7 Gastronomie-Trends 2018

von Jan-Peter Wulf
gastronomie trends 2018 690x460 - trends, medien-tools, getraenke, gastronomie, food-nomyblog 7 Gastronomie-Trends 2018

Illustration: Susann Massute

Mit welchen Themen aus den Bereichen Food, Beverage, Konzept und Co. wird sich die Gastronomie in diesem Jahr beschäftigen? Welche Entwicklungen, die sich in den Vorjahren abzeichneten, werden stärker? Und wie geht es mit den Trends aus den Vorjahren weiter? Hier sind unsere Gastrotrends für 2018.

1. Ohne ist das neue Mit: alkoholfreie Getränke

Gefühlt wurde in den vergangenen Monaten über kaum eine Getränkekategorie so viel berichtet wie über die alkoholfreie. Wobei: Ist es überhaupt eine Kategorie? Es ist vielmehr eine ganze flüssige Welt die sich zurzeit über uns zu ergießen beginnt: Abseits von süßen Limonaden und Wasser entsteht derzeit ein großer Facettenreichtum (erwachsener) alkoholfreier Getränke.

Initiiert wurde dies vor allem von Köchen gehobener Restaurants – ob es die Berliner Restaurants einsunternull oder das Horvàth sind, deren Küchen speziell für die Begleitung der Gänge nach Alternativen zum Wein und zum Wasser suchten (ersteres allein macht bei sieben bis zwölf Gängen schnell beschwipst, derartige Weinbegleitung  sei eher was für Hobbyalkoholiker, urteilt der Medienexperte und Foodie Thomas Knüwer so treffend, und nur Wasser? Rülps, langweilig!).

So entstanden im einsunternull ausgezeichnete, wohlschmeckende Wasserkefir-Kreationen mit zum Beispiel Lindenblüte-Stachelbeere oder Apfel-Walnuss, im Horvàth gibt’s zum Essen – siehe Video – Experimentelles wie Molke mit Meerettich, Honig- und Leindotteröl, Gelbe-Beete-Saft mit Kürbiskernöl, geschäumtes Berliner Kindl Kraft Malz mit Rubinette, Apfelsaft und Zitronenzesten oder ein Pilzwasser mit geröstetem Blumenkohlstaub und Hühnerbouillon. 

Diverse weitere Restaurants wie das Am Kamin in Mülheim/Ruhr oder die „Eisblume“ im schweizerischen Worb haben mittlerweile hausgemachte alkoholfreie Getränke auf ihrer Karte. Techniken wie die Fermentation, vulgo Gärung, kommen zum Einsatz für deren Produktion, die Getränke werden meist auf den jeweiligen Gang abgestimmt. Auch Pairings von Tees (statt Weinen) mit Käse – dazu bietet das Berliner Paper & Tea Kurse an oder mit Sushi finden statt, hier zum Beispiel sei die Eventreihe Sushi loves tea des Berliner Restaurants Sticks’n’Sushi genannt.

trinkkultur - trends, medien-tools, getraenke, gastronomie, food-nomyblog 7 Gastronomie-Trends 2018

Die neue Trinkkultur: Das Buch zum Trend

Noch mehr kommerziellen Erfolg versprechen, auch wenn’s erstmal sauer klingt, mit Essig/Apfelessig hergestellte Getränke. Shrubs und Switchels – werden immer beliebter, diese bislang nur wenig geläufigen Kategorienamen könnten vielleicht bald so gängig sein wie Smoothie oder Açai-Bowl.

Übrigens fungieren diese (wieder)entdeckten Zubereitungstechniken alkoholfreier Produkte auch als Impuls für die Bar: Ob für alkoholfreie Drinks jenseits zuckersüßer Autofahrercocktails, bei denen man am liebsten den Zündschlüssel wegwerfen möchte, Alternativen gibt es zum Beispiel hier. Oder als Alternative zum herkömmlichen Sirup für Drinks mit und ohne, wie sie zum Beispiel der Berliner Bartender Damien Guichard für das „Freimeister Kollektiv“ entwickelt hat. Einen großartigen Überblick, mit Warenkunde und Rezepten, bietet das Buch „Die neue Trinkkultur“ von Nicole Klauss, mit der ich mich über das Thema für Das Filter unterhalten habe.

