonnen wird. Man kennt Mezcal vielleicht, findet ihn in seiner gesamten Vielfalt aber kaum. Ändert sich das? Kommt vielleicht sogar ein Trend auf? „In Europa bestimmt. In Mexiko selbst ist es eigentlich ein Bauerngetränk. Dort war’s nie schick, Mezcal zu trinken. Mittlerweile sind die Mexikaner aber so weit, dass sie es echt feiern, dass der Welt ihr Essen und ihr Getränk schmeckt.“
Nun muss sich ja jeder Trend erst seinen Weg ebnen: „Am Anfang haben die Leute gar nicht verstanden, warum wir keinen anständigen Schnaps haben. Wir mussten zuerst etwas Überzeugungsarbeit leisten“, blickt Ursula zurück. Das hat sich gelohnt, denn mittlerweile hat el FEO eine kleine, treue Fanbase und Leute, die wissen wollen, ob eine neue Sorte eingetroffen oder ein bestimmter Mezcal wieder auf Lager ist, ob man der Bar bei Gelegenheit mal eine ganze Flasche abkaufen könnte und wann es endlich Merchandize gibt.
Dennoch wissen die meisten Besucher, die el FEO gerade erst für sich entdecken, wenig bis gar nichts über das Getränk, dessen Herstellung in erster Linie rund um die mexikanische Stadt Oaxaca stattfindet. „Ein kleiner Anteil hat vielleicht schon mal davon gehört oder kennt es von Reisen.“ Für alle anderen nehmen sich die Gastgeber gerne Zeit für eine kurze Einschulungen, um zu erklären, wie Mezcal gemacht wird, wie sich die einzelnen Sorten unterscheiden und so weiter. Ursula: „Das Problem ist, dass die meisten Österreicher mexikanische Getränke sofort mit Tequila verbinden, den sie seit der Jugend nicht mehr sehen können. Aber Tequila ist nur eine Sorte von Mezcal.“
Was das Rühren der Werbetrommel angeht, darf sich el FEO seit der Eröffnung im Januar 2018 bereits auf zufriedene Gäste verlassen, die ihren Freunden von der Bar erzählen. Das Trio dahinter hat ein paar Träume, die Umsetzung erfolgt peu à peu, ganz organisch – man experimentiert mit den Öffnungszeiten, sieht sich langsam nach Personal um und bemüht sich gleichzeitig um die Produktion und den Import eines eigenen Mezcals.
„Heute muss man den Leuten etwas bieten“
„Mit dem nächsten 08/15-Lokal wird sich jeder schwer tun, heute muss man den Leuten etwas bieten – und da geht’s nicht nur um den Mezcal oder unser Essen. Die Gäste wollen begeistert werden“, weiß Ursula, die früher im Marketing tätig war und auf die Wirkung eines guten Events setzt: etwa einen „Taco Tuesday“, eine Auflegerei mit Cumbia-Sound, ein Pop-up im Nebenlokal oder zukünftig mal einen mexikanischen Brunch. Am Tag unseres Besuchs gibt’s im Rahmen der „Cali Nights“ typisch kalifornische Burritos und Carne Asada Fries – Rindfleisch, Pommes mit Cheddar-Sauce, Guacamole, Sour Cream und geröstete Chili-Salsa. Beides auch für Vegetarier. Sonst findet sich im regulären Menü eine Auswahl von Tacos, Quesadillas oder Nachos. Auch für Veganer.
Vor dem Essen lassen wir uns aber noch den Lieblings-Mezcal der Gastgeberin einschenken: „Das ist der Mayalen Agua de Juventud aus Guerrero – die Agaven-Sorte ist wild gewachsen. Das heißt, man kann sie nicht züchten. Sie wächst irgendwo in der Wüste, dort muss man sie suchen und finden“, erzählt sie dazu. Dieser Mezcal ist relativ mild, sogar etwas süßlich, aber dennoch typisch rauchig. Ein Tipp für Einsteiger ist der geschmeidige San Cosme aus Oaxaca, der im Vergleich zu anderen Sorten mit 3,50 Euro für 2 Zentiliter auch recht günstig ist.
Margaritas im Weinglas
Während der Margarita, den wir eingangs bestellt haben, ganz untypisch im kleinen Weinglas kommt, das der Wiener aus dem Heurigen kennt, wird die pure Spirituose in originalen Veladoras aus Mexiko serviert: „Die Mexikaner haben quasi das Upcycling erfunden, muss man wissen. Ursprünglich sind da nämlich Kerzen drin und am Glasboden ist ein Kreuz zu sehen, deshalb arbeiten wir in der Bar auch stark mit dieser Symbolik.“ Das spiegelt sich zum Beispiel im Altar mit Madonnafigur wieder, die ein zufällig freigelegtes Gewölbe ziert oder in den alten Kirchenbänken, die Ursula einer aufgelassenen (bundesdeutsch: ehemaligen) Kirche abgekauft und zur Sitzgelegenheit umfunktioniert hat.
Wer etwas erleben will, ist in Wiens el FEO gut aufgehoben und dabei in bester Gesellschaft. Wobei wir hiermit nicht nur die bis zu 30 Sorten Mezcal, die aktuell hinter dem Tresen der Bar stehen, meinen.
El Feo
Breitenfelder Gasse 22
1080 Wien