Wie blickt die Branche auf dieses irre Jahr zurück? Wie blickt sie in das neue Jahr? Und was wünschen sich die Gastronom*innen, aus unternehmerischer wie persönlicher Sicht? 21 Statements.
Sandro Ciani, Vunk Food, Frankfurt:
„Ich blicke mit einem freudigen und einem besorgten Auge nach 2021 … ich befürchte, dass zu wenige Menschen dauerhaft ihr Verhalten ändern werden und ihren Impact auf die weitere Zerstörung unserer Erde nicht ernst genug nehmen. Dennoch gebe ich einfach weiterhin alles, um mich und mein Umfeld positiv zu motivieren!
Ich wünsche mir, dass in diesem Zusammenhang das Volk realisiert, dass wir es sind, die Veränderungen schaffen können, auch ohne Politiker. Von unseren Politikern wünsche ich mir mehr Transparenz bezüglich ihrer Entscheidungen und etwas mehr gerechtere Konsequenz wäre mir auch sehr recht.“
Nina Zilvar, Küche Bar, Berlin:
„Ich befürchte, das neue Jahr wird holprig beginnen. Eine Öffnung der Gastronomien sehe ich keines Falls vor dem 22. Februar 2021. Warum dieses Datum? Die Infektionszahlen sind gerade enorm hoch, wir werden es nicht so schnell unter Kontrolle bekommen. Am 22. Februar haben wir Karneval und sämtliche bundesweiten Winterferien hinter uns. Sollten die Zahlen bis dahin nicht unter Kontrolle sein, kann ich mir sogar Beschränkungen bis nach den Osterferien vorstellen. Ich mag da gar nicht wirklich drüber nachdenken … dann sind wir über ein halbes Jahr geschlossen bzw. hatten mit Einschränkungen (Sperrstunde) zu tun. Katastrophe! Finanziell und auch moralisch, die Motivation für das zu arbeiten, was man sich mühselig aufgebaut hat sinkt irgendwann auch. Du fängst quasi von vorne an!
Ich wünsche mir, dass möglichst wenig Menschen diesem Virus zum Opfer fallen, gesundheitlich und auch wirtschaftlich! Ich wünsche mir, dass dieser Impfstoff die erhoffte „Erlösung“ bringt. Ich glaube es wird sehr lange dauern, bis wir wieder Normalität leben werden. Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt wieder Clubs, Konzerte und Massenveranstaltungen in dem Umfang geben wird, wie wir es vor Corona kannten. Wenn das Virus eins nachhaltig schaffen könnte, dann eventuell, dass Menschen gegenseitig ein wenig mehr Acht aufeinander geben! Vielleicht?! Vielleicht bleibt sich aber auch jeder selbst der Nächste, aus Angst, man weiß es nicht.“
Thomas Kosikowski, Salt & Silver, Hamburg:
„Ich bin zuversichtlich. Das Jahr war mit Sicherheit das schwierigste nach dem Krieg für unsere Branche und es ist viel kaputt gegangen, was gut war und hätte bleiben sollen. Auch uns hat es hart erwischt. Es waren unglaubliche Anstrengungen und Veränderungen notwendig, damit wir diese Krise überstehen und das wird auch noch ein wenig so weiter gehen. Trotzdem werden wir gestärkt und gesundet aus dieser Phase hervorgehen und ich freue mich auf viele weitere Projekte mit meiner Crew, denn eins hat sich auf jeden Fall gezeigt: Wir halten zusammen, komme was wolle. Das macht mich sehr glücklich und zuversichtlich.
Was ich mir wünsche: Ich möchte ehrlich zu mir selbst sein und mir eingestehen, dass es uns in Deutschland wirklich sehr gut geht und wir dankbar sein sollten für das, was wir haben. Ein Learning für mich in dieser Krise: Mit dem Finger auf andere zu zeigen und andere für mein Unglück verantwortlich zu machen, bringt mich nicht weiter. Wenn ich mich auf das konzentriere was ich habe und das beste daraus mache, dann kriege ich (jedenfalls in Deutschland) die meisten Probleme gelöst. Auch mit Hilfe von meinem engsten Umfeld.
Ich finde, wir jammern in Deutschland auf ziemlich hohem Niveau und beschäftigen uns zu wenig mit den inneren Werten und mit der Zusammenarbeit in einer Gemeinschaft. Jeder kämpft am Ende des Tages dann doch für sich selbst, das gilt gleichermaßen für die Politik als auch für den Großteil der Wirtschaft. Die Gastronomie hat in dieser Krise gezeigt, wie wertvoll Zusammenhalt und Engagement sind. Ich hoffe daraus entstehen in Zukunft tolle Dinge. Ich wünsche mir, dass die Menschen in Zukunft wieder menschlicher werden und denen helfen, die Hilfe brauchen, auch wenn das manchmal bedeutet, sich selbst ein wenig zurückzunehmen.“
Alexandra Rehberger, Schlosshotel Hohenstein, Ahorn bei Coburg:
„Dass nochmal ein Lockdown kommt, damit hatten wir schon gerechnet. Nur eben nicht schon im Herbst, sondern eher im Frühjahr. Dass wir jetzt im November schon wieder zumachen mussten, ist halt nach Eröffnung im Oktober (!) schon ziemlich granatenscheiße. Vor allem, da die Maßnahmen einem Nachsitzen für die ganze Klasse ähneln. Es gibt keinerlei Indiz, dass die Gastronomie der Ansteckungsherd ist, es waren doch vornehmlich private große Feiern, die in den letzten Monaten die Zahlen nach oben getrieben haben. Ich meine, im totalen Lockdown wie in Nürnberg darf man zum Friseur, der weder an ein HACCP gebunden ist wie wir, noch mit Abstand arbeiten kann, wegen Armlänge.