Ach ja, die Getränkeindustrie schläft nicht: Auf der Anuga 2017 konnte man zum Beispiel schon das Getränkekonzept „Vinegar Soda – Street Food Inspired“ der Aromenfirma Döhler verkosten, das sicher bald Basis für ein Markengetränk sein wird. Der Naturkoststafthersteller Völkel hat sogar schon eine kleine Switchel-Range mit Kurkuma-Apfelsaft, Zitrone, Schwarzer Johannisbeere und Himbeere-Minze rausgebracht und ein Essiggetränk für Fortgeschrittene ist das „Tschopperl Wossa“ von Gegenbauer aus Österreich, vor allem in der Geschmacksrichtung Tomate. Es gibt heuer auch alkoholfreie Craft-Biere, die was können (z.B. das „Freipa“ von Nittenauer) und sogar erste nichtalkoholische Spirits bzw. „botanical blends“, gedacht als Ersatz für Gin und Co. in Longdrinks und Cocktails, zum Beispiel Seedlip und Rocktail Citrus Spritz. Und mit der Sober Sensation in Berlin auch mal wieder den Versuch, eine alkoholfreie Eventreihe zu etablieren. Raven auf Rübensaft! 

2. Nachhaltigstkeit 

Wir wissen, dass der Anteil biologischer, nachhaltiger, fair produzierter Lebensmittel insgesamt in Deutschland immer noch gering ist, viel zu gering. Und, das ermittelte der aktuelle Ernährungsreport, es wird immer noch (zu) viel Fleisch gegessen. Der Gastronomie kommt hier einmal mehr die Rolle zuteil, weiterzudenken. Kaum ein neues Restaurant oder Café eröffnet ja schon, ohne dass es auf die Verwendung regionaler oder saisonaler Zutaten setzen und dieses auch kommunizieren würde – dieses Thema hat sich in den letzten Jahren in vielerlei Form verfestigt (wir werden darauf später nochmal zu sprechen kommen).

Ob man es nun „Zero Waste“ nennt, Nachhaltigstkeit wie wir hier oder wie auch immer: Es geht nun darum, dem Gast und Konsumenten zu zeigen, dass noch mehr möglich ist – nicht nur, dass man gute Produkte verwendet, sondern dass man sie auch möglichst gut, sprich effektiv verwendet. Und zu zeigen, wie gut das auch schmecken kann. Primus dürfte das Restaurant The Perennial in San Francisco sein, dass so gut wie gar keinen Abfall mehr produziert – alles wird verwendet, alles wird wiederverwendet (über den Umweg mit Würmern und Fischen, siehe Video) mit dem Ziel, das nachhaltigste Restaurant der Welt zu sein.

Auf die Null-Müll-Maxime setzt z.B. auch das Erfurter Restlos Bistro und auch die Bar greift den Trend auf: In der Berliner „Tiger Bar“, die zum Restaurant „Panama“ gehört, verwendet man Abschnitte aus der Küche, die sonst in die Tonne wandern würden, um daraus zum Beispiel aromatische Infusionen für die Drinks zu produzieren. Die Freiburger Bar „One Trick Pony“ macht einen Drink namens „Old But Gold“ aus einer Essenz von übrig gebliebenem Champagner (ja, da bleibt manchmal was übrig, schon mal auf einem Empfang gewesen?) und wurde mit seinem sehr regionalen und nachhaltigen Ansatz zum großen Abräumer bei den „Mixology Bar Awards 2018“. Marian Krause, Shakekings, Köln, erklärt: 

In einer Bar gibt es oft Möglichkeiten, „Aromen“ besser einzusetzen und damit Kosten zu sparen. Das beste Beispiel hierfür ist, Zutaten komplett zu verwenden – Zitrone pressen, Kerne in den Falernum einarbeiten, die Schale zum Aromatisieren verwenden und die Reste trocknen.

Auf die Spitze treibt es die mobile Bar Trash Tiki Sucks aus London, deren Team aus Maiskolbenresten, ausgepressten Limetten oder sogar altbackenen Croissants Sirups, Cordials und andere Drinkzutaten herstellt – auch um den Kollegen zu zeigen, was möglich ist. Die Londoner Bar White Lyan, berichtet das Mixology-Magazin, konnte ihren Müll mit Verzicht auf verderbliche Güter und frische Früchte (bei denen Abfall und Schwund besonders groß sind) um drei Viertel reduzieren, das ist auch ein Kostensparfaktor. Sogar Eis wird hier nicht mehr verwendet – warum auch nicht (nicht)? Früher kühlte man mit Steinen, deswegen heißt es heute noch „on the rocks“. Alles kann überdacht werden, und in diesem Zuge verschwindet hoffentlich bald auch der Strohhalm, #refusethestraw heißt die Gegenbewegung und wer auf den Trinkhalm nicht verzichten mag, sollte sich mal die hier aufgeführte Alternative anschauen.

achtsamkeit - trends, medien-tools, getraenke, gastronomie, food-nomyblog 7 Gastronomie-Trends 2018

Gemüseschalen-Salat: ein Rezept aus „Die Küche der Achtsamkeit“ von Tainá Guedes. Sie zeigt, was sich aus übrig gebliebenen Nudeln, altem Brot, Marmeladenresten, Kräuterstielen und Gemüseschalen so alles zaubern lässt. 

