Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

von Jan-Peter Wulf
haferkater porridge - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

Porrige in lecker. Alle Fotos: Haferkater

Fünf Jahre Haferkater: Was 2014 in einer Ex-Dönerbude in Berlin-Friedrichshain begann, ist 2019 auf dem Weg zur System- und Verkehrsgastronomie der modernen Art – frisch, gesund, nachhaltig. Und das mit einem bislang verkannten Produkt: Porridge. Wir haben uns erklären lassen, wie so etwas geht.

Ein trüber Vormittag im Prenzlauer Berg in Berlin. Um uns herum im Haferkater geht es trubelig zu. Viele Menschen kommen und gehen, nehmen hier ihr Frühstück ein oder mit auf den Weg. Ein besonderes Frühstück: Haferbrei, oder besser Porridge – wie man ihn von so ziemlich jedem Hotelfrühstücksbuffet dieser Welt kennt. Oder vielleicht doch nicht kennt. Denn schon nach einem Löffel des „Haferkater“-Porridge ist klar: Der hier schmeckt und ist anders. Was macht den Unterschied?

„Unser Hafer kommt als ganzes Korn von unserem Naturkosthändler. Er wird täglich frisch in der Haferquetsche geflockt, geröstet und den ganzen Tag über mit Wasser und Salz gekocht“, erklärt Gründer Levin Siert. „Lässt man Haferflocken lange liegen, oxidieren sie und werden bitter. Deswegen werden industrielle Haferflocken hitzebehandelt, Nährstoffe und Geschmack gehen raus und mit ihnen die Fähigkeit des Hafers, aufzuquellen und cremig zu werden. Ergebnis ist dann Pappmaché“, klärt uns seine Geschäftspartnerin Anna Schubert auf.

Leandro Burguete stößt hinzu, der dritte Gründer. Die beiden kennen sich aus dem Studium in Straßburg, Anna und Levin wiederum sind Jugendfreunde. Irgendwann waren alle drei in Berlin, so richtig happy war keiner mit den beruflichen Perspektiven, und dann, das war Anfang 2014, fand ein Zufallsgespräch mit einem Dönerbuden-Betreiber in der Boxhagener Straße in Friedrichshain statt. Leandro wollte sich dort nur einen Falafel kaufen, der Betreiber beklagte, dass niemand seinen Döner haben wolle, immer werde nach Falafel gefragt, und dass er seinen Laden loswerden wolle. Wir sagten: „Okay, wir übernehmen“, erzählt Anna. Levin, ausgebildeter Jazz-Gitarrist, stieg ein. So kann man auch zu einem Gastro-Start-up kommen.  

haferkater boxhagener strasse - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

Hier fing alles an: Der erste „Haferkater“ in Berlin-Friedrichshain, mittlerweile abgerissen

haferkater eberswalder strasse - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

Neuer Flagship-Store: das Café in der Eberswalder Straße, Berlin

Porridge: gesund und schnell

Und warum entschied man sich ausgerechnet für Porridge? „Zum Mitnehmen habe ich Porridge in meiner Studienzeit in London kennen gelernt. Dort ist es ein gesundes, beliebtes Takeaway-Produkt“, erklärt Leandro. Den Bedarf sah man auch für die deutsche Hauptstadt. Anna: „Wenn man aus dem Ausland nach Berlin kommt, dann sind die vielen SB-Bäckereien ein Schlag ins Gesicht. Gleichzeitig informieren sich die Menschen, achten auf ihre Ernährung – da dachten wir uns: Porridge erfüllt beide Kriterien – Geschwindigkeit und Qualität.“ Das Produkt entwickelten die drei im laufenden Betrieb weiter: „Wir haben ständig rumprobiert. Wir hatten ja den Laden und mussten was draus machen. Weder hatten wir einen Businessplan noch eine monatelange Vorbereitung“, erinnert sich Levin.