Grundsätzlich wird immer geheiratet und gestorben, auch alle Feiertage kommen jedes Jahr pünktlich und deshalb ist Bewirtung von anderen Menschen schon was Krisenfestes. Auch dass es einfach mal andere Zeiten und eine Verschiebung des Zeitgeistes gibt ist jetzt auch nicht total überraschend. Schade ist nur, dass einige Branchen als Bauernopfer herhalten müssen und eher aus purem Aktionismus entschieden wird. Dass sich jetzt Feiern ins Private verlagern – auch logisch. Dass Alkoholverbote und Ähnliches noch nie total wirksam war – auch klar. Da empfehle ich sonst per se Geschichtsbücher zur Prohibition zu lesen, ist amüsant und bildet – moonshine und bootleggin‘ und blues.
Ich hoffe, dass wir ins Frühjahr kommen, dann spreche ich über Zuversicht oder nicht. Sonst war das hier ein schönes, aber kurzes Vergnügen und ein Privatkonkurs. Aber auch dann geht das Leben weiter, und jeden Tag die Sonne auf. Es ist ja nicht so, als stünden wir kurz vorm Hungertod oder Zusammenbruch der Wirtschaft. Ich habe seit fast 10 Jahren eine chronische aus einem Gendefekt heraus entstandene Krankheit, da war ich dem Ableben schon mal sehr nahe und hatte wirklich Angst um meine Haut. Ging auch vorbei.“
Eric Bergmann, Jigger&Spoon, Stuttgart:
„Stille Nacht: Noch nie waren diese Worte so treffend wie diesen Dezember. Dieses Jahr gab es sagenhafte 141 stille Nächte. Eine zutiefst niederschmetternde Zahl. Hatten wir doch vor Corona einen einzigen Tag in unserem zweieinhalbjährigen Bestehen geschlossen. Und das aus einem freudigem Anlass. Ein freudiger Anlass liegt bei den 141 Schließtagen beim besten Willen nicht vor. Die Infektionszahlen steigen und wir, die Bars, sind das mitunter erste Bauernopfer, das fällt. Grausamer Weise kann ich die Vorgehensweise der Regierung sogar teilweise nachvollziehen. Meinen Ärger verringert das zwar nicht, aber tauschen möchte ich auch nicht mit ihr.
Den zweiten Reboot werden wir frühestens 2021 erleben. Wie viele dieser Reboots noch auf uns zukommen werden, ist zum momentanen Zeitpunkt noch ungewiss. Aber eins steht fest: Wir werden uns nicht von ihr unterkriegen lassen! Und damit meine ich nicht die Regierung, sondern die Krankheit. Wir im Jigger&Spoon haben die 141 Tage vor allem für eines genutzt: um besser zu werden. Weiterbildung, Optimierung und General Cleanings wurden durchgeführt, aber auch Projekte, die wir seit der Eröffnung vor uns hergeschoben haben, wurden endlich umgesetzt. Und ja, offensichtlich überwiegen die negativen Seiten an diesem Lockdown. Das finanzielle Desaster ist nicht von der Hand zu weisen und den Einen oder Anderen mag eine Lappalie wie der Jojo-Effekt um die Hüftregion genauso begleitet haben wie die Inzidenzzahlen.
Doch am Ende dürfen wir eines nicht vergessen: Es geht um Menschenleben. Ob nun die Schließung der Gastronomien allein dazu beiträgt, diese zu senken? Aus meiner Sicht kann ich das mit einem klaren Nein beantworten. Was aber auch fest steht ist, dass eine Öffnung unserer Lokale unter den Bedingungen einer Sperrstunde für die meisten noch frustrierender und unrentabler gewesen wäre, als uns komplett zu schließen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass die November- und Dezemberhilfen es schaffen, das Leid auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Und wenn ich an dieser Stelle ganz ehrlich sein darf? Wer aufgrund einer fantasievollen Buchhaltung der letzten Jahre nun kotzt und nur ein kleines Stück vom Kuchen abbekommt, den verstehe ich nicht. Haben diese „Kollegen“ ihre vorgezogene, selbst abgeschöpfte Hilfe doch bereits erhalten.
Besonders während der ersten Schließperiode habe ich von Kollegen gehört, dass ihnen die Decke auf den Kopf fällt, nachdem sie alle Streamingdienste durchgeschaut und die komplette Hausbar leergetrunken haben. Das kann ich tatsächlich verstehen, nachvollziehen kann ich es nicht. Wir haben in der heutigen Zeit so viele Möglichkeiten wie noch nie, uns fortzubilden und unser Wissen zu erweitern.
Vielleicht ist genau jetzt die richtige Gelegenheit, die Fremdsprache zu erlernen, die wir schon immer beherrschen wollten? Manche freuen sich über die Zeit mit ihrer (frisch gebackenen) Familie. Manche über den Schlaf, sofern dieser mit der drohenden Pleite im Hinterkopf zu vereinbaren ist. Neben der unheimlich frustrierenden Situation sehe ich in dieser Schließung aber vor allen Dingen eins: die Möglichkeit besser zu werden. Lasst uns die Lockdown-Phase sinnvoll nutzen, statt in Selbstmitleid zu ertrinken. Auch wenn es schwer fällt.
Für das nächste Jahr wünsche ich mir eine konsequentere Regierung, die auch wenn es weh tut, durchgreift und sinnvolle Schließungen anordnet, um die Zahlen realistisch zu senken. Eins haben wir gelernt: Mit dem Lockdown light funktioniert das zumindest schon mal nicht und ein langes Fackeln führt unwiederbringlich zu Pleiten.
