Go East: Asiatische Café-Konzepte sind im Trend

Wir stellen Konzepte aus Berlin, Hamburg und München vor

von Jan-Peter Wulf
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Foto: Dongnam Coffee Lab

Die europäische Kaffeehaus-Kultur und die Coffeeshops amerikanischen Zuschnitts bekommen einen Schubser aus östlicher Richtung: asiatische Konzepte mischen den Markt auf. Mit neuen Geschmacks- und Farbkreationen, innovativem Design – und mit Qualität. Wir haben uns neue Konzepte in München, Hamburg und Berlin angeschaut. 

Welche Farben verbinden wir mit einem Café? Braun? Beige? Ein gedecktes Weinrot vielleicht? Lassen wir diese typischen Töne hinter uns und betreten wir das  Niu Asian Café in München. Eine Farbwelt wie mit einem Einhornschweif gepinselt dringt auf uns ein: Pink, Lila, Azurblau und Türkis, vollflächige kunterbunte Blütendekorationen an der Wand, Marmor und Messing sorgen für Kontrast. Ein wahrlich intensives Bild. „Das Bunte und Schrille, das ich aus Asien kenne, hat mir in Deutschland immer gefehlt. Ich liebe Glitter“, erklärt uns Ying Ting Nici Huang. Die gebürtige Berlinerin mit japanischen Roots startete ihr Café 2022 zusammen mit ihrem Mann, der aus Vietnam stammt. Und es ist schon ihr zweites: Anfang 2019 bereits eröffneten die beiden ihr erstes „Niu“ in Nürnberg, wohin Nici als Teenagerin mit ihrer Familie zog. „Die Stadt ist eigentlich recht konservativ, aber wir haben mit dem Niu (das dort wesentlich kleiner ist, Anm. d. Red.) eine Nische gefunden. Aber uns war schnell klar: Unser Konzept ist eigentlich etwas für die Großstadt.“

Regenbogen-Latte-Art 

Deshalb streckte man schon bald die Fühler nach München aus, von der Entfernung her logistisch noch handelbar. In der Coronazeit konnte man schließlich, nach langer Suche nach einer geeigneten Location, die Fläche eines Friseurbetriebs in der Sendlinger Straße übernehmen, der insolvent gegangen war, und schuf diesen farbenfrohen Ort. Die Süßspeisen in den Vitrinen und die Heißgetränke auf den Tischen schillern ebenfalls mannigfaltig. „Wir verwenden zum Beispiel Beeren und Matcha, Lebensmittelfarbe, Aktivkohle oder essbaren Glitzer für unsere Produkte“, erklärt Nici.

Praktisch alles ist hausgemacht, es wird täglich frisch gebacken, viele Desserts entstehen gar à la minute, die Kaffeespezialitäten sowieso. Und das mit viel Finesse für die Optik – man kann sich in den Instagram-Storys des Cafés anschauen, wie Regenbogenfarben effektvoll auf den Milchschaum gezaubert werden. „Auf die Rainbows fahren die Gäste am meisten ab“, berichtet Nici, die als Head Barista ihre Skills an das Team weitervermittelt. Ihr persönlicher Favorit ist der Pistazien-Kokos-Latte, auch ein Bestseller im „Niu“-Programm. Sind in der Winterzeit warme Kaffeegetränke mit weißer oder dunkler Schokolade, getoppt u.a. mit Spekulatius und Lebkuchen begehrt, sind es im Sommer gefrorene, farbig geschichtete oder gefloatete Shakes von „Strawberry White Coco“ über „Blueberry Cheese“ bis „Matcha Cucumber“, Ice Lattes oder Eistees in knalliger Optik. „Wir machen Food Art“, so die Betreiberin selbstbewusst.

