Das Internet ist voll von Fotos mit Speisen und Getränken, die wundervoll arrangiert sind und wie aus einem Kochbuch entsprungen aussehen. Wenn das Essen auf dem Tisch steht, heißt es trotz knurrendem Magen oft erst: „Noch nicht essen! Ich muss erst noch ein Foto machen. Es sieht so toll aus.“ Aber warum ist das, was die hungrigen Tischnachbarn eher nervt, durchaus interessant und wichtig für Gastronomen?
Warum macht man von einem normalen Essen ein Foto? Und für wen macht man es eigentlich? Weil es Zeit wird, wieder zu instagrammen? Für ein paar Likes? Für die Snapchat-Freunde? Die einfachste Antwort auf diese Fragen ist: Weil man es kann. In den 1980er-Jahren gab es noch kein Smartphone mit hochauflösender Kamera. Es gab eine Kamera mit einer Filmrolle darin – für 12 oder 24 Fotos; dann war der Film voll. Anschließend brachte man es zu einem Laden, der den Film entwickelte. Nach rund zwei Wochen waren die Fotos fertig und konnten abgeholt werden. Damals kam keiner auf die Idee, seinen Freunden zu zeigen, was man zwei oder drei Wochen zuvor gegessen hat. Heute kann jeder jederzeit seinen Genuss mit der Welt teilen. Essen ist ein mediales Ereignis geworden.
Aber es steckt natürlich noch viel mehr dahinter. Psychologie – wie so oft in der Gastronomie. Foodporn ist eine Form der Selbstdarstellung: „Seht her, was ich mir leisten kann!“ oder „Schaut, was ich mir heute wieder gönne!“. Essen wird zum Statussymbol. Wer postet den höchsten Burger, den dekoriertesten Milchshake?
Die Wissenschaft hat festgestellt: fotografiertes Essen schmeckt besser
Essen wird so zum Indikator für die Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Milieu oder dem Wunsch, dazu zu gehören. Politiker würden zum Beispiel Fotos posten, auf denen sie einen Burger oder eine Currywurst essen, um volksnah zu wirken. Food-Fotos sind imagebildend. Mal sollen sie abgrenzen, um zu zeigen, dass man sich etwas leisten kann: „Heute essen wir ein teures Steak.“ Ein anderes Mal möchte man Zugehörigkeit zeigen: „Ich bin einer von euch und esse auch Burger!“ Außerdem wollen US-Forscher herausgefunden haben, dass fotografiertes Essen besser schmeckt. Das geht aus einer Forschungsarbeit des „Journal of Consumer Marketing“ aus dem Jahr 2016 hervor. Die Studie ergab, dass Mahlzeiten, die im Netz geteilt werden, schmackhafter empfunden werden.
Allein auf Instagram findet man unter dem Hashtag #foodporn, Stand Juni 2018, weit über 150 Millionen Bilder. Über 150 Millionen Mal wurde auf diesem Weg kostenlos für eine Gastronomie Werbung gemacht. Foodporn ist die Mundpropaganda des digitalen Zeitalters. In dieser gigantischen Werbemaschinerie sollten Gastronomen heutzutage unbedingt mitmischen. Essen muss Instagram-fähig sein. Gastro-Gründer sollten daher zumindest ein paar Speisen (oder Getränke) auf der Karte haben, die für ein Foto optisch ansprechend sind. Und umsatzsteigernd ist dies auch noch: Manche Gäste suchen sich extra viele Toppings aus, damit es auf dem Foto schön aussieht. Da darf es gerne auch mal der mehrstöckige Burger mit der Extraportion Käse sein!
Nächstes Mal: G wie Geschäftsplan – Fakten aus der Kristallkugel
Das Gastro-Gründer-ABC auf nomyblog begleitet Sie vierzehntägig mit den wichtigsten Themen von A bis Z. Der Autor Ralf Klümper war bis 2017 selbst zehn Jahre Gastronom in Essen („Die Insel“). Seine Praxiserfahrung vermittelt er seitdem als Gastro- und Gründerberater und schreibt für Gastro-Blogs und Fachpublikationen.