Ich wünsche mir, dass so wenige Kollegen wie möglich der Mut und der Antrieb verlässt, um nächstes Jahr gemeinsam durchzustarten und langsam wieder in unseren gewohnten Alltag zurückfinden. Denn der wird kommen. Vielleicht nicht genau gleich wie vor Corona, aber er wird kommen, da bin ich mir sicher.
Und wer weiß, eventuell nehmen wir einiges aus dem ganzen Scheiß mit. Und sei es eine Fremdsprache! Bleibt gesund and #comebackstronger. Jetzt ein Glas Kessler Hochgewächs. Champagner kann ich mir definitiv frühestens nächstes Jahr wieder leisten.“
Miranda Zahedieh, Bite Club, Berlin:
„Ich stehe optimistisch vor 2021 und hoffe, dass es besser wird. Dass ich wieder arbeiten kann, dass ich reisen kann, um meine Familie und meine Lieben zu sehen. Dass ich tanzen gehen kann! Der Pragmatismus setzt jedoch ein und die Realität unterscheidet sich wahrscheinlich nicht so sehr vom vergangenen Jahr. Wir werden immer noch mit dieser „neuen Normalität“ leben müssen und werden wahrscheinlich zunehmend die langfristigen physischen negativen Auswirkungen der Pandemie auf unsere Arbeit sehen, insbesondere wenn wir in der Welt der Gastronomie und der Events arbeiten, die so hart getroffen von den Einschränkungen war. Es ist auch das erste Jahr des Brexit. Als britische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in Berlin ist die endgültige Realität dieser Trennung ziemlich herzzerreißend. Es wird sehr interessant sein zu sehen, wie sich alles entwickelt.
Ich hoffe wirklich, dass wir aus der globalen Pandemie lernen, zusammenkommen und die Lehren aus dem Jahr 2020 ziehen, um die Gesellschaft zu verbessern und die Dinge fairer und gleichberechtigter zu gestalten. Dass wir den richtigen Weg wieder aufbauen. Und uns irgendwann hinsetzen, die Zeitung lesen und uns positiv und aufgeregt fühlen über die Richtung, in die wir dann gehen.“
Till Riekenbrauk, Brauhaus Johann Schäfer, Köln:
„Ich blicke zuversichtlich ins neue Jahr. Schlimmer als dieses Jahr kann es ja kaum werden. Selbst wenn die Hoffnungsschimmer (Impfung, Frühling) sich als Nebelkerzen heraus stellen. Wir wissen jetzt, womit wir es zu tun haben. Klar, die Unsicherheit und die ständigen Umstellungen sind Kräfte raubend, aber ich bin Optimist und glaube fest daran, dass 2021 wieder mehr Spaß macht.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte? Dann wäre das wohl, dass der Zusammenhalt der Branche so bestehen bleibt. Da ja zwei Herzen in meiner Brust schlagen – neben dem Gastronom bin ich ja auch noch Veranstalter – wünsche ich mir auch für diese Branche bald wieder Möglichkeiten. Hoffen wir alle, dass mein Optimismus sich bewahrheitet und 2021 vielleicht sogar wieder Spaß macht … Daumen sind gedrückt.“
Thomas Pflanz, Hildegard Bar, Berlin:
„Ich habe eine Bar immer als eine Form eines Gesamtkunstwerks verstanden. Ein Kunstwerk, in dem natürlich in erster Linie fantastische und hochwertige Drinks entstehen. Dies ist jedoch bei Weitem nicht ausreichend um diesen Ort meiner Sehnsucht zu beschreiben. Das Zusammenspiel von guter Musik, Farbgebung, Design, Materialien, Gesprächsfetzen, Licht, der Klang des Rührlöffels im Glas, faszinierende Menschen auf der Suche nach einem Barroom, der diese Aspekte gewährleistet. Lauter kleine Details die in ihrer Gesamtheit einen wundervollen Ort der Einkehr schaffen.
Ich wünsche mir diesen Ort so sehr wieder zurück. Ich will nicht meine Tür öffnen und meinen Gästen eine Tasse mit heißem süßen Wein in die Hand drücken. Ich will über den 90er-Bordeaux philosophieren und wie psychedelisch er war. Ich will meinen Burgunder nicht erhitzen , diesen Trotz will ich mir bewahren. Möge das neue Jahr uns einen sicheren Impfstoff bescheren und der Kunst wieder die Türen öffnen.“
Domenico Termine, NoName, Baden-Baden:
„Das Problem ist ja nicht, dass ich oder auch viele andere aus der Branche keine Ideen haben und sich nicht zu helfen wissen. Das Problem ist einfach, dass keiner weiß wann die Gastronomie wieder einigermaßen normal abläuft! Und außer Ideen benötigt man für ein Unternehmen ganz einfach Liquidität! Zu meinem Cocktail-Catering-Business, meiner langjährigen Zusammenarbeit mit Monkey 47 und auch Aufträgen für Messe etc. habe ich mir in diesem Jahr noch eine Cocktailbar geleistet, renoviert und ganze sechs Wochen aufgehabt! Ich wollte größer werden und habe noch weitere Dinge geplant, nun habe ich mich verkleinert und es wurde sehr eng für mich! Brust raus und sich erstmal selbst beweisen wie gut man ist dazu nachdenken, denn: Denken kostet nichts, sagt Jens Vielhauer. Und das ist mein Ansporn, 2021 wieder Vollgas zu geben!