Kreativität, Idealismus und Pragmatismus prägen diesen Trend. Wie der Küchencoach Jörg Disse bemerkt:

Effektive Einsparung liegt in der prozentualen Höhe der Verwertbarkeit eines Rohstoffes und der gleichzeitigen Innovationsfähigkeit des Gastronomen: Je höher der verwertbare und verwertete Anteil eines Rohstoffes, desto niedriger der Gesamtwareneinsatz eines oder mehrerer Gerichte. Ein Bund Biomöhren lässt sich komplett als Möhrengemüse mit Möhrenkrautpesto oder Schaum für einen Gemüsecappuccino verarbeiten.

Es lassen sich aus Gemüseresten leckere Dumplings herstellen, so macht es das Berliner Food-Startup Dingsdums, aus Kaffeesatz werden Kaffeebecher, aus altem Brot wird Bier und noch vieles mehr ist hier drin. Manches mag skurril oder übertrieben wirken, aber nach unserem Verständnis ist ein Bestandteil moderner Food-Entrepreneurship auch, weiterzudenken. Ein Ernährungsreport bringt nämlich immer nur neue Pferdekutschen hervor, aber eben kein Auto. Noch ein bisschen mehr zum Thema Nachhaltigkeitsideen habe ich hier aufgeschrieben.

3. Digitalisierung

Es klingt merkelrautig-staatstragend, aber es ist was dran: Die Digitalisierung verändert alle Branchen und somit auch die Gastronomie. Es ist nur seltsam, was damit immer gleich in Verbindung gebracht wird, wenn man sich Medienberichte anschaut. Werden wir wegen der Digitalisierung zukünftig nur noch von Robotern bedient, bestellen nur noch per Tablet oder am besten gleich per implantiertem Chip und drucken unser Essen am Tisch aus? Kokolores. Vor allem wird die Digitalisierung in der Gastronomie dazu führen, dass das Analoge besser wird! Denn Gastronomen werden sich noch mehr auf das konzentrieren können, was wirklich wichtig ist in der Gastronomie, weswegen die Menschen hereinkommen: Gastfreundschaft, gutes Essen und gute Getränke.

magenta business infografik 1 690x460 - trends, medien-tools, getraenke, gastronomie, food-nomyblog 7 Gastronomie-Trends 2018

Ein Schaubild, das die Konvergenz in der Gastronomie recht gut darstellt, die Grafik gibt es hier in hoher Auflösung.

Auch wenn es zahlreiche Ideen gibt, wie das „Erlebnis“ des Gastes durch digitale Tools scheinbar verbessert und Zeit gespart werden kann, manche Ideen sind gut, die meisten nicht: Die digitale Revolution findet vor allem im Backoffice statt. Hier sind Lösungen gefragt, die das Gastro-Business besser machen, wie der Berliner Gastronom Moritz Estermann es auf den Punkt gebracht hat:

Viele unserer Bedürfnisse sind sehr speziell. Der Schlüssel ist, etwas zu schaffen, das die Business-Seite anspricht, das mir hilft, mein Geschäft besser zu betreiben, statt mir den Kontakt zum Gast wegzunehmen. Ich glaube fest daran, dass eine App das nicht tun sollte.

Schon jetzt gibt es viele digitale Lösungen für Kasse, Dienstplanung, Buchhaltung und Co., und mittelfristig läuft es hier auf eine Konvergenz hinaus. Auf Schnittstellen, komplette Systeme und Prozesse, die auf digitalem Wege von der Bestellung über das Reservierungs- und Buchungssystem über Teamplanung bis zu Abrechnung und Datev und Steuerberater alles digital abbilden, die gefürchtete Zettelwirtschaft minimieren, Kosten und Zeit sparen, die fürs Wesentliche – Gast und Mitarbeiter – dann umso mehr vorhanden ist.

Anschlussfähigheit der eingesetzten Tools, also dass sie miteinander „sprechen“ können, ist essentiell. Denn dann und nur dann lässt sich am Ende etwas generieren, was man als „digitale Begleitung der customer journey“ bezeichnen könnte: Ich weiß als Gastronom, wer meine Gäste sind, habe und nutze ihre Daten – Datenschutzbestimmungen müssen freilich beachtet werden – und kann ihnen maßgeschneiderte Angebote unterbreiten, Stichwort digitales Gästemanagement. Ich kann aber auch anhand mehr Informationen zielgerichteter einkaufen und lagern, Waren, Personal und andere Ressourcen effektiver einsetzen. Und mein Marketing besser ausrichten, weil ich besser weiß, mit wem ich es überhaupt zu tun habe, aus gießkanniger Werbung wird eine „Customer-Audience-Kampagne“. Übrigens: Schon bald ist es ziemlich egal, wie viele Facebook-Fans ein Unternehmen  hat, weil die organische Reichweite gen Null geht. Mit genauem Targeting kann jedes Unternehmen über Facebook (inklusive Instagram und Whatsapp, ist auch Facebook) seine Zielgruppe effektiv erreichen. Gegen Geld, versteht sich. Facebook ist eine Werbeplattform.