Expansionspläne gab es zu diesem Zeitpunkt auch nicht. Die kamen erst so richtig auf, als man sich 2016 im Pitch „Next Station“ der Deutschen Bahn durchsetzte und einen Monat lang eine Standalone-Fläche mitten im Berliner Hauptbahnhof bespielen durfte. Was so gut funktionierte und ankam bei den Reisenden, dass aus ursprünglich sechs Wochen mehrere Monate wurden. Eine dauerhafte Bleibe konnte aus dem zweiten „Haferkater“ allerdings nicht werden – kein Wasser, kein Strom, keine durchgängige Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt. Dennoch: Dass Porridge als Mitnahmeprodukt in (deutschen) Bahnhofs-Hochfrequenzlagen funktioniert, der „proof of concept“ war jetzt da. Dazu später mehr.

Bio-Quote liegt bei 80 Prozent

Zurück in die Eberswalder Straße. Hier hat der „Haferkater“ im Frühjahr 2017, kurz vor Ende des Pop-ups im Bahnhof, eine neue Homebase geschaffen (das „Stammhaus“ Ex-Dönerbude ist mittlerweile geschlossen). Das zweite stationäre „Haferkater“ ist ein modernes Café-Restaurant, holzbetont, in dem es neben den hauseigenen Porridge-Kreationen wie dem „Knusperkater“ mit Mandeln, Cashews, Zedern, Crunchy und Ahornsirup oder dem „Ziegenkater“ mit Ziegenfrischkäse, Birnen, Honig, Walnüssen und Thymian auch Bowls gibt. Dazu gibt es Kaffeespezialitäten mit Bohnen von Van Gülpen, der ältesten Rösterei des Landes. Aktuell liegt man bei einer Bio-Quote von 80 Prozent und man hat auch im to-go-Geschäft grüne Wege eingeschlagen. Ganz am Anfang, in Friedrichshain, gab es sogar Pfandgläser, was sich allerdings als nicht praktikabel erwies. Jetzt wird der Porridge in schicken braunen Bechern rausgegeben.

haferkater popup berlin - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

2016 bis 2017 gab es ein Porridge-Pop-up im Berliner Hauptbahnhof

haferkater to go - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

Wer sein Porridge zum Mitnehmen kauft, bekommt es in einer nachhaltigen to-go-Verpackung ausgehändigt

„Mit Greenbox haben wir einen nachhaltigen Lieferanten gefunden, unsere Verpackungen sind ohne Plastik und komplett recyclebar. Wenn wir Kunststoff brauchen, dann nehmen wir Bio-Kunststoff auf Zuckerrohr- und Maisstärkebasis. Verpackungen mit Erdöl-Anteil gibt es bei uns nicht“, erklärt Levin. Er ist für das Supply Chain Management und die Verhandlungen zuständig, Anna kümmert sich um Kommunikation und Design, Leandro leitet den Bereich Finanzen, Buchhaltung und Personal.

Sprecht mehr mit anderen Start-ups. Seid nicht zu vorsichtig mit euren internen Informationen, Zahlen und Kontakten. Tauscht euch aus!

(Levin Siert)

Das Team ist auf mittlerweile 57 fest angestellte Mitarbeiter angewachsen. Man beschäftigt eine Operations Managerin für die Stores, hat ein Büroteam mit Produktentwickler, Buchhalterin und  Projektassistentin sowie die Store-Manager und -Mitarbeiter. „Wir bieten unseren Leuten Möglichkeiten, aufzusteigen. Und wenn wir vor der Frage stehen, weniger Personalkosten oder besserer Kundenservice, dann entscheiden wir uns immer für den besseren Kundenservice. Dann ist die Marke sicher und wir sind stolz auf das, was wir tun“, erklärt Leandro. Man müsse es auch als junges Gastro-Unternehmen schaffen, seine Kalkulation so zu gestalten, dass es Mitarbeitern gut geht und sie motiviert sind. Es scheint zu funktionieren, denn es kommen auch Leute von anderen Betrieben – und bleiben.

Wenn ihr mit eurem Produkt etwas verändern wollt, dann geht in den Massenmarkt. Man muss auch in Toplagen ein überzeugendes Angebot schaffen. Kiezgefühl am Bahnhof!