Ich wünsche mir, dass alle, die ich kenne bzw. alle die betroffen sind, überleben und wieder viele viele Gäste zum Lachen und auf andere Gedanken bringen! Wir sind sehr relevant in vielerlei Hinsicht. Was wir bieten wie zum Beispiel einen guten Espresso am Morgen, in einer gut gefüllten Espressobar, ein Brioche dazu, ist ein Lebensgefühl. Manchmal beinahe wie ein Stück Urlaub. Ein Besuch in einem Restaurant,Bar, Events … weltweit unbezahlbar. Dass wünsche ich mir für alle und für mich selbst. Denn Genuss ist etwas Unverzichtbares! Wir, die Gastronomie, muss noch viel relevanter werden!“
Thorsten Pannek, Pannek seine Budike, Berlin:
„Wie blickst du ins neue Jahr? Gute Frage, nächste Frage. Nein, Scherz: Ich würde mal sagen gemischt, aber insgesamt positiv. Es wird für die Streetfood-Szene nochmal ein schweres Jahr werden, weil viele Stadtfeste und auch Festivals nächstes Jahr entweder gar nicht oder mit weniger Besuchern stattfinden werden. Aber ich denke, dass das Catering-Geschäft, das dieses Jahr ja fast komplett zusammengebrochen ist, ab dem Frühjahr kontinuierlich nach oben gehen wird. Weil Firmen und auch der Privatbereich viel Nachholbedarf haben. Die Firmen auch wegen der Mitarbeitermotivation. Somit blicke ich leicht positiv ins neue Jahr. Schwer wird es aber trotzdem, das ist keine Frage. Aber lässt sich ja nicht ändern. Somit immer positiv denken und, um es mit Max Frisch zu sagen: Krise ist ein produktiver Zustand. Man muß ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.
Was ich mir wünsche? Natürlich erstmal, dass alle gesund bleiben. Aber zusätzlich auch dass Messen, Festivals und Stadtfeste nicht schon jetzt abgesagt werden, wenn das Ganze erst im Sommer oder Herbst stattfindet. Einerseits gibt es indessen gute Hygienekonzepte, mit denen man arbeiten kann, dazu kommt der Impfstoff. Das Frühjahr nach Ostern lässt draußen auch wieder mehr zu. Somit wäre für viele eine Perspektive nach Ostern auch schön. Sie würde vielen auch vermitteln, dass sie durchhalten sollen, weil es sich lohnt, auch wenn es auch noch mal ein schweres Jahr wird!“
Kerstin Rapp-Schwan, Schwan Restaurant, Düsseldorf:
„Ich wünsche mir, dass wir mit unserer facettenreichen Branche im nächsten Jahr die Städte wieder bunt und kulinarisch machen dürfen und unsere Gäste wieder ohne Angst in unseren unterschiedlichen Restaurants ihre zweite Heimat genießen dürfen.
Bis zu dem Zeitpunkt wünsche ich mir von der Politik eine Strategie, wie wir in den nächsten Monaten mit dem Virus und der Situation umgehen dürfen und sollten, damit das ständige Abwarten ein Ende hat und wir nicht weiter anhängig von der Hilfe durch den Staat sind. Wir möchten wieder auf eigenen Beinen stehen und unser Geld selbst verdienen.“
Karsten Greve, 100 Brote, Berlin:
„Ich bin ein bisschen pessimistisch. Ich denke, daß es noch sehr lange dauern wird, bis sich unsere Branche wieder erholt. Und ich denke, wir werden noch einige Pleiten erleben, nicht alle werden solange durchhalten können. Ich habe selber gemerkt, wie zögerlich die Menschen wieder zurückgekommen sind, in der Phase, als wir innen bewirten durften. Und merke an mir und Freunden, wie lange es dauert, selber wieder in Restaurants zu gehen und dabei auch zu entspannen! Dennoch bin ich auch etwas optimistisch. Denn ich sehe die kreative Kraft, mit der sich viele Restaurateure dagegen stemmen, eben nicht aufgeben wollen und sich neue Sachen ausdenken. Davon werden viele profitieren, wenn diese ganze Scheiße mal vorbei ist.
Wünschen würde ich mir natürlich, dass wir alle so schnell wie möglich wieder zurück dürfen in die Restaurants! Und natürlich wünsche ich mir, dass wir, die wir mit als als Erste unter den Beschränkungen existenziell leiden, besser und mit anderen Konstruktionen unterstützt werden, als es bisher passiert. Wie ich ja schon kommentiert hatte – diese November-Hilfe ist so nur ein Tropfen auf den heißen Stein und das Papier nicht wert, auf dem es durch die Medien geht.“
Florian Hary, Parkhotel, Bad Harzburg:
„Ich blicke zuversichtlich ins neue Jahr. Die Pandemie hat uns entschleunigt und sicherlich auch an vielen Stellen zur Verzweiflung gebracht. Aktuell schwanken wir zwischen Hoffen und Bangen – wie so oft in den letzten Monaten. Aber was nutzt es zurückzublicken? Ich glaube es wird nur gut, wenn man positiv nach vorne blickt und sein Ziel weiterhin fest im Blick hat. Man konnte in den letzten Wochen und Monaten viel ordnen und vielleicht auch Dinge anders strukturieren, und nun brenne ich darauf, all das auszuprobieren und die neuen Konzepte zu testen.
Ich wünsche mir vor allem Gesundheit, das finde ich immer am wichtigsten. Geschäftlich wünsche ich mir offene Hotels und Restaurants, damit wir unsere Gäste wieder glücklich machen können und zeigen können, was so lange verborgen war.“
Susanne Baró Fernandez, Timber Doodle, Berlin:
„Die meisten Menschen blicken voller Vorfreude aufs neue Jahr. Man feiert ein rauschendes Fest, schmiedet gute Vorsätze und freut sich einfach auf das, was im neuen Jahr kommen wird. Doch dieses Jahr ist alles anders. Das Jahr war hart und hat vielen von uns so unglaublich viel gekostet. Manche wurden krank, und viel zu viele haben leider gegen diese Krankheit verloren. Und wiederum viele andere kamen zwar gesundheitlich davon, aber um einen Preis, den wir mit dem Einhalten der Maßnahmen zahlten.