Digitalisierung ist ein Riesenthema, mit dem wir uns auf dem Blog ab sofort noch viel mehr beschäftigen werden. Und hoffentlich tut es auch, wer auch immer dieses Land fortan managt: Deutschland hinkt in Sachen Digitalisierung nämlich krass hinterher, im Bereich der Verwaltung zum Beispiel liegt man auf einem blamablen Platz 20 in Europa, und wenn das so genannte schnelle Internet vor allem durch aufgebohrtes Kupfer und nicht durch Glasfaser geschickt wird, wie Netzausbau-Kritiker anmerken, dann kann sich der Gastronom im strukturschwachen Raum seine digitalen Pläne auch an die Garderobe hängen.

eat pay love - trends, medien-tools, getraenke, gastronomie, food-nomyblog 7 Gastronomie-Trends 2018

Zahlen aus der 2017er-Studie „eat pay love“ über Kartenzahlung in der Gastronomie

Noch eine persönliche Bitte: Ich will wegen „cash only“ im Restaurant nicht mehr zum Geldautomaten latschen müssen. Bargeldloses Bezahlen – ein Unterthema der Digitalisierung – sollte 2018 Standard sein. Das Bargeld muss kein Gastronom deswegen abschaffen, aber es sollten alle Wege der Zahlung angeboten werden. Nicht nur internationale Gäste erwarten das. Und voraussichtlich noch dieses Jahr wandert die Kreditkarte ins Smartphone. Hier winken Umsätze.   

4. Gemüse ist mein Fleisch

Weniger Fleisch zu essen ist in vielerlei Hinsicht sinnvoll. Wie bei den meisten Veränderungsbewegungen im Bereich Essen und Trinken kommt aber nur dann richtig Fahrt auf (Richtung Mainstream-Highway), wenn es dem Gast/Konsumenten/Menschen auch schmeckt. Die gute Nachricht: Gemüse hat in der Gastronomie selten besser geschmeckt als heute!

Hanni Rützler beschäftigt sich in ihrem Food Report 2018 umfassend mit diesem Trend und notiert:

Gerade die Sterneküche, die gefeierten Köche in den Gourmet-Tempeln, haben in den letzten Jahren gezeigt, welch großes geschmackliches Potenzial in pflanzlichen Produkten schlummert, welche Vielfalt an Texturen, Aromen und Farben sie bieten und mit welch unterschiedlichen Zubereitungsmöglichkeiten sie sich in exquisite Speisen verwandeln lassen.

Nun wandert der Trend aus den Sterneküchen in Casual-Konzepte: Immer mehr Köche und Gastronomen gehen dazu über, Gemüse nicht einfach nur zu kochen (in meiner nordwestdeutschen Heimat kommt dann auf alles, aber auch alles noch Soße Hollandaise aus der Tüte on top), sondern damit kreativ und kundig zu experimentieren. Durch alternative Garmethoden, tradierte und innovative Zubereitungsmethoden und moderne Küchentechnik zaubern sie spannende Aromen und Texturen hervor. Und überzeugen unsere Sinne davon: Das Gemüse muss nicht nur mit- und gefälligst aufgegessen werden, wie wir es als Kinder lernten, weil es die gesunde Beilage ist, es ist vielleicht sogar der neue Star auf dem Teller.

Im Berliner BRLO Brwhouse ist es das zweifellos. Hier zeigen Ben Pommer und sein Team, wie sexy Gemüse sein kann – und das sogar bierbegleitend, während das Standard-Brauhaus weiter die Haxe auffährt. Pommer: 

Knollensellerie kommt in jede x-beliebige Sauce rein. Oft völlig verkocht, komische Konsistenz. Sexy ist das nie. Wir garen ihn im Ganzen und räuchern ihn, ziehen die Haut ab, schneiden Scheiben runter. Wunderbar süß, richtig lecker.

