Felix Schneider: „Dass man eine Vorbildfunktion hat, kann man gar nicht wegreden“

Der Zwei-Sterne-Koch macht sich mit seiner „avantgardistischen Naturküche“ selbstständig

von Antje Urban
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Felix Schneider (links) und Team. Alle Fotos: Cristopher Civitillo

Von der klassischen Sterneküche wollte Felix Schneider sich schon im Restaurant „Sosein“ in Heroldsberg abheben. Und bekam dann zwei Michelin-Sterne und dazu den Grünen Stern für Nachhaltigkeit. Jetzt hat er sich mit seinem eigenen Restaurant „Etz“ in Nürnberg selbstständig gemacht – zusammen mit Stefan Frank und Thomas Prosiegel, mit denen er bereits seit sieben Jahren im Team zusammen kocht.

Im Etz will Schneider seine ganzheitliche, nachhaltige und regionale Küche weiterentwickeln. Er findet, Nachhaltigkeit werde in der Sternegastronomie noch zu wenig umgesetzt. Und macht derweil schon mal vor, wie es gehen kann. Antje Urban hat sich mit ihm unterhalten.  

Felix, was bleibt vom „Sosein“-Konzept und was ändert sich in deinem eigenen Restaurant?

Unser Konzept bleibt, aber in den Räumlichkeiten der „Bindergasstheke“ in der Nürnberger Innenstadt haben wir eine offene Küche und werden daher viel mit dem Gastraum interagieren. Die neue Location verlangt etwas andere Abläufe, es passiert alles vor dem Gast. Wir machen ja eine besondere Küche mit viel Handwerk, und das legen wir ganz offen. Das finden unsere Gäste, glaube ich, sehr schön. Dieser Standort ist aber nur temporär. Im Laufe des nächsten Jahres werden wir nochmals umziehen, aber im Moment gibt es noch keine neue Location. Den Namen „Etz“ werden wir aber auf jeden Fall behalten. Und auch in Nürnberg bleiben – das steht fest.

Warum „nur“ Nürnberg? Würde Euer Konzept nicht auch in einer Metropole funktionieren?

Da bin ich mir nicht so sicher. Wir haben Corona auch genutzt und eine kleine Deutschlandtour gemacht. Jeder Ort hat seine Vor- und Nachteile. In einer Großstadt ist es sicher leichter, dass das Restaurant immer voll ist und, dass man auf ein offeneres oder interessierteres Publikum trifft. Aber es ist dafür weitaus schwieriger, sich abwechslungsreich mit Produkten zu versorgen, wie wir das hier in Nürnberg können. Wir haben uns ein wichtiges Netzwerk an Erzeugern – wir nennen sie ganz bewusst nicht Lieferanten – aufgebaut. Und dazu kommt, dass auch das ganze Team von hier kommt.

Ihr habt immer noch nur drei Öffnungstage, wie rentiert sich das?

Wir haben jeweils am Donnerstag, Freitag und Samstag am Abend geöffnet und können bis zu 24 Gäste bewirten. Wir mussten uns schon vorher selbst tragen im „Sosein“, so wie jetzt auch. Kollegen haben vielleicht andere Kalkulationen, aber für uns funktioniert das System gut. 

Ihr besitzt auch zwei Gärten, in denen ihr für Euer Restaurant Gemüse und Kräuter anbaut. Wie kriegt ihr das zeitlich unter einen Hut?

Das ist natürlich ein erheblicher Zeitaufwand, der eben auch nur mit den drei Öffnungstagen möglich ist und mit der Tatsache, dass wir nur eine Speisenfolge anbieten. Wir bauen nicht alles selbst an, sondern das, was wir so nicht kaufen können. Mit unseren Gärten schöpfen wir aus einer großen Vielfalt an Aroma- und Duftpflanzen, Kräuter, Blüten und Gemüse. Und diese gärtnerische Tätigkeit führen wir ja auch aus, um ein Bewusstsein für Wertigkeit und Saisonalität zu bekommen – und um eine Nähe zur Anbauform und zur Natur zu haben. Sozusagen als Anker für kreative Gerichte. 

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etz Menue 1277 - konzepte, gastronomie, food-nomyblog Felix Schneider: „Dass man eine Vorbildfunktion hat, kann man gar nicht wegreden“Schont das Kochen mit regionalen Produkten denn das Budget?

Das ist schwierig zu beantworten. Wir kaufen zwar lokal und direkt beim Erzeuger, aber das muss nicht unbedingt günstiger sein. Vor allem, weil man noch die Faktoren Logistik und die eigene Arbeitszeit mit reinrechnen muss. Bei uns fließt viel Geld in die Rohstoffe. In unseren Menüs findet man vielleicht keinen Seefisch, aber dafür geben wir zum Beispiel eine unfassbare Menge für besondere Obstsorten oder Pilze aus, die man woanders gar nicht kennt. Preistreiber ist natürlich tierisches Protein. Das heißt, wenn wir weniger Fleisch und Fisch verwenden, wird es ganz klar günstiger.  

Auf der „Chef-Sache“ in Düsseldorf sagtest du, dass ihr weniger Fleisch als Hauptkomponenten in euren Menüs einbauen wollt.

Absolut! Wir sind zwar mit Gerichten gestartet, deren Hauptbestandteil tierisches Protein ist. Wir wollten ja auch nicht – oder zumindest noch nicht – ein veganes oder vegetarisches Restaurant werden. Die Richtung, in die wir gehen wollen, ist trotzdem relativ klar. Fakt ist aber nunmal, dass wir in Mitteleuropa leben. Wenn wir also sagen, wir wollen regional kochen, dann sind wir von einem sehr langen Winter beeinflusst. Eine lange Zeit, in der sehr wenig Wachstum herrscht und die Produktvielfalt somit enorm eingeschränkt ist. 

