Seit einiger Zeit bin ich auf der Suche nach einer guten und familienfreundlichen Gastronomie in Berlin. Das liegt daran, dass ich seit einiger Zeit eine kleine Familie habe. Ganz einfach – und dann doch wieder nicht.
Denn längst nicht überall fühlt man sich wohl, wenn man einen kleinen Gast mit dabei hat. Man fühlt sich – genauer: ich fühle mich – indirekt oft unsicher: Stört das Geschrei und Gezappel die anderen Gäste, speziell die ohne Kinder? Die gehen schließlich in ein Restaurant, lassen nicht wenig Geld da, um eine gute Zeit zu haben, wollen quality time.
Oft passt auch das Angebot nicht. Beispiel: Bei uns um die Ecke gibt es ein frisches, gesundes, modern-deutsches Tageskonzept. Eigentlich genau das, was junge Eltern im Kiez gut finden könnten – aber so gut wie nichts auf der Karte ist für ganz kleine Kinder geeignet. Das ist ja schon fast umsatzfahrlässig.
Dann gibt es speziell auf Familien zugeschnittene Konzepte. Etwa jene Spielcafés, die sich zwischen Kita und Café nicht entscheiden können und letztlich beides nicht sind. Da sitzt man in grellgrünem Interieur, das Kindern gefallen soll (tut es das?), trinkt mittelmäßigen Kaffee und am Ende wird eine „Spielgebühr“ zusätzlich erhoben. Not my cup of tea.
So richtig positiv waren bislang wenige Erfahrungen. Eine schöne Ausnahme stellte der Besuch „Karabach“ auf der Hermannstraße da, wo der Nachwuchs vom lieben Keller eine kleine Führung durchs Restaurant und exklusiv ein Dessert aufs Haus bekam. Wow.
Gutes Gefühl im „Restaurant R“
Ein noch größeres Wow dann im „Restaurant R“. Es befindet sich seit einigen Monaten am Neuköllner Eingang zum Tempelhofer Feld. Ich lebe um die Ecke und, Asche/Haupt, noch nie war ich zu Gast. Bislang hatte ich nur mal einen schnellen Blick hineingeworfen: „exposed brick“ der Sonderklasse mit großen Löchern in den Wänden, die aus mehreren Räumen einen machen, die offene Küche im hinteren Bereich. Sehr Berlin. Betreiber ist Thorsten Böcker und er macht auch das „Rara Jooseppi“.
Erstbesuch gleich im „Härtetest“ mit etwas quengeligem Kind, das von Anfang an nicht sitzen, sondern lieber durch die Gegend laufen will. Es bekommt die hausgemachten und nicht aus dem TK-Pack entnommenen Chicken-Nuggets mit knusprig-süßer Cornflakes-Panade von der separaten Kinderkarte (zudem gibt es alle Speisen für die großen auch als halbe Portion für die halbe Portion). Echt ganz lecker, und gäbe es sie auch spicy, ich würde sie glatt für mich selbst bestellen.
Richtiges Preisband für Eltern
Die Großen wählen Lammkeule (zart und butterweich), Lammkoteletts (dito, auch der Extrawunsch, die Beilagen gegen jene eines anderen Tellergerichts auszutauschen, stellt hier überhaupt kein Problem dar, was längst nicht immer so ist), überbackenen Käse (gut) und einen Burger (amtlich und vor allem: es gibt Buns in verschiedenen Farben – gelb, schwarz, grün – ein Fest für Kids). Vorher gibt es würziges hausgemachtes Brot. Alles in ordentlicher Qualität, das Preis-Leistungs-Verhältnis ist tadellos. Und genau richtig für den Besuchsanlass mit Kids – denn das ist immer von Ablenkung, Aufstehen und Co. geprägt. Da will ich kein Fine Dining, für das ich mehr als 30 Euro hinlege und das meine volle Aufmerksamkeit braucht, aber natürlich auch kein Low-Budget-Food, weil das im Restaurant fast immer Low-Quality-Food ist.
Blick zu den Nachbartischen: Es sind viele Kinder mit ihren Familien da. Eine große Spielkiste wird herbeigebracht, trubelig geht es zu. Auch mal laut, wie das halt so ist. Das ist für den Service überhaupt kein Problem, die Mitarbeiter sind freundlich und entspannt und umkurvt die Kleinen galant mit den Tabletts. Als der Nachwuchs mit dem mitgebrachten Ball losstürmt (wie gesagt: Härtetest), findet der nette Restaurantleiter sogar Zeit für ein bisschen spielerische Interaktion.
Familien sind frühe Gäste = Tische können zweimal umgeschlagen werden
Jetzt zu sagen: Okay, ist halt ein Kinder-Restaurant, das wäre denkbar falsch. Es ist erst 19 Uhr, und um 20 Uhr werden fast alle Familien, inklusive uns, wieder draußen sein. Und dann kommen andere Gäste. Im hinteren Bereich des Restaurants stehen recht kühl wirkende Metalltische, auf allen liegen Reservierungskarten – für Gäste (vermutlich ohne Kleinkinder), die gleich eintreffen. Vorne, wo wir sitzen, gibt es Eckbänke und Holztische, das finden auch die Kids gemütlich. Und wenn wir gleich alle weg sind, können die Plätze nochmal umgeschlagen werden. Hier sieht man dann übrigens auch die Sonne über dem Tempelhofer Feld untergehen, das Abendlicht schimmert bis nach ganz hinten in den Raum hinein. Ziemlich nice.
Der Bauch ist satt. Er fühlt aber noch was anderes: Beruhigung. Entspannung. Ich habe das erste Mal seit langer Zeit nicht das unangenehme Gefühl in mir, mit meinem quirligen Anhang gestört zu haben, ein Gefühl, das sonst das gesamte Erlebnis killt. Da kann das Essen noch so gut gewesen sein.
Gibt es überhaupt was zu kritisieren am „R – Restaurant“? Maximal, dass Gabeln und Messer zu leicht in der Hand liegen. In meiner jedenfalls. Vielleicht denkt man hier einfach primär an die kleinen statt an die großen Gäste, dann wäre es am Ende ein weiterer Familienpluspunkt. Ach ja: Ein bisschen mehr Bierauswahl (für die Großen) wäre toll. Packt noch ein paar Craft-Biere auf die Karte, ich sehe gute Chancen für einen Väter-Stammtisch.
R
Oderstraße 52
12049 Berlin
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