Sinnbildlich ist der Name des gemüselastigen Berliner Restaurants „Gärtnerei“, von den Betreibern der „Fleischerei“. Chef und Inhaber Bernhard Hötzl

Es muss ja nicht immer Steak sein, ich sehe unsere Gärtnerei wie einen kleinen Bauernhof, vielleicht noch mit Fischteich dabei, wo man für seine Freunde mit dem dort wachsenden Gemüse leicht und bekömmlich kocht. Es wird auch Fisch und Geflügel geben, trotzdem liegt der Schwerpunkt natürlich auf vegetarisch/vegan. Alles zu seiner Zeit.

Der Berliner Vorreiter in vegetarischer Küche, das Cookies Cream, hat nach zehn Jahren Bestand seinen ersten Stern erhalten (Zufall, dass gerade jetzt?). Und hat, erklärten Betreiber Cookie und sein Koch Stephan Hentschel in einem Radiogespräch, zum allergrößten Teil nichtvegetarische Gäste! Auch das ehemals von Cookie betriebene Konzept „Chipps“ ordnete Fleisch von Anfang an als eine Beilage unter vielen ein.

Veggie Bowls, Poke, Urban-Farming-Restaurants und Co. zeigen: Gemüse kann eigenständig funktionieren. Der Trend wird sicher noch weiter differenzieren. Übrigens: Ein Gastronom mischt hier seit einiger Zeit auf Produktionsebene kräftig mit. Der Vapiano-Erfinder und Gastro-Vordenker Mark Korzilius setzt voll auf die Aktie Grün und ist unter die Erzeuger gegangen, er züchtet mit seinem Projekt Farmers Cut mitten in Hamburg Microgreens, die teilweise wie Fleisch oder Käse schmecken. Die Top-Gastronomie verwendet diese Aromaspezialisten schon länger, auch sie dringen immer mehr in den Casualbereich vor. 

leaf to root - trends, medien-tools, getraenke, gastronomie, food-nomyblog 7 Gastronomie-Trends 2018

Buchtipp zum Thema: Leaf To Root – Alles vom Gemüse essen. Foto: AT Verlag / Sylvan Müller

5. Gastro FM

Es gibt, nach eher ruhigen Jahren, wieder einen schönen Schwung neuer Medien für die Gastronomie (ein paar habe ich hier vorgestellt). Das ist super, denn so gibt es noch mehr Inspiration und Ideen, Diskussion und Diskurs, News und Hypes – und Einblicke in die Arbeits- und Lebenswelt von Akteuren der Branche. 

Ganz besonders farbenfroh blüht aktuell die Podcast-Szene und auch branchenspezifische Formate poppen in diesem Zuge auf. So gingen zum Beispiel der Gründer-Podcast Gastro Rockstar (ich empfehle besonders die Ausgaben 13 und 14, aber eigentlich alle), der sich besonders an Bartender richtende Podcast von No Cheers No Story, das unterhaltsame Berlin Food Radio und der Food-Podcast Feinkost von Detektor FM auf Sendung. In Vorbereitung ist Food On Point vom Berliner Food Entrepreneurs Club und weitere sollen in Planung sein, funkt der Flur. Der Berliner Gastronom und (TV-)Koch Kolja Kleeberg macht jetzt gar eine Drei-Stunden-Sendung über Essen und Genuss in der Hauptstadt (im richtigen Radio). Schon länger gibt es die Gespräche, die der Hamburger Bartender, Gin-Basil-Smash-Erfinder und Medien-Afficionado Jörg Meyer mit Branchenkollegen führt. Auch sehr zu empfehlen ist Hotel Matze von Matze Hielscher, hier waren bislang u.a. die Gastronomen Billy Wagner und Ansgar Oberholz zu Gast. Wer solchen On-Demand-Sendungen bei der Mise en place, beim Autofahren, beim Joggen, Abwaschen oder wo und wann auch immer lauscht, bekommt, ich verspreche nicht zu viel, sicher den einen oder anderen wertvollen Tipp fürs eigene Business. Den man sich dann schnell notieren sollte ;-)

6. Barrierefreiheit & Selbstmix-Bars

Zitat aus der AHGZ:

Die Herkunft des Begriffs ist umstritten. Eine These besagt, dass das Wort Bar aus der Zeit der Kolonialisierung Amerikas stammt. Die ersten Siedler aus Europa trafen sich in Drugstores, um neben ihren Einkäufen auch Gespräche zu führen. Oftmals wurde dabei auch ein Gläschen getrunken. Nicht selten endeten die Gespräche in einer Schlägerei. Die Drugstore-Besitzer errichteten daraufhin zu ihrem eigenen Schutz – eine Barriere – um ihre Waren, um sich zu schützen. Das englische Wort „Bar“ stammt laut dieser These von dem Wort „Barriere“. Aus den Drugstores entwickelten sich im Laufe der Zeit die Saloons, die als Vorläufer der heutigen Bar gelten.