Zum Schutze der Allgemeinheit wurden Barbetriebe in diesem Jahr viereinhalb Monate geschlossen. Niemand hat so eine Pandemie gewollt oder sie vorhergesehen, niemand ist dafür verantwortlich, und niemand hätte sie finanziell vollständig kompensieren können. So stehen wir inmitten des Peaks der zweiten Welle am Neujahrstag da und blicken mit Schmerz auf das vergangene Jahr und mit Sorgen in die Zukunft.
Was für ein frommer Wunsch wäre es doch, wenn alles wieder so wäre wie früher. Wieder die Türen öffnen zu dürfen, wieder Gastgeber zu sein. All das wird noch dauern, zumindest bis März. Dann wird es wärmer, und die Zahlen werden naturgemäß zu sinken beginnen weil sich mehr Kontakte nach draußen verlagern. Die Impfungen werden beginnen und hoffentlich rasch nennenswerte Anteile der Bevölkerung immunisieren. Und dennoch wird auch 2021 von vielen Einschränkungen geprägt sein. Es wird kein leichtes Jahr und wir Barmitarbeiter und Barbetreiber werden einen langen Atem und viel Durchhaltevermögen benötigen.
Doch genau das wünsche ich mir: Dass wir durchhalten können. Dass wir nicht aufgeben werden. Dass wir aus unseren Fehlern lernen. Dass wir für bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen kämpfen. Dass wir unser Image aufarbeiten. Dass wir als Barcommunity auch im Verband zusammenstehen. Ja, dass alles wieder gut wird und wir irgendwann wieder zusammen am Tresen sitzen und lachen können. Und dass es die meisten von uns dann noch gibt.“
Stephan Hinz, Little Link, Köln:
„Mein Blick auf das kommende Jahr ist zwiespältig. Einerseits hoffe ich, dass die deutsche Gastronomie im Frühling wieder in einem angemessenen Rahmen öffnen kann und darauf freue ich mich sehr. Andererseits weiß ich jetzt schon, dass nicht alle Betriebe diese Krise überleben werden. Es gab in diesem Jahr schon einige Schließungen und weitere werden in den nächsten Monaten folgen. Damit wird die Vielfalt unserer Branche leider etwas kleiner.
Was ich mir wünsche, ist ein langfristiges Umdenken zum Stellenwert der Gastronomie in Deutschland, sowohl bei den Gästen und Gastronomen als auch in der Politik. Denn die Pandemie hat einige Probleme verstärkt, die sich schon seit Jahren abzeichnen. Dazu zählen die häufig schlechte Bezahlung, die hohe Preisempfindlichkeit vieler Gäste und die mangelnde Anerkennung der Branche als wichtiger kultureller Bestandteil unserer Gesellschaft. Aber ich bin skeptisch, dass dieses Umdenken wirklich stattfindet.“
Björn Swanson, Fält, Berlin:
„Ich muss gestehen, dass ich sehr zuversichtlich bin und gar keine Lust mehr habe, pessimistisch zu sein. 2020 war schlimm genug für die meisten von uns und daher richte ich meinen Blick positiv auf das Jahr 2021. Was soll man auch anderes tun? Aufgeben? Weiter motzen und heulen? Nein, das ist nicht meine Art und Gott sei Dank auch nicht die Art der meisten meiner Kollegen in der Gastronomie. Wir sind Macher und werden, egal aus welcher Situation, das Beste rausholen. Ich zum Beispiel suche aktuell nach weiteren spannenden Locations in Berlin und Brandenburg. Jetzt ist die Zeit, in der man sich neu und vielleicht breiter aufstellen sollte. 2021 wird super. Und selbst wenn nicht machen wir einfach das Beste daraus.
Ich wünsche mir Zusammenhalt und Solidarität. Ich wünsche mir mehr Sicherheit für meine Branche und mehr Planbarkeit von Seiten der Politik. Ich wünsche mir, dass der ein oder andere Guide anfängt sich zu reformieren, aber am allermeisten wünsche ich mir, dass man damit aufhört, uns als „systemirrelevant“ zu bezeichnen. Kein Mensch ist systemirrelevant.“
Mohammad Nazzal, Al-Salam, Köln:
„Auf der einen Seite habe ich große Sorgen, wie es weiter geht. Wann kommen die angekündigten Hilfen, wenn sie kommen? Überleben wir, als Betrieb den Lockdown? Wie entwickelt sich die Zahlkraft unserer Gäste? Welche neuen Herausforderungen erwarten uns, wenn wir die aktuelle Krise überstanden haben? Viele Fragen und Ungewissheit.
Auf der anderen Seite bin ich hoffnungsvoll. Wir haben viel gelernt in der Krise und sind noch dabei. Neue Projekte werden vorbereitet, unser Team ist sehr eng zusammengewachsen. Man freut sich darauf, seine Gäste wieder bewirten zu dürfen. Wir freuen uns, das Gelernte umzusetzen.
Ich wünsche mir an allererster Stelle, dass wir alle gesund bleiben, der Schaden nur ein wirtschaftlicher war, nicht zu stark der Psyche zugesetzt hat und dass man niemanden verloren hat.
Sonst wünsche ich mir, dass wir lernen, uns als Berufsgruppe und Branche zu vereinen. Mir ist egal, ob es DBU, Dehoga, Kombinat oder Interessengemeinschaft genannt wird, Hauptsache man leistet nachhaltige und langfristige Arbeit für unser Gewerbe. Dass wir für das, was wir so sehr lieben, einstehen und kämpfen. Dass man über den Tellerrand guckt, wirklich mal ein bisschen mehr Idealismus an den Tag legt und persönliche Interessen und Befindlichkeiten beiseite legt.
