Gerstners Gedanken: Werdet aktiv für eine gleichberechtigte Arbeitswelt

von Eva-Miriam Gerstner
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Foto: privat

Die Berliner Agenturbetreiberin Eva-Miriam Gerstner teilt ihre Gedanken mit euch: über die Hospitality- und Dienstleistungsbranche, über Trends, Innovationen und generell über die Lage der Welt – und wie man in diesem „neuen Normal“ am besten klar kommt. Sie spricht immer Klartext. Dieses Mal: über Frauen, Männer, Gleichberechtigung, gläserne Decken und wie man/frau sie durchbricht.

Nervt euch das *innen auch so sehr wie mich? Okay irgendwie geht es mir das Schreiben von „Kolleg*innen“ schon leicht über die Tastatur. Man gewöhnt sich ja schnell an vieles.

Teilweise ist es aber trotzdem nervig und gefühlt ein notwendiges Übel: *innen. Ohne das Sternchen fühlt man sich irgendwie direkt schuldig, oder?

Was mich daran besonders stört ist, dass irgendwer glaubt dass
a) damit irgend jemandem geholfen ist und dass
b) damit das Thema Gleichstellung bedient ist. 

So kommt es in der Praxis nämlich oft rüber. Lassen wir einmal die Themen Gender Diversity, Woke-Bewegungen und die große Überbegrifflichkeit „Fempower“ an der Seite und schauen wir uns einfach in unserer Dienstleistungsbranche um, wie das so ausschaut mit Frauen und Männern. 

Let’s talk about money.

Fangen wir beim Geld an. Generell verdienen Frauen für den gleichen Job oft weniger als Männer. Wenn sie denn überhaupt den gleichen Job bekommen, ausgestattet mit den gleichen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. 

Was ich am „Mannsein“ bewundere ist, dass sie immer alles können. Männer können alles, sie schaffen alles und auch wenn sie etwas noch nie gemacht haben, ist es aufgrund des Erfahrungsschatzes gar kein Problem, sich in die Thematik einzuarbeiten. Frauen wiederum bewerben sich oft erst gar nicht auf bestimmte Jobs, weil sie denken, nicht gut genug zu sein. Ob dies in der Gender-Erwartung schon in der Erziehung mitgegeben wurde? Anderes Thema!

Da werden in einem Anforderungsprofil 10 Punkte genannt, die man mitbringen sollte – und passt da einer nicht, schwupps, sind fast alle Frauen raus. Sarkastisch gesagt: Wenn bei Männern nur ein Punkt passt, bewirbt Mann sich trotzdem. 

Sitzen Frauen dann im Bewerbungsgespräch und werden nach dem Gehaltswunsch gefragt, nehmen Frauen oftmals den unteren Mittelwert, den man im Internet passend zu diesen Positionen finden konnte. Männer nehmen den höchsten und addieren 20 Prozent.

Warum? Weil sie es können. Genauso geht das bei Boni-Vereinbarungen, zusätzlichen Urlaubstagen und sonstigen Vergütungs-Addons: Frauen verkaufen sich schlicht häufig unter Wert, während Männer sich zumeist über Wert verkaufen. Muss man können, und kann man sich auch gerne etwas davon abschauen.

Das NUR-Wort

Die Begründung für das „sich unter Wert“ verkaufen liegt ganz oft im NUR-Wort.

„Ich bin ja NUR 30 Stunden hier.“
„Ich leite ja NUR das Housekeeping.“
„Ich bin ja NUR persönliche Assistentin.“
„Ich bin ja NUR Junior Projektleiterin.“

Nur? Falsch liebe Ladys! Nur seid ihr gar nicht! Männer sind auch sind und nicht nur. Egal in welcher Position, egal für wie viele Stunden die Woche – wenn es euch in dieser Position in dieser Stundenanzahl nicht geben würde, dann wäre die ganze Unternehmung nicht so erfolgreich. Richtig? 