kueche bar - trends, medien-tools, getraenke, gastronomie, food-nomyblog 7 Gastronomie-Trends 2018

Foto: Küche Bar

Den Bartresen – Trennlinie, sozialer Ort, Arbeitsplatz – wird es immer geben. Aber nicht immer in jeder Bar. Der beste Ort auf der Party ist die Küche, und so lässt zum Beispiel die neue Berliner „Küche Bar“ (sie heißt also auch gleich so) das Trennmöbel weg. Die Bar sieht tatsächlich aus wie eine Küche. Betreiberin Nina Zilvar:

Eine Bar ohne „Barriere“, ohne Tresen … ein offener Raum im Altbauküchenstil in dem der Barkeeper als Gastgeber in seiner Küche fungiert. Der Gast ist immer im Zentrum des Geschehens, während seine klassischen Cocktails oder kreativen Eigenkreationen zubereitet werden.

Ohne Bartresen kommt auch die Frankfurter Bar Seven Swans & Tiny Cup mit (vielleicht auch wegen) nur 17 Quadratmetern Fläche aus, es gibt einen zentralen Tisch (wie auch im Berliner Buck & Breck, wo dieser Tisch zugleich Tresen ist, wenn man so will). Noch einen Schritt weiter ging Tiny-Cup-Barchef Sven Riebel mit seiner vor rund einem Jahr eröffneten Bar Bonechina: Hier gibt es nicht nur keinen Tresen, sondern die Gäste mischen selbst – wie eben bei einer echten Küchenparty. An mehreren Stationen stehen Pre-Bottled-Drinks bereit, zum Beispiel Gimlet- und Negroni-Abwandlungen, die die Gäste dann mit Eis rühren und abseihen. So sieht das aus: 


Riebel erklärt: 

Bei uns sind die Bartender mittlerweile mehr Gastgeber und die Gäste können sich in diesem Raum ganz anders bewegen. Die schönste Situation ist, wenn der eine Gast den anderen fragt: Möchtest du auch noch einen Gimlet?

Aufs Shaken verzichtet er indes wohlweislich – sonst sähe es im „Bonechina“ schnell aus wie auf einer echten Küchenparty zu fortgeschrittener Stunde.

Bar ohne Tresen: Eine neue Raumidee, die sich gar nicht auf Cocktailbars beschränken muss. Die neue Berliner Kaffeebar Holy Coffee ist auch barfrei aufgebaut, es gibt lediglich ein Bar-Rudiment zum Bestellen, Abholen und Bezahlen. Ebenso im neuen peruanischen Restaurant Nauta, auch hier sieht die integrierte Bar aus wie eine moderne Küchenzeile. Mit dem Effekt, dass die Zubereitung noch besser einsehbar, sprich transparenter wird, Gast und Gastgeber bewegen sich in diesem Raum ganz anders. Was – optional – eine Interaktion wie im Bonechina fördern kann und ganz neue Arten des (Self-)Service ermöglicht, ähnlich wie in den Selbstgrill-Restaurants.  

7. New Work

2017 haben wir uns auf dem nomyblog viel mit dem Thema Employer Branding beschäftigt, welches vornehmlich darauf abzielt, potenziellen Mitarbeitern, Interessenten, Jobsuchenden, zu kommunizieren und zu zeigen: Ich bin ein guter und spannender Arbeitgeber.

Doch wie sieht gute Arbeit heute eigentlich aus oder wie sollte sie aussehen? In der Gastronomie, die immer noch als mitunter misanthropes Arbeitsfeld gilt? Mitarbeiter in der Gastronomie sind heute schon zum großen Teil Millennials und Generation Z’ler, und wie Experten nicht müde werden zu betonen: Diese Generation will ganz besonders nachdrücklich Arbeit mit Sinn, will mitentscheiden und eine Balance aus Arbeit und Freizeit, sucht Aufstiegsmöglichkeiten und möchte sich kreativ einbringen. Der berüchtigte „raue Ton in der Küche“ ist so ziemlich das letzte, was ihr gefällt, dann wählt sie mit den Füßen, sucht sich einen anderen Job oder reist ein paar Monate nach Sri Lanka. Doch: Gleichzeitig mag sie (sinnvolle) Führungsstärke, Vorbilder und Unternehmer mit Leidenschaft. Marktforscher Uwe Lebok

Positives Feedback und stetige Kommunikation ist ein unabdingbares Must für Wertschätzung. Noch besser, wenn in diesem Zusammenhang der „Chef“ oder Unternehmer eine Vorbildfunktion einnimmt, Werte vorlebt und sein Personal einlädt, diese Werte gegebenenfalls auch zu teilen.

