D wie Durststrecke – nur die Ruhe bewahren! Das Gründer-ABC

von Ralf Klümper
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Illustration: Susann Massute

Es gibt wohl kaum eine Branche, in welcher der Erfolg einer Gründung von so vielen – oft nicht beeinflussbaren – Faktoren abhängig ist, wie die Gastronomie. Mit welchen Durststrecken sollte ich als Gründer rechnen, wie sollte ich darauf vorbereitet sein? Beende ich mit meinem Lokal im Stadtteil vielleicht gar keine Hungersnot? Und was hat das alles mit einer Ehekrise oder gar einer Mördergurke zu tun? Stirnrunzeln ist durchaus berechtigt, aber lest selbst…

In meiner Zeit als selbständiger Gastronom gab es immer wieder solche Durststrecken – Zeiten, in denen die Umsätze nicht so waren wie geplant und notwendig. Die erste Durststrecke erwischt die meisten Neu-Gastronomen gleich am Anfang. Nach anfänglicher Neugierde nehmen die Besucherzahlen zunächst wieder ab. Das ist zwar normal, aber die Frage ist eher: Wie lange dauert dieses „zunächst“? Hierfür gibt es keine pauschale Antwort, denn das ist sehr davon abhängig, ob Sie einfach nur abwarten und (ihren eigenen) Tee trinken oder ob Sie aktiv werden und Ihren Marketingplan, den Sie schon vor Ihrer Gründung fertiggestellt haben sollten, umsetzen.

Hat die Welt wirklich auf Sie gewartet?

Jedem Gründer sollte klar sein, dass der Markt völlig übersättigt und somit nahezu komplett abgegrast ist. Es gibt eher zu viele als zu wenig Gastronomien. Mir wurde das schlagartig klar, als zu meiner Anfangszeit ein Gast unser leeres Restaurant betrat, sich umschaute und beim Rausgehen sagte: „Einen schönen Laden habt ihr. Aber der Stadtteil Rüttenscheid ist auch ohne euch satt geworden.“ Das saß! Klar, eigentlich ein hohler Satz, weil er natürlich für jede Gastro-Gründung gilt, aber dahinter steckt eben die bittere Wahrheit: Alle Gäste sind schon vergeben. Keiner hat zuhause die letzten Jahre gewartet und wäre dort fast verhungert, bis Klümper nun endlich ein Restaurant eröffnet.

Oder nehmen wir das Wetter, das leider gar nicht zu beeinflussen ist: Ist gutes Wetter eigentlich per Definition gut? Klares Nein! Viel Sonnenschein und hohe Temperaturen (also gutes Wetter) sind höchstens für Biergärten gut. Ansonsten essen Gäste weniger, wenn es warm ist oder sie grillen zuhause oder fahren übers Wochenende weg oder … Dagegen ist schlechtes Wetter tatsächlich schlecht: Schnee, Dauerregen oder Sturm halten Ihre Gäste davon ab, Sie zu besuchen. Für die meisten Gastronomien gilt: Am besten ist beständig unbeständiges Wetter.

Eine auch nicht beeinflussbare Ursache für eine Durststrecke ist die konjunkturelle Wirtschaftslage. Ist sie schlecht, geben Gäste nicht so viel aus, wie normal. Wir haben dies im ersten Jahr unserer Restaurantgründung zu spüren bekommen: die Weltwirtschaftskrise 2008. Eine schwierige Zeit, weil man ja nicht weiß, wann es besser wird, zudem aber sicher sein kann, dass sie nicht so schnell zuende gehen wird, wie gutes oder schlechtes Wetter.

Ehekrise? EHEC-Krise!

Die abstruseste Durststrecke, die wir erleben mussten, war aber sicher diese: Im Mai/Juni 2011 wurde in einigen Gebieten Norddeutschlands eine Häufung und Ausbreitung einer Krankheit mit schweren Durchfällen festgestellt, die in 53 Fällen sogar zum Tode führten (als EHEC-Krise bekannt). Wochenlang wurden Gemüsesorten, wie Salat, Tomaten und Gurken als Überträger des Bakteriums verdächtigt. Die Boulevard-Presse schrieb sogar von „Mördergurken“. Die Umsätze von eigentlich gesunden Speisen, wie Salaten, brachen völlig ein. Bei uns führte dies zu einem Umsatzeinbruch von rund 25 Prozent im betroffenen Zeitraum.

Mitte Juni konnte Entwarnung gegeben werden: Sprossen waren die Übeltäter. Der Spuk war vorbei, die Umsatzlücke blieb. Im Jahr darauf sprach mich mein Steuerberater im Jahresgespräch auf die miesen Umsätze im Mai und Juni des vergangenen Jahres an. Woraufhin ich ihm den Grund „EHEC-Krise“ nannte. Er aber verstand Ehekrise und konnte sich gar nicht mehr and die Vorkommnisse des Vorjahres erinnern :-)

Aber wie soll ich mit einer Durststrecke umgehen?

  • Ruhe bewahren

Genauso, wie es Rückschläge gibt, gibt es immer auch überraschende – oft ebenfalls nicht zu beeinflussende – positive Ereignisse und Entwicklungen. Ruhe bewahrt man mit einem finanziellen Polster am besten. Deshalb sollten in der Gründungsphase, zum Beispiel für den Umbau der Lokalität, nicht alle Reserven verbraucht werden.

  • Beobachten

Haben Mitbewerber das gleiche Problem? Das hilft zwar nicht finanziell, aber es beruhigt, wenn andere ähnliche Schwierigkeiten haben.

  • Bewerten

Handelt es sich um ein substanzielles Problem Ihres Konzepts, wie beispielsweise fehlende Zielgruppen oder falscher Standort, oder „nur“ um ein vorübergehendes Liquiditätsproblem?

  • Zahnräder und Stellschrauben pflegen

Ein gastronomischer Betrieb besteht aus unzähligen Zahnrädchen, die mal mehr, mal weniger gut in einander greifen. Es gibt in ruhigen, umsatzschwachen Zeiten genügend Zahnrädchen, die geölt und Stellschrauben, die angezogen werden können, damit es in guten Zeiten noch effizienter läuft.

  • Kreativ sein

Wer nicht in der Dauerhektik des Tagesgeschäftes untergeht, ist oftmals kreativer als in Stresssituationen. Nutzen Sie die Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen. Wie wäre es mit Lesungen, Tastings etc.?

Nächstes Mal: E wie Einfachheit – Kompliziert kann jeder

Das Gastro-Gründer-ABC auf nomyblog begleitet Sie vierzehntägig mit den wichtigsten Themen von A bis Z. Der Autor Ralf Klümper war bis 2017 selbst zehn Jahre Gastronom in Essen („Die Insel“). Seine Praxiserfahrung vermittelt er seitdem als Gastro- und Gründerberater und schreibt für Gastro-Blogs und Fachpublikationen. 

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