Süßer Look, aber mit so wenig Zucker wie möglich

Kaffeebraune Klassiker wie den Americano und Flat White gibt es hier aber auch, sollte es jemand puristischer bevorzugen. Demnächst wird Filterkaffee hinzu kommen. Dabei verwendet man sowohl 50:50-Mischungen aus Arabica und Robusta sowie – hier spielt die vietnamesische Kaffeetradition hinein, auf die wir später noch einmal zu sprechen kommen – auch 100%-Robusta-Kaffees. So süß die Getränke und das Backwerk aussehen, so reduziert sei der tatsächliche Einsatz von Zucker, erklärt uns die Betreiberin – auch weil viele Gäste fragen, wie viel Zucker drin ist und man es als Bedürfnis identifiziert hat, möglichst wenig einzusetzen. „Wir versuchen, den Zuckergehalt so weit wie möglich zu senken, und das funktioniert gut. Viele Süße kommt ja schon aus den Früchten oder der Schokolade.“ Und bestimmt trägt auch die schillernde, liebliche Optik der Produkte wie des Orts dazu bei, dass sich ein süßes Genusserlebnis im Kopfe der Gäste einstellt.

Espresso mit Earl Grey

Die Optik spielt auch in einem neuen asiatischen gut Café 600 Kilometer Luftlinie weiter nördlich eine große Rolle: Im 520 Dessert Studio (allein der Name!) in Hamburg sehen die Produkte beinahe so aus, als solle man sie sich wirklich nur anschauen und nicht hineinbeißen bzw. sie austrinken. Zum Beispiel die Dessert-Bowl „Coco Madness“ mit frischer Mango, Kokosmilch, Tapiokaperlen (die man vom wieder schwer angesagten Bubble Tea kennt, hier allerdings deutlich kleiner) und Kokochips. Die gibt es auch mit Matcha statt Mango, oder dem „signature drink“ des im Juni 2022 am Eppendorfer Baum eröffneten Cafés, dem „Ying Yang“: Frisch aufgebrühter Earl-Grey-Tee wird mit Kondensmilch verfeinert und dann mit einem Espresso-Shot getoppt. Hierzulande eine nahezu unbekannte Kombination, ist dieser Mix als „Yuenyeung“ ein in Hongkong gerne getrunkener, kraftvoll koffeinreicher Klassiker.

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📍520 Dessert Studio Eppendorfer Baum 41#spotswithpam

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„Wir haben uns schon gefragt, ob das jemand trinken wird“, erzählt Khanh Hoang Do, Spitzname „Bean“, einer der drei Gründer des Cafés. Umso überraschter war man, dass es die Gäste lieben – es ist zusammen mit dem „Violet Dream“ aus Matcha und Lavendel der flüssige Topseller, im kalten Programm finden sich u.a. ein „Purple Rain“ mit Jasmintee und Blaubeersirup. Gerne bestellt wird auch der im Airfryer zubereitete French Toast mit der knusprigen Schokocreme von Ovomaltine – ebenfalls ein Hit in der Metropole am südchinesischen Meer. 

Nischenthema Hongkong

Auf das Thema Hongkong kam das Trio, weil Beans Partner Chun Yin Jason Lai und Ho Ching Florence Tran ihre familiären Wurzeln dort haben und typische Rezepte „vererbt“ bekamen, die nun nach und nach auf die Karte kommen – etwa die hausgemachten Milchbrötchen, die in Hongkong „pineapple buns“ heißen. Allerdings nicht, weil sie mit Ananas gefüllt wären, vielmehr weil das Muster ihrer Kruste an die Frucht erinnert. Die kleinen „egg tartes“ ähneln in Form und Inhalt den Pastéis de Nata – Macau nahe Hongkong war einst portugiesische Kolonie und portugiesische Cafés gibt es in Hamburg so einige – da schließt sich quasi der Kreis. Schon jetzt denkt man darüber nach, das Hongkong-Konzept auch an andere Orte zu bringen. 2023 steht indes im Zeichen der Ausarbeitung und Verfeinerung des Konzepts. Hinter der Zahl im Namen „520 Dessert Studio“ verbirgt sich übrigens Romantisches, denn es klingt in Mandarin wie „ich liebe dich“. Auf Kantonesisch, wie es in Hongkong geläufig ist, soll es eher nach dem Gegenteiligen klingen, liest man im Netz. Also: Obacht.