 Andrea Grudda, Trainerin und Trendscout: 

Maßstab für Erfolg wird der Hashtag werden. Hat niemand Lust, dein Angebot, deinen Arbeitsplatz und deine Mitarbeiter zu posten, dann bist du auch nicht relevant.

#lovemyjob ist einer dieser Hashtags, aber auch die Bereitschaft, betriebsinterne Hashtags auf privaten Profilen zu verbreiten, ist ein Maßstab für Erfolg und Beliebtheit. Wie sehr identifiziert sich der Mitarbeiter mit dem Unternehmen – das ist die Frage. Es wird auch weiterhin die Aushilfskraft geben, die mit all dem nichts zu tun haben und im Saisongeschäft einfach nur gutes Geld machen will, um sich das Wintersemester zu finanzieren. Das ist ihr gutes Recht. Aber wer die Gastronomiebranche als langfristiges Berufsziel ins Auge fasst, der will mehr – und fordert „employer engagement“: Einen achtsamen, fairen, coolen Arbeitgeber, der sich für sein Team reinhängt, Feelgood-Manager, Problemlöser und Möglichkeiten-Geber ist. 

Wie so oft lohnt auch hier der Blick über den Branchen-Tellerrand. Die Begründung „aber wir sind doch nur ein Vier-Personen-Wirtshaus und kein globaler Konzern“ gilt nur bedingt: Viele Methoden der Großen lassen sich erstens runterskalieren und zweitens dank direkterer, persönlicherer Strukturen viel einfacher in die Tat umsetzen. 

Es gibt viele Möglichkeiten, vom Arbeit- zum Sinngeber zu werden: Sei es die Teilnahme an Fortbildungen, Kursen oder (meist industrieseitig durchgeführten) Wettbewerben, seien es Projekte, die man den Mitarbeitern komplett überlässt, seien es Teilarbeitsbereiche, die auch von außerhalb, im home office oder sonstwo, erledigt werden können. Wie wäre es mit Mentorships zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern (was übrigens in beide Richtungen gut funktionieren kann, vielleicht ist der eine beim Thema Vorbereitung Experte und der andere beim Thema Nutzung der Dienstplan-App)? Vielleicht sogar betriebsübergreifend im örtlichen Kollegenkreis? Wie wäre es mit Austauschprogrammen zwischen Betrieben, um den Erfahrungshorizont junger Mitarbeiter zu erweitern? Mit gut strukturierten Praktika, die jungen Menschen zeigen, wie interessant das Unternehmen und die Branche ist (und  nicht das Gegenteil, indem die Leute als billige Arbeitskräfte eingeplant werden)? Mit coolen Recruitingevents à la #gehtauchanders, zu dem bei der  Premiere 300 junge Menschen kamen? Oder gemeinsamen Inspirationstrips? Die müssen nicht zwangsläufig nach London oder New York gehen, auch Bamberg, Karlsruhe, Frankfurt oder, fast vergessen, Berlin haben 2018 enorm viel spannende Konzepte zu bieten. Es sollte meiner Meinung nicht nur der Chef solche Reisen machen, sondern vor allem sollten es die (leitenden) Mitarbeiter tun. Und sollte man den Begriff „Azubi“ nicht langsam mal ausrangieren? Antwort: Ja, man sollte. „Talents“ ist ein Begriff, den man heuer immer häufiger in Bezug auf den Nachwuchs liest. Ist doch schon wertschätzender.  

Neues Arbeiten in der Gastronomie: Dieser Trend ist eine Baustelle. Dieses Thema werden wir daher mit besonderem Augenmerk weiterverfolgen. Im Juni 2018 findet unter dem Motto „#newwork: The future of food business“ ein Kickoff-Event statt, das sich unter anderem mit diesem Thema mit Bezug auf die Branche beschäftigen wird. Und mit einigen weiteren der hier vorgestellten Trends. Veranstalter ist die Sustainable Food Academy. Übrigens: Mit dem unter Punkt 5 bereits genannten Ansgar Oberholz ist es tatsächlich ein Gastronom, der das Thema mit dem dafür eigens gegründeten Institut für Neue Arbeit branchenübergreifend vorantreibt. Warum auch nicht? Gastronomen sind, weil sie im people business tätig sind, grundsätzlich auch besonders befähigt, den professionellen Umgang mit Menschen – also Arbeit – zu gestalten. 

 

Was ist aus den Trends 2016 und 2017 geworden?