Leandro Burguete

Haferkater: alternativlos am Bahnhof

Aktuell hat das Porridge-Business „Haferkater“ sechs Standorte: Das Café-Restaurant in der Eberswalder Straße seit Mai 2017, ein to-go-Geschäft am Kölner Hauptbahnhof seit Sommer 2017, im März 2018 eröffnete man im Bahnhof Berlin-Friedrichstraße und im Januar 2019 im Dresdener Hauptbahnhof. Kürzlich kamen Bonn und Frankfurt dazu, und als nächstes stehen Eröffnungen in den Hauptbahnhöfen von Hannover, Bremen und München an, jeweils mit klarem Fokus auf das Außer-Haus-Geschäft. „Wir sind am Bahnhof recht alternativlos“, erklärt Anna selbstbewusst. „Dort gibt es Backwerk und Starbucks. Wir liegen preislich dazwischen – mit höherer Qualität. Wenn du am Bahnhof etwas Gesundes, Vegetarisch-Veganes, Biologisches suchst, findest du nicht viel.“

haferkater koeln - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

Mitgründer Leandro Burguete am Tresen im „Haferkater“ Köln Hauptbahnhof

haferkater frankfurt - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

Auch am Frankfurter Hauptbahnhof gibt’s jetzt frisches Porridge für die vielen Pendler und Reisenden

Wuchs man bis dato mit Eigenbetrieben, geht man nun Franchise-Partnerschaften sowohl mit Einzelunternehmern als auch größeren Playern wie SSP ein (mehr dazu hier bei den Kollegen von Holy Eats). Franchising: Ein System, welches von den Gründern erst einmal kritisch beäugt wurde. „Aber je mehr wir darüber erfuhren, desto mehr haben wir gemerkt: Es ist unsere Entscheidung, dass es läuft. Dass die Qualität stimmt, man Mitarbeiter fair behandelt, Kunden keinen Blödsinn erzählt, die Einrichtung nicht leidet“, so Anna. Man wolle die leitenden Personen in den Standorten möglichst viel einbeziehen und sie bei Entscheidungen nicht außen vor lassen. „Es geht nicht, dass man einen Store-Manager hat und dieser hat nicht das Gefühl, dass der Store auch seiner ist.“ 

Haltet das Angebot spitz. Man bekommt viele Produkte zugeschickt, muss aber sehr sorgfältig auswählen: Qualität und Preis müssen stimmen – und es muss zum Konzept passen.

Anna Schubert

Porridge den ganzen Tag? Ja!

Rückenwind gibt den Dreien auch, dass sich über die bald fünf „Haferkater“-Jahre klar erwiesen hat: Porridge ist ein Ganztagesprodukt. Längst nicht nur morgens wollen viele Kunden ein gesundes, bekömmliches Essen. „Abends nimmt das Ganze sogar noch mal richtig Schwung auf“, erklärt Leandro. „Du musst Vertrauen in dein Kernprodukt haben und nicht fünf andere Sachen ins Sortiment aufnehmen, die dann vielleicht nicht so gut sind. Ist deine Marke stark und hast du eine überzeugende Qualität, kaufen die Leute eben auch am Abend am Bahnhof Porridge.“

haferkater fizzz - streetfood, interviews-portraits, konzepte, gruendung, gastronomie, food-nomyblog Haferkater: drei Berliner Porridge-Profis erobern die Bahnhöfe Deutschlands

Haferkater in Zahlen

2014 in Berlin-Friedrichshain gegründet
2015 Gewinner beim „Gastro-Gründerpreis“
2016 Gewinner Wettbewerb „Next Station“, Pop-up im Hauptbahnhof Berlin
(bis August 2017)
2017 Katjesgreenfood beteiligt sich mit 20% am Unternehmen
2017 Eröffnung Köln Hbf
2018 Eröffnung Bahnhof Berlin-Friedrichstraße
2019 Eröffnung Dresden Hbf, Bonn Hbf, Frankfurt Hbf und weitere (geplant)
2019 Zertifizierung bei Greentable e.V. als nachhaltige Gastronomie
weitere geplante Eröffnungen 2019: Hannover, Bremen und München Hbf
Mitarbeiter: 57 (Stand März 2019)
Umsatz: durchschnittlich 430.000 Euro pro Store p.a.

Dieser Beitrag erschien zuerst in fizzz 5/2019 und wurde aktualisiert. Es sind ja mittlerweile schon wieder neue Outlets dazu gekommen. 
 

Weiterlesen:

KOMMENTIEREN

* Durch die Verwendung dieses Formulars stimmen Sie der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website zu.