Aber unser Plan für nächstes Jahr ist, auf jeden Fall über mehrere Monate im Sommer ein ausschließlich vegetarisches Menü anzubieten. Und wir haben uns vorgenommen, das verbrauchte Gesamtvolumen an tierischem Protein vom „Sosein“ in 2020 zum „Etz“ in 2022 um 50 Prozent zu reduzieren. Das können wir mit verschiedenen Mechanismen erreichen. 

Das tut ihr aus eurem eigenen Selbstverständnis heraus? 

Vor fünf oder sechs Jahren haben wir ja schon gesagt, wir wollen Tiere nur ganzheitlich verwenden. Um auf diese Weise eben auch Verantwortung zu übernehmen und nicht Teil einer großen tierindustriellen Maschinerie zu sein. Aber auch aus der Tatsache heraus, dass wir im Sommer, wenn die Gärten überlaufen, gar kein Fleisch und Fisch brauchen. Unsere Küche hat versucht, sich mit vielen Problemen aus unserem Alltag zu beschäftigen: Wollen wir Tiere essen? Wenn wir Tiere essen wollen, wie soll das Tier sterben, leben und wie sollen wir es zubereiten? Was ist uns Handwerk wert? Was ist uns Zeit wert? Das sind ja doch mit die elementaren Fragen unserer Zeit und unserer Branche. 

Das klingt etwas schwermütig. Macht euch das Umsetzen dieser selbst auferlegten Verantwortung denn auch Spaß?

Uns macht das unfassbar viel Spaß, aber man muss trotzdem die Tatsachen sehen. Es ist doch die Frage, wie wir im Allgemeinen als Gastronomen damit umgehen. Nicht die Katastrophe zu sehen, wäre dumm, sie ist ja da. Ich sehe uns daher eher realitätsnah und optimistisch. 

Findest du, dass du als Sternekoch eine Vorbildfunktion hast?

Ich finde schon, wenn man sich klarmacht, dass viele Entwicklungen, die wir zu Hause so nutzen, mal in der Hochküche entwickelt wurden. Und gerade Köche orientieren sich ja auch an Köchen. Dass man da eine Vorbildfunktion hat, kann man gar nicht wegreden. Doch mit dieser Position muss man verantwortlich umgehen.

Wie siehst du die Entwicklung der Sternegastronomie in Richtung Nachhaltigkeit?

Das Bewusstsein ist da, aber man sieht zu wenig Veränderung. Es gibt meiner Meinung nach eine Bewegung bislang mehr mit Worten als mit Taten.  

Ihr habt eine alte Metzgerei als Labor. Wie muss man sich das vorstellen?

Unsere Küche besteht quasi aus zwei Strängen. Auf der einen Seite schaffen wir ständig Rohware ran und verarbeiten sie permanent. Wir brauchen natürlich einiges für das aktuelle Menü. Gleichzeitig müssen wir immer auch für die Jahreszeit vorproduzieren, in der wir nichts haben. Da finden dann alle Prozesse statt, die wir in den letzten Jahren entwickelt haben. Das heißt, es wird nonstop während der gesamten Erntesaison gesammelt und in irgendeiner Art und Weise präpariert und in eine Metamorphose geschickt. Es wird eingelegt, geräuchert, getrocknet oder fermentiert. Und auf der anderen Seite finden natürlich die ganze Zeit noch Experimente statt, weil wir Versuchsmengen von Forschungseinrichtungen, Erzeugern oder neuen Start-ups bekommen, mit denen wir Neues probieren. 

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Was stellt ihr denn alles selbst her?

Wir backen Brot und produzieren unseren eigenen Zucker aus Zuckerrüben. Im letzten Jahr haben wir rund eine Tonne Tomaten aus unserem Garten verarbeitet. Dann kaufen wir vier Schweine im Jahr und stellen unsere eigenen Schinken- und Wurstwaren her. Wir machen alles Mögliche an Milchprodukten. Es wird nur Sahne und Milch gekauft. Käse, Molke, Joghurt und Butter stellen wir dann damit selbst her. Genauso wie Essig, Miso oder unsere Sojasoßen.

Das alles muss man dem Gast doch näher bringen, das macht eure Küche mitunter sehr erklärungsbedürftig?

Ja, das ist richtig. Aber das machen wir gerne. Die Geschichten zu unseren Produkten gehören dazu. Deswegen ist uns aber auch wichtig, dass das Produkt klar erkennbar ist in unseren Gerichten. Wir sind keine Freunde von großen Tellerkreationen, sondern das Produkt darf strahlen. 

Wie wollt ihr euch im „Etz“ weiterentwickeln?

Die Arbeit, die wir im „Sosein“ gemacht haben, ist ja mit die Spannendste in Deutschland. Es gibt nicht viele Restaurants, die auf so hohem Niveau regional arbeiten. Es ist handwerkliche Komplexität mit Regionalität gepaart. Da kommt die Entwicklung ganz von selbst. Das stetige Lernen ist Teil unserer Entwicklung und um die mache ich mir keine Sorgen. Im Sosein ist ja alles in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit entstanden und plötzlich war es das meist besprochene Restaurant. Schneller, höher, weiter kann ja nur scheitern. Und das war auch gar nie unser Ansinnen. Es braucht eine Natürlichkeit, die organisch und langsam wachsen muss. 

Du bist auch gerne im Wald unterwegs und suchst nach essbaren Pflanzen. Was macht denn Felix Schneider, wenn er nicht im Garten, nicht im Wald oder im Restaurant ist?

Eigentlich fast das Gleiche. Gärtnern und Pilze sammeln ist meine große Leidenschaft. Und ein bisschen Rennrad fahren. 

www.etzrestaurant.de

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