„Junge Menschen und erfahrene Gastronomen an der Lehrplan­gestaltung beteiligen“ – im Gespräch mit Gastronomie­beraterin Hannah Plettenberg

von Laura Klingenberg
hannah plettenberg 690x460 - personal, interviews-portraits, gastronomie „Junge Menschen und erfahrene Gastronomen an der Lehrplan­gestaltung beteiligen“ - im Gespräch mit Gastronomie­beraterin Hannah Plettenberg

Hannah Plettenberg: „Alter Berufsschul-Lehrplan kann mit der Branche niemals mithalten.“

Aktuelle Studien zeigen: Knapp 30 Prozent der deutschen Gastronomen leiden stark bis sehr stark am Fachkräftemangel. Die Zahlen spiegeln auch den vergleichsweise hohen Anteil an unbesetzten Ausbildungsstellen im Gastgewerbe wieder.

Was tun? Eine Frage, die uns wieder und wieder umtreibt. Wir richten sie dieses Mal an Hannah Plettenberg. Sie ist seit über zehn Jahren in der Gastronomie und Hotellerie als Beraterin, Trendforscherin und Coach tätig, beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und hat Lösungsansätze herausgearbeitet – so sollten Betriebe zukünftig in allgemeinbildende Schulen gehen und für das Arbeiten in der Branche werben, das Berufsbild positiv darstellen. Außerdem sollten die Lehrpläne an den Berufsschulen „stärker an die Realität angepasst“ werden, findet sie. Was das genau bedeutet, hat uns die Hamburgerin im Gespräch erklärt. 

Frau Plettenberg, wie lassen sich die Lehrpläne an Berufsschulen an die Realität anpassen?

Die Branche entwickelt sich mit einer so rasanten Geschwindigkeit, dass ein alter Berufsschul-Lehrplan hier niemals mithalten kann. Außerdem sind die Lehrer, die den Lehrplan mitgestalten, schon zu lange aus der Praxis draußen. Meiner Meinung nach sollten vermehrt junge Menschen und erfahrene Gastronomen aus der Praxis an der Gestaltung des Lehrplanes beteiligt sein.

Können Sie uns ein Beispiel für einen veralteten Lehrplaninhalt geben?

Köche müssen beispielsweise im Unterricht die Zubereitung einer klassischen Sauce Hollandaise lernen, was ich für sehr wichtig und richtig halte. Jedoch werden die Azubis heute mit einem Riesenspagat konfrontiert. Die Praxis zeigt aus vielerlei Gründen, dass nicht immer auf eine frisch zubereitete Hollandaise zurück gegriffen bzw. à la minute zubereitet werden kann. Für die Prüfung wird es dann schnell auswendig gelernt, in der Praxis werden dann die Tüten öfter und öfter aufgerissen. Bei den Convenience-Produkten gibt es ja inzwischen super Produkte, die einen Unterschied kaum mehr erkennen lassen. Hier sehe ich eine Diskrepanz zwischen der Vermittlung von klassischen erlernten Inhalten und dem modernen Alltagsleben in der Küche. 

Wie könnte das Gastgewerbe ein positives Image, das es verdient hätte, pushen?

Zum einen hat die Branche dank Kochshows wie Tim Mälzers „Kitchen Impossible” in den letzten Jahren an Ansehen gewonnen. Allerdings können Kochshows das Berufsbild des Koches ebenso verzerren. Kein Wunder, dass so viele Köche ihre Ausbildung gleich wieder abbrechen, sobald sie merken, dass sie Überstunden nicht bezahlt bekommen und am Wochenende immer arbeiten müssen. Um der Branche ein reales Bild der Branche zu vermitteln, sollten vielmehr Betriebe und Berufsschulen mit allgemeinbildenden Schulen zusammen arbeiten. Hier könnten Köche mit den Schülern der 9. und 10. Klasse, zusätzlich zu den schon angebotenen Schulpraktika, in den Lehrküchen kochen.

Einige Betriebe bilden schon gar nicht mehr aus oder gründen ihre eigenen Akademien. Was halten Sie davon?

Ich kann das vollkommen nachvollziehen. Wenn die veralteten Lehrpläne und Ausbildungsstrukturen sich nicht ändern, dann müssen es die Betriebe wohl selbst in die Hand nehmen. Der Gründer der Fair Job Hotels, Alexander Aisenbrey, hat für seine Betriebe in Süddeutschland entschieden, dass die Inhalte der Lehrpläne für seine Ansprüche nicht reichen – und hat begonnen, seine Mitarbeiter in den fehlenden Kompetenzen zu stärken. Auch Steigenberger hat seit vielen Jahrzehnten eine eigene Akademie, in der sich junge Menschen bei einem Grundbildungsjahr anschauen können, ob der Job in der Gastronomie etwas für sie ist. Dieses Jahr wird in der Ausbildung sogar angerechnet, die Ausbildungsdauer verkürzt sich dann auf zwei Jahre. Auch ich habe meine Karriere so gestartet und habe damals durch viele Arbeitseinsätze bei Alfons Schuhbeck und Co. Blut geleckt.

Wie könnte ein Verband wie der Dehoga zu einem positiveren Bild des Gastgewerbes beitragen?

Der Dehoga macht ja vieles für bestehende Unternehmen und ganz viel zur Zeit auch für Existenzgründer. Er braucht jedoch definitiv eine stärkere Medienpräsenz in allen digitalen Kanälen. Ich könnte mir zum Beispiel eine Dehoga-Präsenz auf privat organisierten Jobbörsen vorstellen, die gerade für Jobanfänger geeignet sind.

Und wie könnten Gastronomen wieder zu Azubis kommen?

Ich glaube fest daran: Wenn sich die örtlichen Gastronomen und Hoteliers zusammenschliessen und vielleicht direkt in die Schulen gehen und den Job mit all ihren Reizen präsentieren, kann dies ein Weg zu mehr Azubis sein.

Könnte es auch sein, dass Berufsbezeichnungen und -bilder wie Restaurantfachmann/frau out sind? Es gibt doch so viel spannender klingende Berufe, zum Beispiel Barista, Bierbrauer oder Sommelier. 

Es ist vielleicht an der Zeit, die Berufsbezeichnungen eines Restaurantfachmanns oder einer Restaurantfachfrau mit einer modernen Beschreibung zu versehen – und die Inhalte anzupassen. Alle machen doch heute ihren Bachelor. Wenn es auf diesem Weg funktioniert, warum nicht? 

Vielen Dank, Frau Plettenberg. 

Lesetipp: Die Deutsche Barkeeper-Union e.V. hat ein eigenes Lehrbuch für die Berufsschulen entwickelt. Mehr dazu hier: 

„Wir packen die Leute bei den Eiern: Tretet ein und verändert was!“ Mohammad Hamudi Nazzal über die Gegenwart und Zukunft der Deutschen Barkeeper Union

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