Männer/Frauen-Jobs

Es gibt viele Jobs, in denen sind die Geschlechter irgendwie von vornherein zugeordnet: PR-Leitung = Frauen. Facility-Management-Leitung = Männer. Bauleitung = Männer. Kommunikationsleitung = Männer. Housekeeping = Frauen. Sales Leitung = Männer. Küchenchef = Männer. Kindergartenleitung = Frauen. 

Gut, das ist jetzt in der Tat stereotyp, aber ich glaube, man kann verstehen, was hier gemeint ist. Ganz oft ist das aber nur so, weil Frauen sich den Job schlichtweg nicht zutrauen, obwohl sie es können. Ich kenne so viele Frauen, die zu Hause renovieren, Elektrokabel verlegen, den Bohrer schwingen, mega gut sind in Excel, mathematisches Zahlenverständnis haben, super kreative Vermarktungsideen haben, ein strategisches Vollverständnis … hey Ladys, ihr könnt es einfach – ihr wisst es doch auch, oder?

Das Führungspositionen-Thema

Sobald auch nur der Geruch einer Möglichkeit für eine Führungsposition in der Luft liegt, fangen Männer das politische Stühlerücken an. Vor allem in Konzernen gerne gesehen. Mann taktiert, bildet Seilschaften, bringt sich in Position. Anstrengend ist das, stimmt.

Aber können wir Frauen das nicht eigentlich so viel besser? Wir sind doch Meisterinnen in diesem Gaming, setzen es leider aber auch noch zu oft gegeneinander ein. Lasst uns das beenden und die Strategie voll auf Karriere setzen. Ellenbogen können wir. Taktik können wir. Netzwerke bilden können wir auch. Und wir sind richtig gut in Führung, oder?

Karriere Kinder Küche 

Die drei Ks, die uns immer wieder in völlige Panik versetzen. Dieses alte Denken von der Karrierefrau, die den Haushalt vernachlässigt und die Kinder verwahrlosen lässt. Dabei geht es nicht immer nur um einen Vorstandsposten, sondern einfach und schlicht um einen Job, der uns ausfüllt, Spaß macht, der Kohle bringt und uns in unserer Unabhängigkeit bestärkt. 

Wenn wir ehrlich sind, sind Frauen oftmals die strukturierteren, effizienteren, konzentrierteren Timekeeper – heißt, wenn die Kids um 16 Uhr aus der Kita abgeholt werden müssen, schafft Frau bis dahin alles, was es an diesem Tag zu erledigen gab. Und wenn nicht, setzt sie sich wieder dran, sobald die Kids im Bett sind. 

Sollte im Job eine Dienstleistung gefragt sein, die die persönliche Anwesenheit zu einer gewissen Uhrzeit erfordert, schafft Frau auch das unter einen Hut zu bekommen und glänzt in der Aufgabe mit vollstem Perfektionismus. No need to regret!

Mein Rat an dieser Stelle: Bewerbt euch, bringt euch in Position, immer voll überzeugt von euren Fähigkeiten! Fragt nach dem höchsten Gehaltssatz und den besten Vertragsbedingungen! Sichert euch die Führungsposition und sollte sich ein Mann in euren Weg stellen fahrt eure Ellenbogen (Fingernägel) aus – mittlerweile kennt ihr meine Kolumne :-)

Reality Check:

Das hört sich jetzt alles an wie bei Alice im Wunderland. Ich weiß das. Das, was da draußen los ist, ist kein Zuckerschlecken. Wir müssen uns eingestehen, dass in ganz vielen Unternehmen, Firmen, Geschäftszweigen noch das alte, traditionelle Patriarchat herrscht, und dass der riesige Elefant, den keiner wirklich mehr wahr haben möchte, immer noch ganz oft im Raum steht: Der Elefant mit dem Namen „Alte-Weiße-Männer-Verhalten“. 

Tja, willkommen in der Realität. Es ändert sich gerade zwar sehr viel, oder sagen wir es so: Die Veränderungen liegen in der Luft, aber es gibt noch so viel zu tun und so viele Kämpfe zu kämpfen.