Gastro-Trends 2017:

German Food Identity: Ja, da tut sich einiges. Immer mehr Restaurants entdecken die heimische Küche (wieder), ein Stück weit geht damit einher die neue Lust auf Gemüse (siehe Trend 4/2018). Beispielhafte Konzepte wären das „Fundament“ in Mannheim sowie das „Oderberger“, das „Slate“ und das bald startende „Tisk“ (alle in Berlin) sowie diese hier. Hinsichtlich dieser Identität immer noch im Aufbau begriffen ist eine feste Brücke zwischen Erzeuger/Landwirt und Gastronom/Verbraucher. Die bald launchende „Plattform Neun“ wird den bereits existierenden regionalen Lieferservice ergänzen und Lebensmittelproduzenten und Konsumenten der Region noch stärker miteinander vernetzen. 

Im Kontext dieses Themas ist der Beitrag, den Micha Schäfer, Chefkoch im Nobelhart & Schmutzig Berlin, für die Zeitschrift Effilee geschrieben hat, lesenswert. Zitat aus dem Text:

Es ist mir schleierhaft, wie man im Jahr 2017 ein gastronomisches Unternehmen führen kann, das nicht landwirtschaftsorientiert arbeitet. Nicht allein im Sinne der Nachhaltigkeit, sondern vor allem im Sinne betriebswirtschaftlicher Entwicklung. (…) Ohne direkte und kompromisslose Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft ist die Gastronomie zum Stillstand verdammt.

Panamerica: Ich hatte ja das Thema pazifische Küche in diesen Trend mit reingemogelt, und was sich hier hinsichtlich Poke-Restaurants getan hat, ist doch erstaunlich. Kuromakupoke in Köln, Kailua Poké in Hamburg, Aloha Poke München und Maloa in Berlin, um nur ein paar zu nennen, schossen aus dem Boden. Neu sind auch das peruanische Restaurant Nauta in Berlin und besonders charmant finde ich das Konzept des Don Kölle in Köln, das ist ein chilenisch-deutscher Mix.

Refugee Restaurants: Es hat tatsächlich einige Eröffnungen gegeben, so das Berliner Milaa, ein mexikanisches Restaurant, in dem vor allem Geflüchtete arbeiten, ebenso das Bantabaa, über dessen Crowdfunding wir schrieben. Den Gastro-Gründerpreis 2017 erhielten das mit geflüchteten Frauen arbeitende Cateringprojekt Chickpeace – eine Restauranteröffnung ist noch für dieses Jahr geplant – und ebenso der Non-Profit-Caterer Refoodges aus Köln. In München gibt es das Bellevue di Monaco, in dem junge Geflüchtete wohnen und (u.a. im Café) arbeiten. Sicher gibt es da draußen noch viel mehr Projekte wie diese. Es wäre nicht redlich, hier von einem vergleichbaren „Trend“ zu sprechen, aber die Zahl der Obdachlosen in Deutschland nimmt zu, die Armut wird immer größer. Schön wäre es, wenn die Branche auch hier mehr integrative Lösungen entwickelte – vielleicht wie diese in Madrid?

Female Shift: 2017 war ein Jahr des Aufbegehrens gegen (mediale und reale) Männerdominanz, gegen Belästigung und gegen Missbrauch, von der #rollingpenis-Diskussion (wir berichteten) bis #metoo. Hier geht es freilich nicht nur um einen „Branchentrend“. Es geht um das große Ganze, um Gleichberechtigung, Fairness, korrektes Verhalten und um bessere Geschlechterverhältnisse für alle. Eine gesellschaftliche Veränderung ist gekommen, um zu bleiben. Das ist gut. 

Bar-Restaurants: Gefühlt 60-70% aller uns unterkommenden neuen Restaurants haben auch eine Bar- bzw. Cocktailkarte. Und immer öfter arbeiten die Restaurants bei der Erstellung ihrer Drink-Karte mit externen Bartendern zusammen, hier seien das Berliner Heimlich Treu (die Karte schrieb Arnd-Henning Heissen, mit dem ich 2017 ein, wie ich finde, sehr schönes Gespräch führen konnte) und das To The Bone (ließ seine Drinks von den Bartendern der Bar Zentral kreieren) beispielhaft genannt.  

Trays & Flights: Trays ja, Flights eher selten. 

Algen: Eine weitere Stimme im großen Foodorchester, solo aber selten zu hören. 

Was die 10 Trends aus 2016 angeht: Bei den Trends 1 bis 8 ist immer noch Bewegung drin, dass neue Selbstgrill-Restaurants (Trend 9) eröffnet hätten, ist mir nicht bekannt, auf jeden Fall kein großes Thema. Und saures Bier, Trend 10: Ein ganz kleiner, aber feiner Trend, den die Blog-Kollegin Nina Anika Klotz für 2018 als aufsteigend einschätzt. Nun, ich stoße mit der neuen, angenehm säuerlichen Budike Weisse von Lemke aus Berlin darauf an.

Ich freue mich über Feedback zu allen ausgebreiteten Themen und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Jan-Peter Wulf, nomyblog 

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.