Im Hochland von Vietnams Süden wächst er, geröstet wird er in Münster und anschließend u.a. in der Gastronomie und online verkauft: der Kaffee von Han Coffee Roasters.
August 2015. Ich stehe an einer Straße mitten in Ho-Chi-Minh-Stadt mit dem kühnen Plan, in ein Café auf der anderen Seite zu gehen. Die Straße ist belebt. Alle Straßen sind hier belebt. Und wie. Ohne Motorscooter geht hier gar nichts. Ein Dauergeräusch, ein Dauerschwarm. Um in dieser Stadt als Fußgänger auf die andere Straßenseite zu kommen, muss man einfach irgendwann losgehen. Sonst wird es nie etwas. Keine Angst: Es funktioniert, man muss nur in Bewegung bleiben. Alle passen aufeinander auf, auch Stau gibt es kaum.
In Saigon gibt´s Jasmintee, in Berlin kein Leitungswasser
Endlich drüben, setze ich mich an einen der flachen Tische. Es ist sehr voll und, das war mir schon in den Tagen zuvor aufgefallen, das ist es hier zu jeder Tageszeit. Der Kaffee muss hier besonders gut sein. Ist er auch. Ich habe leider vergessen, was für eine Sorte genau ich damals bestellt habe, aber die leichte Säure und der relativ milde Geschmack – das langsame Reinträufeln aus dem aufgesetzten Phin aus dünnem Metall, dem vietnamesischen Filter, verringert auch die Bitterkeit – sind mir gut in Erinnerung geblieben. Und dass es kalten Jasmintee dazu gab. Was für ein toller Service!
Als er mir gereicht wird, muss ich gleich an meinen Besuch im Berlin-Mitte-Hiprestaurant „District Môt“ einige Tage zuvor denken. Es sollte eine Einstimmung auf den Vietnam-Trip sein. Mit seinen authentischen Plastikhockern, seinen geschmückten Straßenverkaufswagen und Stromkabeln, die dort von der Decke und hier überall in den Straßen hängen – ahmt es Ho-Chi-Minh-City oder Saigon, wie es ursprünglich hieß, sehr detailreich nach. Aber Jasmintee gibt es dort zum vietnamesischen Kaffee nicht. Es gibt nicht mal Leitungswasser dazu. Auch nicht, wenn man danach fragt. Man habe „schlechte Erfahrungen“ damit gemacht. Soso. Vermutlich hat jemand mal eine ganze Karaffe geleert und sich kein Getränk zum Essen dazubestellt, und deswegen bekomme ich kein Leitungswasser zum Drei-Euro-Kaffee. Wie, gelinde gesagt, schade. Von einem Jasmintee-Upgrade ganz zu schweigen: Was könnte man sich damit differenzieren. Das bleibt Menschen in Erinnerung, die kommen deshalb glatt wieder! Denke ich und schaue den Motorscootern beim Vorbeischwirren zu.
Ein großes Bild mit Motorscooterfahrern, die in Dutzenden an einer Ampel warten, hängt im „Qua Phe“, einem anderen vietnamesischen Café-Restaurant in Mitte, Max-Beer-Straße. (Das hier ist es nicht, das habe ich unter Einsatz meines Lebens selbst gemacht). Eigentümerin dieses schmucken Ortes ist die junge Hong Dao, und ihrem Partner Ngoc-Duc Nguyen gehören die „Royals & Rice“-Restaurants auf der Torstraße und in Münster. Jetzt verkauft er auch Kaffee. Vietnamesischen: „Han Coffee“ heißt die neue Marke, die er Ende November im „Qua Phe“ vorstellte. Er verwendet Bohnen, die man direkt und ohne Zwischenhandel aus der Provinz Lam Dong im südlichen Teil des schmalen Landes bezieht. Sie wachsen dort auf 1.600 bis 1.900 Metern Höhe. Jede einzelne Kaffeekirsche wird von den Farmern, mit denen man zusammenarbeitet, erlesen und handgepflückt. Nur die reifen roten Kaffeekirschen vom Ast genommen, ohne dass dabei die grünen unreifen Kaffeekirschen für eine spätere Ernte beschädigt würden. Viel Arbeit.
Han Coffee Roasters: von Vietnam nach Westfalen
Geröstet werden sie in Münsters stadtbekannter Rösterei „roestbar“ und in den eigenen Gastronomiebetrieben verkauft. Ebenso können andere Betriebe Premiumpartner werden, z.B. verkauft das „Prince“ den Kaffee an seine Gäste. Endkonsumenten können sich den Kaffee online kaufen. „Ich hatte immer ein schlechtes Gefühl, wenn ich italienischen Kaffee serviert habe“, erklärt der Gastronom und Neu-Kaffeehändler Nguyen. „Es machte die Sache nicht ganz rund, weil in Vietnam doch Kaffee wächst.“
Jede Menge: Nach Brasilien ist das südostasiatische Land der zweitgrößte Kaffeeproduzent. Es begann in der Kolonialzeit, als die Franzosen Kaffee zum Eigenbedarf anbauen ließen – und so, wie die Vietnamesen heute das bessere Baguette machen (desolé, mes amis), wurde auch die Qualität des Kaffees immer hochwertiger. Klar: Es gibt auch ganz miesen, wer sich wie der Verfasser dieser Zeilen gutgläubig einen „squirrel coffee“ aus dem kulinarischen Zentrum Saigons, der Markthalle in Ben Tanh, für wenig Geld mitnimmt, muss sich über den Nepp nicht wundern.
Den Qualitätsbeweis will nun „Han Coffee“mit vier Sorten antreten. Man bietet den klassisch-vietnamesischen „Phin Ca Phe“ an, den man mit süßer Kondensmilch trinken sollte, um es besonders authentisch zu haben. Und bestenfalls stilecht im Phin zubereitet. Wie das geht, dokumentiert Fritz Radtke von „The Daily Eats“ in bewegten Bildern, aufgenommen im„Qua Phe“:
In den kommenden Monaten wird „Han Coffee Roasters“ auch eine hochwertige, robustere Emaille-Version des klassischen Phin-Filters für die Gastronomie anbieten. Zweite Sorte im Portfolio ist der milden „Vietnam Espresso“, ferner gibt´s einen „Single Origin“ mit 100% Arabica-Bohnen und den Spezialkaffee „Red Bourbon“ mit besonders fruchtig-beerigen Noten. Die Bauern vor Ort unterstützt man nicht nur mit einer Bezahlung über dem örtlichen Standard, sondern auch mit technischem und Vermarktungs-Know-how. Nguyen: „Wir bringen vietnamesische Kaffeekultur nach Deutschland und geben Wissen zurück.“ Klingt nach einem guten Austauschprogramm.
1 Kommentar
Also in Viet Nam Leitungswasser trinken würd ich auch im Leben nicht wollen, selbst geschenkt. Da komme ich eher für den Kaffee selbst zurück. Aber jetzt wo du’s erwähnst, complimentary Tee oder Wasser bekommt man in Viet Nam im Gegensatz zu bspw. Japan oder Korea, tatsächlich generell nicht.