Wir wollen Nachhaltigkeit in allen Belangen, aber leider tun wir zu wenig dafür. Nur gemeinsam sind wir stark und können die Missstände in unserer Branche beseitigen.“
Danny Müller, Weintanne, Jena:
„Ich blicke mit Zuversicht in das neue Jahr. 2020 war ein Jahr voller Herausforderungen und Prüfungen. Jeder geht anders mit Herausforderungen um, und wir hatten die Möglichkeit, verschiedene Herangehensweisen im Umgang mit Allgemeinverfügungen zu beobachten. Nun kostet der Umgang mit Herausforderungen Ressourcen. Ressourcen (Kraft, Erspartes, Nerven) sind begrenzt.
Die Herausforderungen müssen aber mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen angenommen und bewältigt werden. Ich meine, wir haben gelernt, unsere Ressourcen besser einzuschätzen und ein Gespür dafür zu entwickeln, wie wir sie effektiver einsetzen können, um die Herausforderungen zu bewältigen. Es hat sich bewährt, die Aufgabe anzugehen – nicht sie abzulehnen.
Wir sind biegsamer geworden, haben uns an die Situation angepasst, anstatt uns entgegenzustellen und im Widerstand zu ermüden. Wir haben die verschiedenen Belastungen angenommen. Wir können das Wetter nicht machen. Also segeln wir mit den vorherrschenden Winden in Regionen, die vielleicht nicht auf unserer geplanten Route lagen. Aber ich meine, wir können in den Regionen Neues entdecken. Was uns helfen wird, durch die Herausforderungen des kommenden Jahres bzw. der kommenden Jahre zu navigieren.
Wir haben auch gelernt, dass wir keine Einzelkämpfer sind. Zum einen gibt es eine starke Gemeinschaft der Gastronomen und Industriepartner, die untereinander gut vernetzt sind. Und wo diese Vernetzung funktioniert, nehme ich unsere Gemeinschaft von Gastronomen offener wahr für neue Ansätze und Gedankengänge. Eine Entwicklung, die mich sehr zuversichtlich stimmt. Gemeinsam ist es einfacher, sich auf neue Wege zu begeben und, um im Bild zu bleiben, neue Inseln oder Kontinente zu entdecken und zu verstehen. Da ist ganz viel Offenheit auch für neue Kooperationspartner und Aufgabenbereiche möglich.
Hier steckt auch die Möglichkeit für verbesserte Wertschätzung der Gastronomie als ein geeigneter Ort für Vermittlung und Begleitung gesellschaftlicher Übergänge. Wir wissen zwar nicht im Einzelnen, was die Zukunft bringt. Aber wir wissen, dass in eine Zeit der Transformation gehen. Und wir haben die Möglichkeit, mit den Erfahrungen der Gegenwart uns für die kommende Zeit aufzustellen. Da haben wir ganz viel selbst in der Hand.
Ich wünsche uns allen die nötigen Ressourcen, trotz angespannter Situation unser Netzwerk zusammenzuhalten. Mag sein, dass die Ereignisse unser Netzwerk strapazieren werden, ich wünsche uns die Kraft und Resilienz dafür zu sorgen, dass es nicht zerreißt. Ich wünsche mir wieder mehr private Ruheräume, in denen ich mich losgelöst von den Herausforderungen und betrieblichen Aufgaben auf alternative Weise entfalten kann. Kleine Inseln im Alltag organisieren. Organisierte Übergänge in private Räume mit erholsamer Atmosphäre.
Ich wünsche mir, dass die anstehenden transformatorischen Prozesse mehr thematisiert werden, sodass es uns gelingt, die anlaufenden Prozesse der Zukunft selbstverständlich, normal werden zu lassen. Damit wir uns nicht in einer andauernden Ausnahmesituation befinden und raus aus dem Stress kommen, gelasseneren Umgang entwickeln mit der Gegenwart.
Ich wünsche mir, dass wir Bewegungen der Gegenwart dafür nutzen, ein besseres Image für die Gastronomie zu entwickeln. Wir sind nicht die steuerhinterziehenden Halbkriminellen, die nichts gelernt haben, nie genug bekommen, immer erstmal meckern und auf andere schimpfen.
Wir verstehen die Herausforderungen der Gegenwart und bringen unser starkes Netzwerk in die aktuellen transformatorischen Prozesse ein, um gemeinsam mit unseren Gästen und Partnern auf die Herausforderungen zu reagieren und in eine zufriedene Zukunft zu gehen. Leidenschaftlich, mit den individuellen Kompetenzen, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen, für zukunftsfähige Gesellschaft.“
Serhat Aktas, Der Weinlobbyist, Berlin:
„Ich blicke durchweg positiv und optimistisch ins neue Jahr, aber durchaus mit Realismus. Das heißt, ich wäge ab und plane meine gastronomische Zukunft mit realistischen Gedanken, die sich meiner Meinung nach bewahrheiten werden. Ich sehe grob gesagt zwei, leicht unterschiedliche, Zukünfte bezüglich Corona und Gastronomie & Hotellerie.
Erste Zukunft: Der aktuell sehr wichtige Impfstoff wirkt tatsächlich so gut, wie es behauptet wird und wir haben in wenigen Monaten viele Menschen, die sich gegen Corona geimpft haben! Das hat zur Folge, dass wir bereits im Sommer 2021 unser „normales“ Leben, wie noch am Anfang dieses Jahres, wiederhaben. Wobei ich frühestens mit einer „Normalisierung“, wenn alles halbwegs gut verläuft, ab Frühjahr 2022 rechne.