Nicht falsch verstehen, ich propagiere hier nicht die weibliche Übernahme der Weltherrschaft , obwohl das vermutlich nicht schaden würde, aber das ist ein anderes Thema. Ich stehe schlicht für ein Weltbild, in der Frauen und Männer, in egal welchem Job, gleichberechtigt beachtet und bezahlt werden. Und das ist faktisch in der Realität nicht so. 

Es darf keine Rolle spielen, ob Frau Kinder hat oder Kinder möchte, ob die Frau 30 oder 60 ist, verheiratet oder geschieden, Eltern pflegt oder Haustiere hat, egal welches Paket wer zu tragen hat, hier muss Gleichberechtigung her. 

Und so lange noch so viele Männer in all diesen alten Führungsstrukturen sitzen und Jobs vergeben, bzw. im Daumen hoch oder Daumen runter Verfahren über neue, flexiblere Arbeitsmodelle entscheiden, die zumeist abgelehnt werden, weil: hatten wir ja noch nie – so lange wird das alles ganz ganz schwer bleiben.

Daher: Wir müssen jetzt stark sein und stark bleiben. Oftmals verschwenden wir Frauen viel Energie in Stutenbissigkeit, agieren hektisch, sobald wir uns „angegriffen“ fühlen, hetzten uns ab und flüchten energielos dann in die Verteidigungsposition. 

Von heute auf morgen ist die Situation nicht zu ändern, aber wir können jetzt die Weichen stellen für die kommenden Generationen, für eine gleichberechtigte (Job-)Welt mit ausgeglichenen Strukturen. Wir brauchen kreative Strategien, um die Arbeitswelt für uns alle flexibler und agiler zu gestalten, Allianzen schließen mit „likeminded“ Menschen (und da meine ich Frauen, Männer, divers, alle zusammen!) um mit einer sinnvollen Taktik und einer klugen Strategie voran zu gehen, um den Change auf dem Arbeitsmarkt voran zu treiben. 

Und ja, liebe Lady, jede durchverhandelte Gehaltserhöhung und Beförderung, jede auch noch so kleine akzeptierte flexiblere Arbeitsweise, alles, alles ist ein Schritt in die richtige Richtung und ein kleines Puzzleteil für das große Ganze.  

Und wenn du, genau du, ein Unternehmen hast, eine Führungsposition begleitest, oder eine Abteilung leitest – schau dir doch jetzt gleich mal deine Strukturen an, deine Stellenausschreibungen – ist das alles zugänglich für Mädchen, Frauen, Ältere, Mütter, Alleinerziehende, Menschen mit teils vielleicht auch großen Verantwortungen im privaten Leben?

Lasst uns in neuen Modellen und Modulen denken: geteilte Führungspositionen, eigene flexible Zeiteinteilung, agiles Jobsharing, gegenseitige Unterstützung in übergreifenden Positionen – es gibt so viel mehr als nur dieses eine Modell, diesen einen Job in einer 40-Stunden-Woche – auch im Führungskräftebereich, auch in der Gastronomie. Überall.

Wichtigste Voraussetzung: Mann / Frau muss es wollen! Altes Denken und alte Raster aufzubrechen, ist hart und tut weh, und ist mit Stürmen verbunden, aber die Zeit wird kommen. Und entweder wir sind aktiv mit dabei und gestalten das neue Ding mit (egal ob auf der Arbeitnehmer oder Arbeitgeberseite) – oder die Zeit wird uns irgendwann früher oder später einholen. 

Also: Let‘s be aktiv! Für eine gleichberechtigte Arbeitswelt für uns und die kommenden Generationen!  

 

Fragen, Anmerkungen oder Kommentare? Schreibt unserer Autorin einfach eine Nachricht.  Mehr über Eva-Miriam und ihre Arbeit findet ihr hier www.ccm3-consulting.com – oder folgt ihr auf LinkedIn oder Instagram. Wer Interesse an einer Zusammenarbeit hat: Das erste Orientierungsgespräch ist immer kostenfrei.

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