Statt ihre Gäste im Restaurant Grace im „Hotel Zoo Berlin“ mit asiatisch-lateinamerikanisch getwistetem Fine Dining zu verwöhnen, versorgen Martin Bruhn und sein Team nun die Mitarbeiter*innen in einem Krankenhaus mit frischen Speisen. Angeliefert werden sie im Foodtruck. Ein weiteres Beispiel für die aktuelle Solidarität der Gastronomie: Wir sprachen mit dem Küchenchef.
Wie fühlt sich die aktuelle Lage für den Menschen und den Koch Martin Bruhn an?
Es ist natürlich für uns, wie für die meisten anderen auch, eine zuvor undenkbare Situation, dass von heute auf morgen quasi ein Berufsverbot ausgerufen wurde. Man wird plötzlich mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert, die eine gedankliche und unternehmerische 180-Grad-Wendung fordern. Am schwierigsten ist für uns aber die generelle Machtlosigkeit, die das Ganze mit sich führt, denn wir sind nun abhängig von politischen Entscheidungen, die unsere Zukunft bestimmen.
Es ist für mich nach fast 20 Jahren Berufserfahrung, in der man gelebt hat, stets den täglichen Herausforderungen gerecht zu werden und gelernt hat, die möglichst richtigen Entscheidungen zu treffen, eben genau diese Macht, die keinen Einfluss mehr hat. Wir sind praktisch fremdgesteuert.
Nun habt ihr aber selbst die Initiative ergriffen – vom abendlichen Fine Dining zum Foodtruck, von dem ihr Essen für die Mitarbeiter*innen in einem Klinikum austeilt. Wie ging das Ganze los, wie und wann fiel die Entscheidung?
Da meine Frau als Krankenschwester arbeitet, bekomme ich hautnah mit, was sie und ihre Kollegen, vom Pfleger bis zum Reinigungspersonal, aktuell leisten. So kam mir die Idee, gutes Essen für die Menschen kostenfrei zur Verfügung zu stellen, die aktuell Überdurchschnittliches für unsere Gesellschaft leisten. Als klar war, dass der Lockdown noch eine ganze Weile bestehen bleibt, machten wir uns an die Umsetzung.
Wo kommt der Foodtruck her?
Der ist angemietet und mittlerweile ist der Besitzer zu einem guten Freund gewordenen – er steckt aktuell natürlich in der selben Situation und versucht, das Beste aus der Lage zu machen.
Ihr kocht im Grace und fahrt dann das Essen aus. Euer Ziel ist aber kein Streetfoodmarkt, sondern ein hygienisch hochsensibler Bereich. Welche Vorsichtsmaßnahmen habt ihr getroffen? Kannst du den Ablauf bitte mal beschreiben?
Wir kochen unter strengen Hygienestandards, zusätzlich jetzt natürlich mit Mund-Nasen-Maske, Handschuhen und noch strengerer Achtsamkeit. Wir bereiten auch keine hochsensiblen Speisen zu, also keine Tatars, rohen Fisch, Dressings mit Ei oder Mayonnaisen. Wir achten streng auf Kühlketten und garen die warmen Speisen komplett durch, um ein eventuelles Ansteckungspotential auszuschließen.
Was kocht ihr und wo kommen die Lebensmittel her? Und auch wenn es vor allem um Versorgung geht, bringst du trotzdem einen „Grace-Twist“ mit rein?
Unsere Waren beziehen wir wie gewohnt von unseren Lieferanten, die sich natürlich auch über jede Bestellung freuen. Für mich ist wichtig, den Alltagshelden gesunde und stärkende Speisen zu reichen. Auch sollen diese nicht den üblichen Lieferservices ähneln und zumindest ansatzweise an unsere asiatisch-lateinamerikanische Küche erinnern. Zum Bespiel knackige Salatherzen mit Avocado und Tomaten-Yuzo-Dressing oder ein Spicy Coconut Beef, das mit asiatischen Aromen und dem gewissen Grace-Twist überrascht, jedem ein Lächeln und hoffentlich etwas Ablenkung in den stressigen Arbeitstag zaubert.
Wie viele Leute aus eurem Küchenteam könnt ihr mir der Initiative zurzeit beschäftigen?
Circa sieben Mitarbeiter, außerdem sind wir ein Ausbildungsbetrieb und wollen auch in dieser Zeit den Azubis etwas bieten.
Deine Frau arbeitet selbst im Sana Klinikum in Lichtenberg.
Ja, in der Rettungsstelle, sie ist also direkt betroffen. Da dort die Versorgungslage der Mitarbeiter auch eingeschränkt ist, haben wir dort mit den Zuständigen Kontakt aufgenommen und waren auch im ersten Einsatz dort vor Ort.
Wie ist das Feedback der Mitarbeiter*innen des Klinikums?
Die Helden sind durchweg begeistert, nicht nur vom Geschmack des Essens, sondern auch der Aktion insgesamt. Durch meine Frau und die Medien habe ich auch von vielen Initiativen anderer Gastronomen gehört und möchte diesen ganz herzlich danken, viel Mut und Kraft wünschen. Es ist für die Mitarbeiter und auch meiner Frau eine ganz besondere Freude, in diesen Zeiten so toll und uneigennützig unterstützt zu werden.
Dem Dank schließe ich mich an. Wir können uns ja alle gerade nicht so richtig vorstellen, wie der gastronomische Alltag nach Corona aussehen soll. Ich vermute, die Erfahrungen, die ihr gerade macht, werden ja auch nachwirken. Was sind deine Gedanken dazu?
Es ist schwer zu sagen, wann sich die Lage normalisiert. Fest steht, nach dieser Krise wird nichts so sein wie zuvor und es gibt viele Unbekannte in den Überlegungen. Wie wird das Verhalten der Menschen in Zukunft sein? Wie wird das internationale Gästeaufkommen sich entwickeln? Welche Maßnahmen müssen wir treffen? Welche Anschaffungen müssen wir machen, um das „Grace“ betreiben zu können? Wir hoffen, dass unsere Stammgäste und Partner uns weiter treu bleiben. An dieser Stelle möchte ich diesen besonders danken, nicht nur für die erfolgreichen vergangen Jahre, sondern auch für die Spenden, um den Foodtruck zu betreiben und die vielen Mutzusprechungen, die wir erhalten haben. Das macht Hoffnung und gibt uns Kraft, positiv in die Zukunft zu blicken – wie auch immer diese dann aussieht.
Ich las, es soll, wenn es wieder möglich ist, ein Danke-Dinner bei euch geben?
Ja wir möchten gerne ein großes Dankeschön-Dinner im „Grace“ umsetzen. Nähere Informationen folgen mit einem nahenden Ende der Corona-Krise.
Danke und alles Gute, Martin.
1 Kommentar
Tolle Initiative :-)