Zweite Zukunft: Ab den ersten sonnigen Frühlingstagen, aber spätestens ab dem 1. März, wird die Regierung, unabhängig von einem Impfstoff, die Coronaregeln ähnlich lockern wie im vergangenen Sommer. Heißt: 1,5 Meter Abstand, Hygieneregeln und Maske tragen … aber die Gastronomie und Hotellerie darf wieder aufmachen.
Wie alle anderen Menschen wünsche ich mir, dass diese Pandemie endlich vorbei ist! Ich glaube, ich werde, wenn es soweit ist, eine „Fuck-Off-Corona-Party“ organisieren! Auch wenn ich nicht lange geöffnet hatte, genau genommen nur vier Monate, möchte ich meine Stammgäste zurückhaben. Ich konnte mir tatsächlich innerhalb von wenigen Monaten ein paar treue Stammgäste gewinnen. Am liebsten wünsche ich mir natürlich mehr von ihnen.
Ich denke aber, dass das automatisch passiert, wenn ich mein Bistro länger geöffnet habe. Ich wünsche mir die von Anfang an geplanten Weinveranstaltungen wie Winzer- und Winzerinnenabende, Weinseminare, Verkostungen usw., ich bin aber bereits dabei einige Großveranstaltungen zu planen. Diese sollen ab Mai los gehen. Ich wünsche mir mehr Tische und Stühle auf meinem Innenhof. Den Platz dazu habe ich. Wegen Corona und der Abstandsregel musste ich die Anzahl der Tische kleiner halten.
Außerdem bin ich auch in der Planung mehr Speisen anzubieten. Ich bleibe zwar nach wie vor Bistro und Weinbar, also ich habe nicht vor ein Restaurant zu werden, nur das Speisenangebot werde ich erweitern. Und was ich am meisten vermisse und mir wieder zurück wünsche ist: den Sommelierquatsch machen! Einfach Wein empfehlen, Flasche aufziehen, mit den Gästen quatschen, mich auch zu ihnen hinsetzen und dabei Spaß haben!“
Sven Goller, Das Schwarze Schaf, Bamberg:
„Ich blicke einerseits optimistisch ins neue Jahr – der Ausblick auf ein Ende der Coronakrise mit den gefundenem Impfstoff – und andererseits mit großen Sorgen. Solche Krisen werden immer wieder kommen und deutlich schlimmer werden, sollte sich an der globalen Erderwärmung nichts ändern. Blickt man nun auf die Regierungen dieser Welt, habe ich da wenig Hoffnung.
Ich wünsche mir ein Umdenken in unserem Wirtschaftssystem und dass Friedrich Merz in der Versenkung verschwindet.“
Caroline Cordua, Lubitsch, Berlin:
„Als unverbesserliche Optimisten hoffen wir, dass 2021 das hält, was eigentlich 2020 versprochen hatte. Wir hatten uns für 2020 mit dem Lubitsch viel vorgenommen und brennen darauf, diese Pläne in 2021 umsetzen zu können. Allerdings ist es unrealistisch zu erwarten, dass wir noch in der ersten Hälfte des neuen Jahres unser altes Leben zurück bekommen – wenn überhaupt.
Leider ist wohl auch ein Massensterben in der Gastronomie zu erwarten. Wir wissen, dass viele unserer treuen Gäste uns vermissen und ungeduldig darauf warten, es sich bei uns wieder richtig gut gehen lassen zu können. 2021 wird ein interessantes Jahr in vielerlei Hinsicht mit vielen Herausforderungen und Veränderungen, aber auch mit vielen Chancen und viel Hoffnung.“
Deniz Buchholz, Kebap With Attitude, Berlin:
„Es war einmal ein erwartungsvolles Jahr 2020. Nachdem wir im Mai 2019 eröffnet und das erste Jahr holprig, aber erfolgreich überstanden hatten, nahmen wir uns zwischen Weihnachten und Silvester die Zeit, um das Jahr 2020 zu planen.
Events, Schulferien, Messen und Feiertage alles voller Vorfreude akribisch recherchiert und Marketingaktionen, Specials und eine Kebap Arena geplant. Nachdem das Eröffnungsjahr nun vorbei war und die Berlinale und ITB bereits vom Weitem mit ihrem Reservierungspfahl gewunken haben, waren wir sehr zuversichtlich für die ersten vier Monate des Jahres 2020.
Alles begann mit der Absage einer Großreservierung Anfang März und seitdem stand das Telefon kaum noch still. Stück für Stück brachen die Umsätze ein, bis wir am 18. März an einem gesamten Tag lediglich 7 Euro Umsatz generierten und das Restaurant schließen mussten.
Etwa eine Woche später waren die Bedingungen für Restaurants und dem Takeaway seitens des Senats definiert worden und danach ging die Show wieder los. Eine Erfahrung, die man in 15 Jahren Gastronomie so noch nicht gemacht hat. Anstatt Kurzarbeit war für uns Betreiber jetzt Langarbeit angesagt. Endlich einen Lebenstraum erfüllt und dann bereits ein Jahr später schließen? Aufgrund unverschuldeter Schließung? Kam für uns nicht in Frage. Somit begann der erste Lockdown, aber wie lange? Insgesamt befand sich unser Restaurant 89 Tage im Lockdown.
Ohne unsere loyalen Gäste, die Solidarität und diesen Zusammenhalt unter Kollegen, der Familien, Partnern und Lieferanten wären wir nicht durch diese Zeit gekommen. Ob es großzügige Spenden von Stammgästen oder die Familien waren, die fast jedes Wochenende unser Restaurant in ihren Ausflügen eingebaut haben, hat uns das Gefühl gegeben, das Richtige zu tun und auch eine systemrelevante Funktion bzw. Verantwortung gegenüber dem Kiez zu haben. Da zu sein und für etwas Normalität zu sorgen.