Kommt vietnamesischer Kaffee?

In der Hauptstadt Berlin gibt es viele asiatische Foodkonzepte, Cafés hingegen nur vereinzelt. Zu nennen wären das vietnamesische Café-Restaurant „Quà Phê“ in Mitte und das „Cà Phê 13“ sowie das „Cooquin“, beide im Stadtteil Lichtenberg, wo viele (deutsch-)vietnamesische Familien wohnen. Hier gibt es nicht nur Cà phê Phin, den traditionellen vietnamesischen Kaffee aus dem Edelstahl-Filter, sondern auch Kreationen wie den pikanten „Matcha Wasabi Latte“ (im „Cà Phê 13“) oder, im „Cooquin“, Kaffees mit Avocado, Kokosnuss, salzigem Milchschaum oder Espresso mit geschlagenem Eierschaum. Letzteren will das 2022 eröffnete „Dongnam Coffee Lab“ deutschlandweit bekannt machen – als „Egg-Presso“ mit süßer Creme aus pasteurisiertem Eigelb und Kondensmilch auf Espresso.

 

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Das Café ist weder in Mitte noch in Lichtenberg, sondern liegt tief im Westen, auf dem Kurfürstendamm kurz vor der S-Bahn-Station Halensee. Es ist auch weder quietschbunt wie das „Niu“ noch minimalistisch wie das „520 Dessert Studio“, sondern kommt wie ein klassischer Coffeeshop daher: helles Holz, dunkle Wände, Grünpflanzen. Sehr harmonisch, warm, schick – und zurückhaltend. 

Robusta: mehr als koffeinreicher Füller

„Das muss es auch sein, ein schrilles Design passt nicht in diese Gegend hinein und würde das Publikum an diesem Standort abschrecken“, erklärt Betreiber Trieu Linh Vu. Geboren ist er in Hanoi, in Berlin hat er zehn Jahre gelebt und weiß, wie die Stadt tickt. Mittlerweile wohnt er in München und ist hauptberuflich im Software-Vertrieb tätig. Sein großes Ziel: vietnamesische Kaffeekultur systematisieren und eine Alternative zu westlichen Ketten aufbauen. Noch immer ist Kaffee aus Vietnam der große Unbekannte. Obschon, Branchenkenner wissen es, das Land nach Brasilien am die Nummer zwei unter den Erzeugerländern ist. Den Löwenanteil der Produktion macht Robusta aus – und Linh hat sich auch zum Ziel gesetzt, zu zeigen, dass die Sorte eben nicht nur ihre Rolle als koffeinreiche Beimischung bzw. Auffüllung spielen muss, sondern auch solo ein überzeugendes Geschmacksbild abgeben kann. Verwendet wird u.a. der „Awakened Ape“ aus 100% Robusta von „84 Coffee“ aus München, Linh ist auch Mitinhaber des Kaffee-Startups. „Wir arbeiten mit traditioneller, langsamer  Trommelröstung, auf diese Weise entfalten sich beim Robusta viel mehr Aromen und er ist deutlich bekömmlicher“, erklärt er. „Man kann ihn sehr gut als Filterkaffee verwenden“.

Nach und nach will er seinen Gästen weitere handwerklich erzeugte vietnamesische Kaffees präsentieren, etwa eine im Bierfass fermentierte Sorte. „Wir müssen mit Qualität überzeugen, aber wir dürfen auch ein bisschen mutig sein“, findet der Betreiber.

Der Text erschien zuerst in der Kaffee-Fachzeitschrift Barista, die hier kostenlos heruntergeladen werden kann.

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