Nach der Neueröffnung Ende Juni waren die Hoffnungen noch groß, dieses Jahr wieder zurück auf die Spur zu kommen und halbwegs mit einem blauen Auge davon zu kommen. Es entstand eine Euphorie, die uns vorantrieb, der den Spieß weiterdrehen ließ. Die Steuererleichterungen halfen uns durch den Sommer und kompensierten halbwegs die fehlenden Touristen. Es kam uns so vor, als würden die Gäste nach dem ersten Lockdown jede Möglichkeit ausnutzen wollen, draußen zu sitzen und ein frisch gezapftes Bier in der Sonne zu trinken. Jedoch mit Abstand und Maske. Geschmückt mit Markierungen, Abstandshaltern und verschärften Hygienemaßnahmen, sah man sich gewappnet für den kommenden Winter. Wir bereiteten uns vor. Erweiterung des Gastraums mit einem beheizten Zelt, begannen direkt wieder unser Planspiel und beklebten die Plätze mit QR-Codes und vermieden sämtlichen kritischen Kontaktpunkte im Restaurant.
Der Plan schien aufzugehen, das Jahr noch zu retten, die ersten Anfragen für Weihnachtsfeiern wurden gestellt und ein Hauch der genannten oder gewünschten Normalität kehrte zurück. Der erste Lockdown schien schon fast vergessen, doch auf der anderen Seite verfolgte man die Medien und die ansteigenden Fallzahlen und beobachtete die Ministerkonferenz Ende Oktober, wie die Auslosung der Endrunde einer Fußballweltmeisterschaft.
Der zweite Lockdown begann, jedoch wie lange? Nur 30 Tage, aber innerlich wussten wir, dass es weitaus länger dauern wird. Eigentlich kommt es einem zugute, dass die Tage so schnell vorübergehen und so monoton wirken, etwas fad und ohne Geschmack fühlt sich der Winterlockdown an. Wir können uns glücklich schätzen, dass unsere Produkte sich bereits vorher auf der Hand etablierten und eher als Streetfood bekannt war. Somit war die Umstellung mit der Erfahrung aus dem Frühjahr und einem neuen Lieferpartner diesmal deutlich einfacher.
Was passiert im neuen Jahr? Man traut sich ehrlich gesagt kaum zu planen. Schon gar nicht länger als über den nächsten Monat hinaus. Gefühlt hat man fast ein Jahr verloren und muss da ansetzen, wo man im Vorjahr von der Spur abgekommen ist.
Realistisch planen wir, dass ab spätestens Ostern ein regulärer Betrieb möglich sein wird, wenn die durstigen und hungrigen Gäste wieder in der Sonne sitzen möchten. Nach diesem schrecklichen Jahr wünschen wir uns unsere Mitarbeiter ohne Masken im Gesicht lächeln zu sehen. Gäste aus aller Welt wieder empfangen zu können und sich die Zeit nehmen zu können mit bisschen Smalltalk und Zeit unseren Gästen wieder die Gastfreundschaft zu geben.
Wir denken, dass dieser „social detox“ im Jahr 2020 unter anderem dazu führen wird, dass diese Momente des Alltags mehr geschätzt und genossen werden. Dass sich das Bewusstsein der Menschen auch darin weiterentwickelt. Dass die Gastronomie und viele andere kulturelle Einrichtungen, ein wesentlicher und unverzichtbarer Teil unseres täglichen Lebens sind und den Städten eine Seele geben, ohne die es sonst sehr langweilig und traurig wäre. Diese Wertschätzung konnte man bereits im Sommer 2020 fühlen.
In diesem Zusammenhang sollten auch die Gastronomen mit einer fortführenden Umsatzsteuersenkung auf sieben Prozent nach dem 1. Juli 2021 unterstützt werden. Mit dieser Maßnahme könnten Gastronomen besser planen und neue Ansätze probieren, wie zum Beispiel den digitalen Wandel der Betriebe vorantreiben, neue Bezahlungsmodelle und monetäre Anreize für Mitarbeiter zu schaffen – unabhängig von gearbeiteten Stunden, sondern in Abhängigkeit von Leistung und Erfolg eines Restaurantbetriebes. Die Gastronomie steht wie viele andere Branchen vor einem enormen Wandel nach dieser Zeit. Diese müssen ermöglicht werden und sind auch notwendig.
Unabhängig von den ganzen Modellen und Theorien, wünschen wir uns an erster Stelle unsere Gäste und den dazugehörigen Alltag zurück. Ob Geburtstage, Events oder Caterings, Gastronomie betreibt man aus Leidenschaft und solange diese nicht ausgelebt werden kann, ist es ein täglicher Überlebenskampf und von einem Monat in den anderen zu planen. Der Spieß muss sich weiterdrehen und sind schon sehr auf den nächsten Sommer gespannt. Mit leckeren Drinks und abgefahrenen Kebap-Kreationen, die Menschen glücklich zu machen: Das ist der Grund, warum wir ein Restaurant gegründet haben. Nicht nur, um satt zu machen, sondern um gutes Essen wertzuschätzen, mit den Menschen zu teilen und sie damit glücklich zu machen – darauf freuen wir uns im Jahr 2021. Wenn die Restaurants bis dahin nicht gestorben sind, dann essen wir nächstes Jahr dicht an dicht weiter.“
Vielen Dank allen Statement-Geber*innen für ihre offenen Worte und der Gastronomie im Gesamten alles Gute für das kommende Jahr. In den vielen Gesprächen, die ich dieses Jahr geführt habe, ist mir eines noch einmal deutlicher geworden: Die Menschen, die Gastronomie machen, und gut machen, tun das aus einem besonderen Antrieb heraus. Den auch ein Virus nicht klein kriegt. Auf ein besseres 2021.
Liebe Grüße, Jan-Peter vom nomyblog